Rede vor der UNO

Abbas: “Frieden in Palästina an Israel zerschellt”

Ausland
24.09.2011 14:06
Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat am Freitag in New York die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen für einen Staat Palästina beantragt. Der Politiker übergab kurz vor seinem Auftritt vor der Generalversammlung den entsprechenden Antrag persönlich Generalsekretär Ban Ki Moon. In seiner Rede gab er dann Israel die Schuld daran, dass der Friedensprozess in Palästina "zerschellt" sei.

Bereits auf seinem Weg zum Rednerpult war der palästinensische Präsident von anhaltendem Applaus begleitet worden. Abbas erinnerte dann an die Sitzung der UNO-Generalversammlung und die Rede von US-Präsident Barack Obama vor einem Jahr, die große Hoffnungen auf neue, erfolgreiche Friedensverhandlungen geweckt hätten.

"Mit offenen Herzen verhandelt"
"Wir sind in diese Verhandlungen mit offenen Herzen und aufmerksamen Ohren gegangen", erklärte er. Sie seien aber nach nur wenigen Wochen zusammengebrochen. Die Palästinenser hätten in der Folge alle internationalen Vorschläge und Initiativen aufgenommen, diese seien aber alle sämtlich am "Felsen" der israelischen Regierung zerschellt, erklärte Abbas bitter.

Abbas übte in seiner Rede zudem heftige Kritik an der israelischen Siedlungspolitik. Diese sei eine Form der "kolonialistischen Militärokkupation", der "Apartheid" und der "rassistischen Diskriminierung". Er verurteilte auch die Blockade Israels gegen den von der radikalislamischen Hamas regierten Gazastreifen. "Die Besatzungsmacht hält die Blockade des Gazastreifens aufrecht und zielt auf palästinensische Zivilisten mit Anschlägen, Luftangriffen und Artilleriebeschuss als Fortsetzung des Aggressionskrieges von vor drei Jahren", sagte der palästinensische Präsident.

Der Präsident beendete seine Rede nach etwa 40 Minuten. Zuletzt hob er einige Papierblätter über den Kopf und sagte, sie seien eine Kopie des Mitgliedsantrages, den er kurz zuvor an UNO-Generalsekretär Ban übergeben habe. Abbas bekam etwa eine Minute lang Applaus, einige Abgeordnete standen auf und pfiffen begeistert.

Netanyahu: "Palästinenser wollen Staat ohne Frieden"
Heftige Kritik am Abbas-Antrag kommt von Israels Premier Benjamin Netanyahu. Gleichzeitig bekräftigte er aber den Friedenswillen seines Landes. "Israel will Frieden mit einem Palästinenserstaat, aber die Palästinenser wollen einen Staat ohne Frieden", sagte er. Außerdem warnte Netanyahu vor einem militanten Islam - er nannte Hisbollah und Hamas - der mit Hilfe des Iran bereits Libanon und Gaza übernommen habe und nun die Friedensverträge Israels mit Ägypten und Jordanien zerstören wolle. "Er ist nicht gegen die Politik von Israel, sondern gegen die Existenz Israels gerichtet."

Der Premier verwies auf die Ratschläge zahlreicher Seiten an Israel, "großzügige Angebote" an die Palästinenser zu machen, und dann, so werde versprochen, "wird alles gelöst werden". Dies habe sein Land bereits im Jahr 2000 und 2008 gemacht, es habe jedoch "nicht funktioniert", sagte Netanyahu. Dabei habe Israel auch Territorium überlassen, etwa den Gazastreifen. Doch all das habe nicht die Sicherheit Israels herbeigeführt: "Wir bekamen nicht Frieden. Wir bekamen Krieg." Sein Land sei zwar bereit, "einen Palästinenserstaat in der Westbank zu haben - aber nicht ein zweites Gaza". Doch die Palästinenser wollten nicht über die Sicherheitsbedürfnisse Israels verhandeln, beklagte Netanyahu.

Heftige Zusammenstöße im Westjordanland
An mehreren Orten im Westjordanland kam es kurz vor der Übergabe des Antrags in New York zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften. Ein 35-jähriger Palästinenser wurde nach palästinensischen Angaben dabei in Qusra, südöstlich von Nablus, erschossen. Etwa 100 Demonstranten warfen Steine auf israelische Soldaten am Militärkontrollpunkt Kalandia zwischen Ramallah und Jerusalem. Das Militär setzte dort Tränengas ein.

In Jerusalem selbst blieben die befürchteten Ausschreitungen nach dem Freitagsgebet aus. Bei kleineren Zusammenstößen seien insgesamt drei Personen festgenommen worden, sagte der Sprecher der Polizei, Mickey Rosenfeld. Die israelischen Sicherheitskräfte waren schon zuvor in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Etwa 22.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz, um auf mögliche Unruhen reagieren zu können.

USA kündigten umgehend Veto an
Der Antrag auf die UN-Mitgliedschaft kommt dem Höhepunkt im Kampf Palästinas um einen anerkannten eigenen Staat gleich. Die diplomatischen Bemühungen, die Palästinenser von ihrem Vorhaben abzubringen und die Nahost-Gespräche wieder anzuschieben, liefen in den vergangenen Tagen auf Hochtouren.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon müsste jedenfalls den Aufnahmeantrag der Palästinenser an den Sicherheitsrat weiterleiten. Dort müssten mindestens neun der 15 Mitglieder dafür votieren, zudem darf keine der fünf Vetomächte dagegen stimmen. Die USA kündigten ohne vorherige Verhandlungslösung mit Israel allerdings bereits ihr Veto an.

Spindelegger: "Situation womöglich wieder hochgefährlich"
Österreichs Regierungsspitze setzt in der Palästina-Frage auf die Vermittlungstätigkeit des Nahost-Quartetts EU, UNO, USA und Russland. Nach dem Antrag von Abbas werde das Quartett kurz darauf "einen Vorschlag auf den Tisch legen, wie wieder ein Verhandlungsprozess in Gang gesetzt werden könnte", hatte Außenminister Michael Spindelegger am Donnerstag vor Journalisten in New York angekündigt.

"Das könnte zu einem Durchbruch verhelfen, den wir im Nahen Osten dringend brauchen", hoffte der Außenminister, der allerdings auch, wie am Vortag schon Bundespräsident Heinz Fischer, der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass Israels Premier Netanyahu ebenfalls Vorschläge zur Wiederbelebung des Friedensprozesses im Gepäck habe. Sollte sich die Situation dagegen weiter verschärfen, fürchtet Spindelegger, "dass die Lage im Nahen Osten hochgefährlich wird wie lange nicht mehr, auch mit der Möglichkeit neuer kriegerischer Auseinandersetzungen".

Österreichs Parteien großteils für Anerkennung
Bundeskanzler Werner Faymann, der sich mit seinem Vizekanzler zu einem gemeinsamen Pressegespräch zusammengefunden hatte, hofft, dass der von der außenpolitischen Beauftragten der EU, Catherine Ashton, verhandelte gemeinsame EU-Vorschlag die Möglichkeit zu neuen bilateralen Friedensverhandlungen eröffnen wird, "denn nur so ist dieser Konflikt zu lösen".

Die österreichischen Parlamentsparteien hatten sich zuvor überwiegend für die Zustimmung Österreichs zu einem Antrag der Palästinenser auf Aufwertung ihres Status in der UNO-Vollversammlung ausgesprochen. Lediglich die ÖVP hatte sich abwartend gezeigt.

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