Eine Reise wert

Die Farbenpracht Indiens steckt voller Geheimnisse

Reisen & Urlaub
09.12.2011 12:33
Indien: Dieses farbenprächtige Land steckt voller Geheimnisse. Viele davon wird ein Gast nie ganz ergründen können. Andere wiederum sind Weltkulturerbe der Menschheit und warten nur darauf, entdeckt zu werden. Nicht nur das bunte Leben, auch eine Fahrt mit dem Hausboot in den Backwaters in Kerala , die "Tempel der Liebe" in Khajuraho und die Prunkbauten im Fort Amber in Jaipur sind eine Reise wert.

Ich war gespannt. Wie eine spiegelverkehrte Welt erschien mir Indien, als ich diesen exotischen Subkontinent 1983 bereiste. Bunt, exotisch und widersprüchlich, mit europäischen Maßstäben kaum zu erfassen, zugleich gastfreundlich und liebenswürdig, einfach faszinierend – das vom Hinduismus geprägte Land und seine kontaktfreudigen Bewohner hatten gewaltigen Eindruck hinterlassen. Was wird mich wohl 28 Jahre danach erwarten?

Vertraute Bilder! Auf den Straßen Neu-Delhis herrschte Wirrwarr. Im geordneten Chaos drängten sich Radfahrer, (Motor-)Rikschas und Pferdewagen dicht nebeneinander auf derselben Spur, mittendrin vereinzelt heilige Kühe und – viel mehr Autos als früher. Der schlafende Riese ist erwacht! "Dank unseres Wirtschaftswachstums können sich immer mehr Inder einen gewissen Standard leisten. Wo das bei 1,2 Milliarden Menschen noch hinführt, wissen nur die Götter", sagte Udai Singh, der unsere kleine Reisegruppe begleitete, nachdenklich. Kein Licht ohne Schatten: Neben glitzernden Leuchtreklamen, luxuriösen Firmensitzen und Shopping-Centern stechen karge Behausungen hervor. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird auffälliger.

Ungetrübt ist jedoch der Glanz jener schillernden Epochen, die Touristen in die bewegte Geschichte Indiens eintauchen lassen. Zweifelsohne zählen die prunkvollen Bauten im "Goldenen Dreieck" Delhi–Agra–Jaipur zu den Höhepunkten jeder Tour. Doch abseits von Taj Mahal, dem Roten Fort, Hawa Mahal ("Palast der Winde"), Fort Amber & Co. sind noch viele andere Juwele verborgen. Kein Rummel umgibt Fatehpur Sikri, die einstige Kaiserstadt, die Großmogul Akbar im 16. Jahrhundert knapp 40 Kilometer südwestlich von Agra in die Steppe setzen ließ. Kaminrote Paläste ragen verlassen aus dem Wüstenboden. Umringt von kunstvoll verzierten Gemächern seiner Lieblingsfrauen, der Schatzkammer, Audienzhalle und einem luftigen Aussichtsturm frönte der als religiös tolerant geltende Herrscher im weitläufigen Innenhof dem Pachisi-Brettspiel, dem indischen "Mensch ärgere dich nicht"-Original. Als Figuren dienten ihm farbenfroh gekleidete Sklavinnen.

Gemeißelte Erotik im Herzen Indiens
In safranbraunen Sandstein gemeißelte Erotik aus dem 10. bis 12. Jahrhundert offenbart sich Besuchern der magisch anmutenden Tempel von Khajuraho im Herzen Indiens. Als Symbol überschwänglicher Verherrlichung des Lebens reihen sich wohlgeformte Reliefe mit Szenen wie aus dem Kamasutra aneinander und türmen sich meterhoch auf. Angesichts der offenherzig zur Schau gestellten Akte mögen vielleicht allzu prüde Betrachter vor Scham den Blick senken. "An den Darstellungen ist aber nichts Anstößiges. Sie zeugen lediglich von der Freude an der Sinnlichkeit in der damaligen Epoche", versuchte unser Guide mögliche Bedenken gleich im Ansatz zu zerstreuen. Schließlich soll schon vorgekommen sein, dass sich Touristen empört von den freizügigen Abbildungen abgewendet haben.

Tatsächlich spiegeln die mehr als 2000 Skulpturen an den Wänden der Kultbauten die hinduistische Mythologie wider und deuten auf die Weltschöpfung der Götter hin. 600 Jahre vom Dschungel verschlungen, wurden sie erst spät neu entdeckt. Zwei Dutzend der 85 "Tempel der Liebe" aus der Chandella-Dynastie sind erhalten geblieben und zählen ebenso wie Fatehpur Sikri zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein Juwel für sich: Orchha, eine prachtvolle mittelalterliche Siedlung am Fluss Betwa. Gäste genießen die unberührte Schönheit dieses kleinen Ortes voller Paläste und Tempel.

Wer nach einem Besuch von Varanasi, der heiligen Stadt am Ganges, noch Zeit hat, sollte sich einen Abstecher nach Kerala in den Süden gönnen. Ungewohnt ruhig geht es hier auf den Straßen zu. Nicht Tempel, sondern christliche Gotteshäuser prägen das Bild der Metropolen. Die älteste von Europäern erbaute Kirche Indiens steht in Kochi, vormals Cochin. 1503 aus Holz errichtet, später durch einen Steinbau ersetzt, war in der St. Francis Church der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama anno 1524 beigesetzt worden. Seine sterblichen Überreste kamen nach Lissabon, der Grabstein gleich neben den Betbänken ist zu besichtigen.

"Venedig des Ostens" auf dem Hausboot erkunden
Unweit davon wogen weitere Sehenswürdigkeiten in den Fluten an der Nordspitze der Halbinsel Fort Kochi: die berühmten chinesischen Fischernetze. Langstielige, schwere Holzkonstruktionen, die laut Überlieferung Kaufleute vom Hofe Kublai Khans bereits im 13. Jahrhundert entlang des Ufers aufgereiht haben sollen. Idyllisch wurde es, als wir bei Alleppey ein traditionelles, komfortables Hausboot bestiegen, um das viel gepriesene "Venedig des Ostens" zu erkunden.

Auf unserer Fahrt durch die sogenannten Backwaters schipperten wir gemächlich an tropischen Palmen, Reisfeldern und Kormoranen vorbei. Ähnlich wie Schafshirten versuchten Männer in schmalen Kanus behutsam ihre "Herde" von Hunderten Enten aus dem Wasser ans Land zu scheuchen, vor einfachen Häusern wuschen Frauen die Wäsche. Als die Sonne am Horizont verschwand, Stille einkehrte und aus dem nahen Dickicht nur der Klang einer einsamen Flöte ans Ohr drang, schien alles wie ein Traum aus Tausendundeiner Nacht.

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