krone.at-Interview

Beatsteaks: “Wir müssen uns immer selbst neu erfinden”

Musik
05.09.2011 10:04
"Seid ihr bereit für die Beatsteaks aus Berlin?", rotzte Frontman Arnim am Freitag beim "Two Days A Week" in die Wiesener Fan-Meute. Und ja, Wiesen war bereit. Selten bebte das Festival-Gelände derart wie beim fesselnden Gig des Berliner Quintetts. Zuvor nahmen sich Gitarrist Bernd (links) und Drummer Thomas Zeit, um mit krone.at über wertlose CD-Verkaufszahlen, Selbst(er)findungsprozesse und die Vorzüge des Supportens zu plaudern. Plus: die besten Bilder vom Konzert.
(Bild: kmm)

krone.at: Während wir hier im Backstage-Bereich sitzen, spielen in Gelsenkirchen die Fußballer Deutschlands gegen jene aus Österreich. Euer Tipp?
Bernd: Leider wird Deutschland wieder gewinnen (womit Bernd übrigens absolut recht hatte - Deutschland gewann mit 6:2, Anm.). Für uns wär's schöner, wenn sie mal 'ne Packung kriegen würden.

krone.at: Wieso das?
Thomas: Weil das Publikum danach besser drauf wäre (lacht). Aber ich glaube, wenn Krankl nicht eingewechselt wird, dann gewinnen die Österreicher nicht. Im Ernst: Die sollen Fußball spielen und wir spielen unser Ding.

krone.at: Gute Idee. Die Beatsteaks und Österreich – das scheint jedenfalls ganz gut zu passen. Als ihr im März im Wiener Gasometer zum genau 15. Mal in Österreich gespielt habt, hat Frontman Arnim gemeint, das sei das beste Konzert seit Langem gewesen und es hätte sich angefühlt "wie zu Hause". War das eine Plattitüde von ihm oder haben Österreich-Auftritte tatsächlich einen speziellen Reiz für euch?
Bernd: Beides.
Thomas: Sowohl Plattitüde als auch bittere Wahrheit. In Wien haben wir uns immer wohl gefühlt. Wir haben ganz oft in der Arena gespielt – hat immer Spaß gemacht; im Gasometer war's auch geil und auch hier in Wiesen sind wir nicht zum ersten Mal. Es ist ja ein sehr schönes Festival, daher können wir uns nicht beklagen.

krone.at: Ihr geltet als ausgesprochene Live-Band. Peter hat einmal gesagt, er hätte bei jedem Konzert das Ziel, dass die Fans danach sagen: "Die haben mich weggeknallt." Da legt ihr euch die Latte selbst ganz schön hoch, oder?
Bernd: Sicher, aber wenn man nach dem Konzert in lauter lachende Gesichter guckt inklusive der vier anderen auf der Bühne, dann ist, glaub ich, alles gut. Dann hat man nicht viel verkehrt gemacht.

krone.at: Wie selbstkritisch seid ihr?
Bernd: Ziemlich. Ziemlich doll sogar.
Thomas: Manchmal ist das schon nervig.

krone.at: Wie sieht typischerweise eure Vorbereitung auf ein Konzert aus?
Thomas: Alles beginnt damit, die Setlist zu schreiben. Wenn wir die Setlist haben, dann gehen wir Übergänge durch, die wir machen könnten oder auch nicht, und stimmen uns auf den Ort ein. Und dann bereitet sich jeder noch individuell auf das Konzert vor.

krone.at: Wann ist ein Konzert für euch gelungen?
Thomas: Das ist wie beim Surfen, wenn man eine Welle trifft und die solange wie möglich reitet. So ähnlich ist es auch bei Konzerten: Die Dramaturgie muss stimmen, ein Wort muss das andere ergeben, ein Lied das andere und so weiter. Es gibt also ganz viele Sachen, die zusammenpassen müssen. Und wenn die alle passen, dann lachen wir fünf auf der Bühne und dann lachen auch die Gesichter im Publikum.

krone.at: Bernd, du hast in einem Interview einmal von eurer Angst, ewig eine Support-Band zu bleiben, erzählt. Deswegen hättet ihr euch dann auch entschieden, gewissermaßen alleine loszulegen. War das ein großer Schritt für euch?
Bernd: Das war ein langsamer Prozess. Mittlerweile hat sich das aber bei uns teilweise auch schon wieder umgekehrt. Wir sind heute auch schon mal wieder dankbar, als Vorband spielen zu können. Denn das bedeutet, dass man nur eine halbe Stunde zu spielen hat…

krone.at: …und danach länger Zeit zum Biertrinken?
Bernd: Ne, aber man hat nicht die volle Verantwortung für das ganze Konzert, sondern eben eine halbe Stunde, in der man zeigen muss, was man kann, und danach wieder verschwindet. Und das ist manchmal auch reizvoll.

