Spezialisierte Hand

Ist 2008 entdeckter Frühmensch unser direkter Urahn?

Wissenschaft
08.09.2011 12:57
Geht es nach einem internationalen Forscherteam, dann könnte eine erst 2008 in Südafrika entdeckte Vormenschen-Art namens Australopithecus sediba der Urahn des heutigen modernen Menschen sein. Laut Angaben der Wissenschaftler ist ihr Fund nämlich in vielerlei Hinsicht menschenähnlicher als andere Kandidaten wie etwa der Homo habilis.

Das Team, zu dem der Anthropologe Peter Schmid von der Universität Zürich gehört, hatte die Entdeckung von Australopithecus sediba vor einem Jahr publik gemacht. Nun präsentieren die Forscher die detaillierte Untersuchung von zwei Skeletten, einem etwa zehn bis 13 Jahre alten Buben und einer etwa 30-jährigen Frau.

Direkter Urahn des Homo sapiens?
In nicht weniger als fünf Publikationen im Fachmagazin "Science" beschreiben die Forscher, weshalb der Fund für sie der bisher beste Kandidat ist für die direkte Ahnenschaft der Gattung Homo, zu der auch Homo sapiens, der moderne Mensch, gehört. Sensationell ist vor allem, wie komplett die 1,98 Millionen Jahre alten Skelette erhalten sind.

Bei vielen Funden mit vergleichbarem Alter müssen sich Forscher für ihre Interpretationen auf wenige Knochenfragmente stützen. Anders die nördlich von Johannesburg gefundenen Sediba-Skelette: Schmid und seine Kollegen beschreiben einen bestens erhaltenen Schädel (Bild 1), eine nahezu komplette Hand (im Vergleich zur Hand eines modernen Menschen auf Bild 2), ein Becken sowie einen Fuß mitsamt Gelenk.

Schon sehr spezialisierte Hand
Die Hand zum Beispiel sei beim Australopithecus sediba schon sehr spezialisiert gewesen, sagte Schmid auf Anfrage. Im Vergleich zu früheren, affenartigeren Vormenschen verfügt sie über kürzere Finger und einen sehr langen, kräftigen Daumen. Das könnte bedeuten, dass Sediba bereits Werkzeuge herstellte und benutzte.

Laut den Forschern bewahrte die Sediba-Hand zwar auch Anpassungen an das Leben in den Bäumen, ist aber insgesamt moderner als diejenige des Homo habilis, obwohl dieser in der Erdgeschichte erst etwas später auftrat. Es könne deshalb gut sein, dass von Sediba eine direkte Abstammungslinie zum modernen Menschen führe.

Die fossilen Daten der Gattung Homo seien ein Chaos, sagte Schmid. Unbestritten sei, dass der Homo erectus ein direkter Vorfahre des Homo sapiens ist. Als Vorläufer von Homo erectus gelten häufig Homo habilis oder Homo rudolfensis, doch laut Schmid sind die als Beleg dafür herangezogenen Knochen fragmentarisch und widersprüchlich.

Hirnvolumen aber noch deutlich kleiner
Neben der Hand zeigen auch andere Sediba-Körperteile eine Mischung aus ursprünglichen, australopithecus-ähnlichen und modernen, homo-ähnlichen Merkmalen. Das Hirnvolumen zum Beispiel ist einerseits deutlich kleiner als bei Homo-Arten üblich. Andererseits scheinen bestimmte Hirnregionen bereits sehr menschenähnlich zu sein.

Auch das Becken zeigt einen solchen Mix. Aufgrund des kleinen Gehirns von Sediba sind laut Schmid die modernen Aspekte überraschend. Viele Forscher gingen nämlich bisher davon aus, dass erst die Vergrößerung des Hirns zu einem menschentypischen Umbau des Beckens führte - um die Geburt von Babys mit großem Kopf zu ermöglichen. Das Becken scheint sich also bereits angepasst zu haben, bevor das Hirnvolumen der Ur-Menschen zunahm. Am wahrscheinlichsten ist laut Schmid, dass die Fortbewegung auf zwei Beinen für die Veränderung verantwortlich war. Auf einen aufrechten, zweibeinigen Gang lassen auch einige Merkmale am Fuß von Sediba schließen.

Andere Fußmerkmale dagegen sind noch sehr affenartig, so dass Sediba wohl auch auf Bäumen kletterte. Mit Bestimmtheit sei er aber noch kein tierjagender Dauerläufer der Savanne gewesen, sagte Schmid. Kletternde Fortbewegung sei typisch für Australopitheciden. Deshalb habe das Team auch beschlossen, die neu entdeckte Form nicht "Homo sediba" zu taufen.

220 Knochen von mindestens fünf Individuen
Die ersten Knochen von Australopithecus sediba wurden im August 2008 im südafrikanischen Malapa entdeckt. Seither wurden an der einzigartigen Fundstelle über 220 Knochen gefunden, obwohl die eigentlichen Grabungen noch gar nicht begonnen haben.

Bis heute kamen Knochen von mindestens fünf Individuen zum Vorschein, darunter von einem ein- bis zweijährigen Kind, sagte Schmid. Es gebe ständig neue Funde - und das, obwohl die Forscher bis jetzt quasi nichts anderes machen, als Schutt und frei liegende Überreste zusammenzutragen.

Eigentliche Grabungen beginnen erst
Die Fundstelle war nämlich eine ehemalige Höhle, die im Lauf der Jahrmillionen wieder mit Gestein aufgefüllt worden war. Im 20. Jahrhundert wurden Teile von ihr durch Steinbrucharbeiter wieder freigesprengt. Bis jetzt suchen und untersuchen die Forscher praktisch nur herumliegende Sprengteile. Noch dieses Jahr sollen die eigentlichen Grabungen beginnen.

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