Nie wieder putzen

Wasser und Öl perlen an neuem Glas vollkommen ab

Wissenschaft
02.12.2011 14:23
Nie wieder Brille putzen und keine dreckige Windschutzscheibe mehr - diesem Ziel sind Forscher des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz und der Technischen Universität Darmstadt jetzt ein gutes Stück näher gekommen. Sie haben eine durchsichtige super-amhiphobe Beschichtung aus Glas hergestellt, an der sowohl Wasser als auch Öl vollkommen abperlen. Diese Eigenschaften verdankt das Material seiner Nanostruktur.

Doris Vollmer ist es leid, dass ihre Brille immer so schnell verdreckt. Die Wissenschaftlerin, die am Max-Planck-Institut für Polymerforschung eine Forschungsgruppe leitet, suchte Abhilfe für das Problem und ist mit ihrem Team dabei einen großen Schritt vorangekommen. Eine durchsichtige, stark wasser- und ölabweisende Beschichtung, wie sie die Mainzer Forscher nun präsentierten, könnte nicht nur Wasser und Schmutz von Brillengläsern und Autoscheiben, sondern auch von den Glasfronten an Hochhäusern fernhalten. Sie könnte zudem in medizinischen Geräten Rückstände von Blut oder verunreinigten Flüssigkeiten verhindern.

Dabei besteht die Beschichtung im Wesentlichen aus einem denkbar einfachen Material: Silikat, dem Hauptbestandteil von Glas. Das haben die Forscher mit einer fluorhaltigen Silicium-Verbindung überzogen, was die Schicht an sich schon wasser- und ölabweisend wie eine Teflonpfanne macht. Der eigentliche Clou aber liegt in der Struktur des Überzugs. Durch sie wird das Glas super-wasser- und gleichzeitig super-ölabweisend. In einer so beschichteten Pfanne würden Wasser und Öl nur als Tropfen herumkullern. Die Schicht ist nämlich wie ein schwammartiges Labyrinth (im Bild eine mikroskopische Aufnahme) völlig ungeordneter Poren, das aus winzigen Kugeln zusammengesetzt ist.

Kerzenruß als Modell
"Die runden Oberflächen können selbst durch dünnflüssige Öle nicht benetzt werden, obwohl das energetisch am günstigsten wäre", sagt Doris Vollmer. Denn die Flüssigkeiten, die selbst fluorierte Oberflächen benetzen, müssten über die gerade einmal etwa 60 Nanometer großen Kügelchen – ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter – gepresst werden, um einen Film auf der Oberfläche zu bilden. Das kostet zu viel Energie.

Für praktische Anwendungen empfiehlt sich eine solche Beschichtung nicht zuletzt deshalb, weil sie so leicht herzustellen ist. "Wir können sie sogar in Marmeladengläsern erzeugen", sagt Doris Vollmer. Als Modell für die poröse Kugelstruktur diente den Forschern der Ruß einer Kerzenflamme, von dem sie quasi einen Glasabruck machten. Zunächst hielten sie also ein Glasplättchen in eine Flamme, sodass die rund 40 Nanometer großen, runden Rußpartikel auf dem Glas eine schwammartige Struktur bildeten. Diese überzogen sie nun in einem Glasgefäß – wahlweise auch in einem Marmeladenglas – mit Silikat, indem sie eine flüchtige organische Silicium-Verbindung und Ammoniak auf die Rußablagerung dampften. Als sie das Material anschließend erhitzten, zersetzte sich der Ruß. Auf die hohle Silikat-Struktur dampften sie schließlich noch die fluorhaltigen Silicium-Verbindung auf.

Zahlreiche Anwendungen möglich
"Da das Material so wasser- und ölabweisend ist, würde es sich als selbst reinigende Beschichtung für zahlreiche Anwendungen eignen", sagt Hans-Jürgen Butt, Direktor jener Abteilung am Mainzer Max-Planck-Institut, in der Doris Vollmer mit ihrer Gruppe arbeitet. Und selbst wenn ein Teil der Schicht abgetragen wird, bleibt die Glasstruktur super-amphiphob. Denn sie ist in ihrem Inneren genauso aufgebaut wie an ihrer Oberfläche.

Schnelle Abnützung noch ein Problem
Erst wenn sie dünner als ein Mikrometer wird, verliert sie ihre selbst reinigenden Eigenschaften. Genau das dürfte derzeit in der Praxis noch recht bald passieren, selbst wenn die selbst reinigende Schwammstruktur ein Brillenglas oder eine Fensterscheibe mehrere Mikrometer dick einhüllt. Denn als die Mainzer Forscher Sand auf die filigrane Glasstruktur rieseln ließen, wurde der Überzug schnell abgerieben. "In einem nächsten Schritt möchten wir daher eine Schicht entwickeln, die super-amphiphob und mechanisch stabiler ist", sagt Doris Vollmer.

Sobald die Forscher systematisch verstehen, warum eine Flüssigkeit eine Oberfläche benetzt oder nicht, könnten Industrieunternehmen gezielt selbst reinigende Beschichtungen für Anwendungen in Architektur, Optik oder Medizin entwickeln.

Foto: MPI für Polymerforschung

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