krone.at: Supportet habt ihr im Lauf der Bandgeschichte schon praktisch alle großen Bands. Die Ärzte erwähnen euch sogar in einem Song, die Toten Hosen covern immer wieder "Hand in Hand". Welche Band hat euch denn am meisten geprägt?
Thomas: Von den Ärzten und den Hosen haben uns eigentlich am meisten die Sex Pistols geprägt (lacht). Mit den anderen sind wir freundschaftlich hochachtungsvoll verbunden.
Bernd: Wobei: Wirklich prägend waren die Bands für mich ja nicht. Peter hat in seiner Jugend zwar viel Ärzte gehört, aber prägend war das für uns nicht. Scheiße hab' ich die Bands aber auch nie gefunden.
Thomas: Ich finde, wir haben uns von den Bands eine Menge abkucken können, als wir mit denen auf Tour waren.

krone.at: Was konkret?
Thomas: Zum Beispiel, dass man Vorbands, die vor einem selbst spielen, nicht scheiße behandelt, sondern gut. Immerhin geben ja nur glückliche Kühe Milch. So kann man sich sowohl von den Ärzten als auch von den Hosen extrem viele positive Sachen abkucken, was die Belange von Bands betrifft und wie man sich so verhält.

krone.at: Euer aktuelles Album "Boombox" habt ihr zum Großteil im Proberaum aufgenommen. Stand dahinter die Idee, sich selbst gewissermaßen neu zu erfinden, um neue Reize zu setzen?
Bernd: Das war vielleicht das Resultat. Aber der eigentliche Grund, warum wir in den Proberaum gegangen sind, war, dass wir im Studio nicht mehr wirklich das machen konnten, was wir machen wollten. Wir haben uns dort nicht mehr richtig wohl gefühlt. Und dann haben wir festgestellt, dass es im Proberaum mehr Sinn macht, weil dort keine Aufregung herrscht. Das ganze Brimborium, das du im Studio hast, fällt da flach. Und neu erfinden musst du dich ja bei jeder Platte irgendwo.

krone.at: Das habt ihr ja zum Beispiel auch bei der aktuellen Single "Automatic" getan. Die klingt erstaunlich chillig und ruhig. Besteht ihr eigentlich noch darauf, dass das, was ihr macht, als Punk oder Rock im weitesten Sinne subsumiert wird?
Bernd: Gar nicht. Ich hoffe, ich spreche im Namen aller, wenn ich sage, dass wir uns auf gar kein Genre festlegen sollten. Das ist doch völliger Quatsch. Es gibt nur gute und schlechte Musik. Letztendlich soll jeder für sich selbst entscheiden, was das ist, was wir machen.
Thomas: Und selbst das ist Geschmackssache.

krone.at: Aber was, würdet ihr sagen, ist typisch Beatsteaks?
Thomas: Arnims Stimme, Bernds Gitarre, Peters Gitarre, Thorstens Bass und mein Schlagzeug – einfach die Summe der fünf Leute. Wir sind nicht die waghalsigste Band des Universums. Wir sind aber auch nicht die Konservativsten. Unsere Musik wird geprägt von den fünf Leuten, die sie machen. Es ist einfach der Konsens von fünf Leuten…
Bernd: … deren musikalische Meinungen unterschiedlicher nicht sein könnten.

krone.at: Demzufolge muss es doch bei Proben oder Vorbereitungen auf Aufnahmen ja ziemlich oft krachen.
Bernd: Krachen tut's in dem Sinne gar nicht mehr. Dafür sind wir zu alt. Sicher geigt man sich hie und da die Meinung. Aber das ist ein normaler Prozess. Wir reden halt oft über uns selbst und sezieren jedes Konzert. Da sagt man Arnim halt schon einmal: "Ich hab' jetzt keine Lust mehr, dieselbe Ansage noch zwanzigmal zu machen." Das ist sehr wichtig.

krone.at: Wie oft geht ihr einander auf die Nerven?
Thomas: Ich glaube, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt wie wir, dann geht man sich schon oft auf die Nerven. Aber ohne einander können wir halt auch nicht.

krone.at: Dann wäre doch möglicherweise die Idee der Toten Hosen, die sich sogar ein gemeinsames Grab reserviert haben, auch für euch etwas.
Bernd: So weit würde ich jetzt nicht gehen. Es gibt für uns immer noch ein Leben vor dem Tod.
Thomas: Und es gibt auch Menschen außerhalb der Band.
Bernd: Genau. Das ist auch ganz wichtig.

krone.at: "Boombox" hat es an die SpHintergrund, dass ihr, wie ihr selbst sagt, vom Verkauf der Platten kein Geld seht?
Bernd: Das ist eine Zahl, die man an den Kopf geschmissen bekommt von der Plattenfirma. Das ist zwar nett zu hören, hat aber keinen Einfluss auf das, was wir machen. Das ist keine Zahl, nach der man kalkuliert.
Thomas: Das ist vielleicht 'ne Zahl, die der Plattenfirma das Ticket zu einem bestimmten Radiosender verschafft. Das ist so ein Business-Ding. Es sagt ja nur aus, dass in einer Woche so und so viele Platten verkauft worden sind. Mehr heißt es ja nicht.

krone.at: Wie wichtig ist für euch Geld?
Thomas: Es schafft das Essen im Kühlschrank. Dazu ist es da.

Fotos: Andreas Graf

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