Kirche statt Spital

Mega-Kathedrale um 600 Mio. Euro spaltet Rumänien

Ausland
27.09.2011 10:44
In Rumäniens Hauptstadt Bukarest entsteht für rund 600 Millionen Euro eine neue rumänisch-orthodoxe Kathedrale (siehe Modell-Bilder). Das mitten in der Wirtschaftskrise initiierte Vorhaben gilt als das teuerste Immobilienprojekt nach der Wende 1989. Dass sich an den Kosten auch die Regierung beteiligt, die gleichzeitig reihenweise Krankenhäuser schließen lässt, spaltet das Land.

Die Bauarbeiten für die "Kathedrale der Erlösung der Nation" laufen bereits auf Hochtouren. Auch wenn die Angaben des Bukarester Patriarchats stark variieren, werden die Kosten - inklusive Grundstückskauf - in Medienberichten auf insgesamt 600 Millionen Euro geschätzt.

Kathedrale rivalisiert mit Parlamentsgebäude
Die Kathedrale rivalisiert in ihren Dimensionen - 120 Meter hoch und lang, 70 Meter breit, mit einem riesigen Vorplatz, unterirdischen Parkplätzen und Veranstaltungsräumen, Lifts, Bildschirmen, einem Gesundheitszentrum und Herbergen - mit dem bereits rekordverdächtig megalomanischen Parlamentsgebäude, das vom früheren Machthaber Nicolae Ceausescu als "Volkshaus" (Casa Poporului) errichtet wurde und nach dem Pentagon das flächenmäßig zweitgrößte Gebäude der Welt ist.

Die Rumänen sind in der Frage der Errichtung der Kathedrale und vor allem deren Finanzierung aus öffentlichen Geldern gespalten, wie aus einer Umfrage der Soros-Stiftung von Anfang September hervorgeht. Eine Mehrheit von 61 Prozent ist dabei der Meinung, dass der Bau ganz oder größtenteils aus Eigenmitteln der Kirche finanziert werden sollte.

Starthilfe und Subventionen trotz Milliarden-Budgetdefizit
Doch die Regierung scheint weniger säkular eingestellt zu sein als die Bevölkerung, die sie repräsentiert. Ende 2010 beschloss sie trotz Budgetdefiziten in Milliardenhöhe, eine Starthilfe von 2,3 Millionen Euro für den Kathedralenbau zu erteilen. Für 2011 sind laut "Realitatea TV" weitere 47 Millionen Euro Budgetzuwendungen für das Projekt vorgesehen.

Dabei hatte der Staat bereits das begehrteste Grundstück Bukarests, eine mittlerweile auf 2 Millionen Euro geschätzte, 11 Hektar umfassende Grünfläche unmittelbar hinter dem Parlamentsgebäude, in das Eigentum der Kirche übertragen. Hinzukommen die im Jahr 2008 der Kirche zufallenden Subventionen von rund 1,2 Millionen Euro sowie weitere 2,3 Millionen Euro vom zuständigen Bukarester Bezirksamt im Jahr 2010.

Kirchenpatriarch: "Rumänen wünschen Kathedralenbau"
Kirchenvertreter können die Aufregung nicht verstehen: Mehr als 23.700 Menschen hätten allein seit dem neuesten Aufruf im Juni 2011 eine nicht bekannt gegebene Summe für den Bau gespendet, woraus der rumänisch-orthodoxe Patriarch Daniel schließt, dass "die orthodoxen Rumänen sich die Errichtung der Kathedrale wünschen".

Folgt man den Ergebnissen der Soros-Umfrage, stellt dies eine Verallgemeinerung dar, denn obwohl fast 87 Prozent der Rumänen sich zum orthodoxen Glauben bekennen, unterstützen wenig mehr als 60 Prozent der Rumänen sowie 49 Prozent der Bukarester das Kathedralenprojekt.

Doch die Regierung sucht den Schulterschluss mit der orthodoxen Kirche. Sie erhielt in den letzten Jahren staatliche Subventionen für den Bau oder die Instandsetzung von 4.000 Kirchen - alle zwei Tage eine neue Kirche, wie die "Deutsche Welle" in einer Reportage nachrechnete.

Klage gegen orthodoxe Kirche eingeleitet
Weil es aber nicht vertretbar sei, "Steuergelder der Atheisten, Agnostiker, Andersgläubigen oder Orthodoxen, die sich kein derartiges Gebäude wünschen" zum Bau der Kathedrale zu verwenden, leitete Remus Cernea vom "Humanistischen Verein" angesichts der in der Verfassung vorgesehenen Trennung von Kirche und Staat ein Gerichtsverfahren gegen die orthodoxe Kirche ein und fordert ein einschlägiges Referendum.

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