450.000 bei Demos

Israel: Bisher größte Aufmärsche bei Sozialprotesten

Ausland
04.09.2011 09:07
Bei den größten Sozialprotesten in der Geschichte Israels haben am Samstagabend etwa 450.000 Menschen landesweit eine gerechtere Gesellschaftsordnung gefordert. Das waren zwar weniger als die eine Million Teilnehmer, auf die die Organisatoren gehofft hatten. Aber für das kleine Land mit nur 7,7 Millionen Einwohnern war es dennoch ein beispielloser Erfolg.

In Tel Aviv, Jerusalem und zahlreichen anderen Städten des Landes gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, um ihren Forderungen nach niedrigeren Steuern, besseren Bildungschancen und anderen Änderungen Nachdruck zu verleihen. Es war der bisherige Höhepunkt einer Bewegung, die im Juli mit einem Zeltlager von Studenten begonnen hatte und inzwischen auch die Mittelschicht erreicht hat.

"Herr Ministerpräsident, sehen Sie uns gut an: Wir sind die neuen Israelis", sagte der Vorsitzende des nationalen Studentenbundes, Itzik Shmueli, vor den etwa 300.000 Teilnehmern bei der größten Einzelkundgebung in Tel Aviv. "Lassen Sie uns in diesem Land leben", forderte der Studentenführer.

Organisatoren: "Ein Riesenerfolg"
Sprecher der Protestbewegung bezeichneten es als Riesenerfolg, dass so viele Menschen dem siebenten Aufruf in Folge zu den Samstagsprotesten gefolgt seien. "Die genauen Zahlen sind ganz egal, die sind sowieso nur für die Medien", sagte ein Demonstrant in Tel Aviv. Große Demonstrationen wurden auch aus Jerusalem, Haifa und Afula gemeldet.

Die Atmosphäre bei den Kundgebungen war wie schon an den früheren Wochenenden äußerst friedlich und hatte Volksfestcharakter. In Tel Aviv mischten sich Musikgruppen, Pantomimen und Schauspielergruppen unter die Demonstranten, die mit Tröten, Kochtopfschlagen und Gesängen ihren Forderungen Nachdruck verliehen.

Bewegung breitet sich rasend schnell aus
Die Protestbewegung hatte Mitte Juli spontan mit einem Zeltlager aus Ärger über hohe Mieten in Tel Aviv begonnen. Die Bewegung schwoll jedoch von Wochenende zu Wochenende an und breitete sich auch im ganzen Land aus. Inzwischen sind die Forderungen viel umfassender und zum Teil auch unübersichtlicher geworden.

Es geht nicht mehr nur um das Wohnungsproblem, sondern auch um die Lebensmittelpreise, die Gesundheitsversorgung, das Bildungssystem und vor allem auch die Steuerlast. Generell wird eine stärker lenkende Rolle des Staates verlangt.

Druck auf Premier Netanyahu erhöht sich
Der Druck auf Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der eine liberale Wirtschaftspolitik betreibt, erhöht sich angesichts der Massenproteste immer weiter. Netanyahu hatte Anfang August unter dem Eindruck der Massenproteste ein Expertenteam unter Leitung des ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrats, Professor Manuel Trajtenberg, eingesetzt. Er kündigte Vorschläge zur Lösung der Krise für Ende September an. Bis dahin werden vorerst keine weiteren Großdemonstrationen mehr erwartet, doch die Demonstranten kündigten an, weiterhin auf die Straße zu gehen, sollten ihre Forderungen nicht bald umgesetzt werden.

Die israelische Regierung versucht unterdessen, Zeit zu gewinnen. Ein Sprecher betonte, dass nicht alle Forderungen der Demonstranten erfüllt werden könnten: "Es müssen Prioritäten gesetzt werden." Die Regierung werde den Rahmen des Haushalts nicht sprengen. Ob sich die Demonstranten, die sich wie auch die Demokratie-Bewegungen in arabischen Ländern über soziale Internet-Netzwerke wie Facebook organisieren, damit zufrieden geben, bleibt allerdings abzuwarten.

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