Gefahr für Fischerei

Brasilien: Gericht stoppt umstrittenes Mega-Kraftwerk

Ausland
29.09.2011 08:49
Der Bau des umstrittenen Belo-Monte-Staudamms in Brasilien ist vorerst gestoppt worden. Ein Gericht ordnete am Mittwoch einen Baustopp für den drittgrößten Staudamm der Welt im Amazonas-Gebiet an. Das Projekt hindere die Ureinwohner am Fischen, hieß es zur Begründung. Gegen den Bau war immer wieder protestiert worden (weitere Bilder).

Das Bundesgericht des nordbrasilianischen Staates Para untersagte dem Baukonsortium Norte Energia, das Flussbett des Xingu, eines Zuflusses des Amazonas, durch den Bau eines Hafens oder von Deichen, durch Sprengungen oder das Graben von Kanälen zu verändern. Bautätigkeiten, die keine Auswirkungen auf die örtliche Fischerei haben, dürfen dem Gerichtsurteil zufolge fortgesetzt werden. Wenn das Baukonsortium gegen das Urteil verstößt, muss es pro Tag 200.000 Real (etwa 80.000 Euro) Strafe zahlen.

Die Kosten für das Projekt werden auf etwa elf Milliarden Dollar (8,1 Milliarden Euro) geschätzt. Auch das steirische Unternehmen Andritz konnte sich Turbinen-Aufträge in dreistelliger Millionenhöhe sichern. Andritz denkt nicht daran, auszusteigen.

Kräutler: "Nicht alles eitel Wonne"
Der aus Vorarlberg stammende Bischof der Territorialprälatur Xingu, Bischof Erwin Kräutler, zeigte sich überrascht über die schelle Entscheidung. Es sei allerdings "nicht alles eitel Wonne", da jetzt das Urteil einer höheren Gerichtsinstanz abgewartet werden müsse, sagte der Bischof, der für sein Engagement für die Ureinwohner im Vorjahr den Alternativnobelpreis erhalten hatte, am Donnerstag. Es seien noch zehn Verfassungsklagen gegen das Bauprojekt anhängig, sagte Kräutler weiter. Nun müsse man aber Geduld haben.

"Ich habe immer gesagt, wir sollten nicht so schnell das Handtuch werfen, sondern alle juridischen Prozesse abwarten", betonte der Bischof, der als einer der prominentesten Gegner der Staudammprojekts gilt. Er habe Informationen erhalten, wonach die Arbeiten eingestellt wurden, obwohl bereits "Hunderte Maschinen und Tausende Arbeiter" in der Region seien.

WWF warnt vor frühem Jubel
Der World Wide Fund For Nature warnte vor verfrühtem Jubel über den Baustopp. Das acht Milliarden Euro teure Projekt sei wirtschaftlich unrentabel und eine ökologische und soziale Katastrophe für die dort lebenden Menschen, meinte WWF-Sprecher Franko Petri. Der WWF fordert die österreichische Andritz AG auf, aus dem Projekt auszusteigen.

Die Umweltorganisation Global 2000 bezeichnete den Baustopp als wichtigen Etappensieg. Es handle sich aber keineswegs um das endgültiges Ende von Belo Monte. Auch Greenpeace zeigte sich erfreut. Andritz sollte den Baustopp zum Nachdenken nutzen, "um sich endlich aus diesem ökologischen und menschenrechtlichen Wahnsinn zurückzuzuziehen", so die Umweltschutzorganisation.

Der Anlagenbauer selbst reagierte "sehr gelassen" auf die Anordnung des brasilianischen Gerichts. Es handle sich um keine endgültige Einstellung. Die Baustelle sei noch nicht eingerichtet, und Andritz sei noch gar nicht vor Ort an der Arbeit, so ein Sprecher des Unternehmens: "Wir gehen davon aus, dass wir den Auftrag ausführen werden."

Drittgrößtes Wasserkraftwerk der Welt
Das Projekt wird von der brasilianischen Regierung als zentral für die nationale Energieproduktion angesehen. Die Anlage wäre mit einer Leistungskapazität von 11.233 Megawatt das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt, nach dem Drei-Schluchten-Staudamm in China und dem binationalen Itaipú-Werk an der Grenze Brasiliens zu Paraguay.

Allerdings wird mit einer weitaus geringeren Durchschnittsleistung von 4.419 Megawatt gerechnet. Die Regierung in Brasília hält das Wasserkraftwerk rund 40 Kilometer von der Stadt Altamira entfernt zur Sicherung der Energieversorgung für notwendig.

Massive Proteste und prominente Gegner
Der geplante Bau des Mega-Dammes hatte jedoch zu massiven Protesten geführt. Es wird befürchtet, dass Belo Monte Zehntausende Menschen vertreiben wird. Von 300.000 Menschen, deren Existenz zunichte gemacht werden würde, ist die Rede. Hunderttausende Unterschriften wurden bereits gegen den Bau des Staudamms gesammelt.

Internationale Aufmerksamkeit erregte der Fall auch durch Starregisseur James Cameron. Der Oscar-Preisträger hatte gewarnt, die lokalen Stämme im Amazonas-Regenwald könnten Gewalt anwenden, um den Bau zu stoppen.

Reichlich Alternativen vorhanden
Dabei wäre der riesige Bau im Amazonasgebiet gar nicht nötig. "Es geht auch anders, in Brasilien gibt es viel Potenzial für Sonnen- und Windenergie", sagt Ulrich Eichelmann von ECA-Watch. Und Christina Schröder von Südwind ergänzt: "Das Kraftwerk ist weder ökologisch noch ökonomisch ein idealer Weg. In Brasilien geht viel Strom verloren, durch bessere Leitungen könnte sehr viel eingespart werden."

Eine Studie des WWF rechnet vor: Durch Investitionen in Effizienz und Stromsparmaßnahmen kann der Energiebedarf in Brasilien um 40 Prozent gesenkt werden - und das entspricht der Leistung von 14 Staudämmen der Größe von Belo Monte.

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