Zu wenig Metalle

Neuer Stern dürfte eigentlich gar nicht existieren

Wissenschaft
01.09.2011 13:09
Ein Team europäischer Astronomen hat mithilfe des Very Large Telescope (VLT) der ESO einen Stern entdeckt, der nach herkömmlichem astronomischem Verständnis gar nicht existieren dürfte. Der Stern besteht nahezu ausschließlich aus Wasserstoff und Helium und enthält nur winzige Spuren anderer Elemente. Mit dieser ungewöhnlichen chemischen Zusammensetzung hätte er gar nicht erst entstehen dürfen.

Die von den Astronomen vorgenommenen Beobachtungen zeigten, dass der lichtschwache Stern mit der kryptischen Bezeichnung "SDSS J102915+172927" im Sternbild des Löwen im Vergleich mit allen bislang untersuchten Sternen den geringsten Anteil an chemischen Elementen schwerer als Helium beinhaltet.

Astronomen bezeichnen solche Elemente in Abweichung vom allgemeinen Sprachgebrauch als "Metalle", obwohl damit auch andere Elemente umfasst werden. Der Stern hat eine geringere Masse als die Sonne und ist vermutlich mehr als 13 Milliarden Jahre alt.

Stern dürfte gar nicht existieren
"Die allgemein akzeptierte Theorie besagt, dass Sterne wie dieser aufgrund ihrer geringen Masse und des extrem geringen Anteils an schweren Elementen gar nicht existieren sollten. Schon die Gas- und Staubwolken, aus denen ein solcher Stern entsteht, hätten sich gar nicht ausreichend verdichten können sollen", erklärt Elisabetta Caffau die am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und am Observatoire de Paris in Frankreich forscht.

Die Erstautorin der Studie fügt hinzu: "Zum ersten Mal wurde jetzt ein Stern in einer 'verbotenen Zone' der Sternentstehung entdeckt. Das war für uns eine große Überraschung. Nun werden die Astrophysiker einige ihrer Modelle für die Entstehung von Sternen überdenken müssen."

Das Wissenschaftlerteam untersuchte die Eigenschaften des Sterns mit den beiden Spektrografen X-Shooter und UVES am Very Large Telescope. Die Spektralanalyse ermöglicht es, den Anteil einer Vielzahl von chemischen Elementen in der Sternatmosphäre zu bestimmen. Auf diese Weise fanden die Astronomen heraus, dass der Gehalt von schweren Elementen in SDSS J102915+172927 um einen Faktor 20.000 geringer ist als in der Sonne.

Sehr lichtschwach und metallarm
"Der Stern ist so lichtschwach und metallarm, dass wir bei unserer ersten Messung nur ein einziges chemisches Element schwerer als Helium nachweisen konnten, nämlich Kalzium", ergänzt Piercarlo Bonifacio vom Observatoire de Paris, der das Projekt geleitet hat. "Wir mussten zusätzliche Beobachtungszeit beim ESO-Generaldirektor beantragen, um den Stern noch genauer unter die Lupe nehmen zu können. Nur mit mehr Belichtungszeit hatten wir Chancen, überhaupt noch weitere Metalle nachweisen zu können."

Kosmologen glauben, dass die beiden leichtesten chemischen Elemente, Wasserstoff und Helium, zusammen mit Spuren von Lithium kurz nach dem Urknall entstanden sind. Nahezu alle anderen schwereren Elemente sind erst viel später gebildet worden – entweder durch Fusionsprozesse im Inneren von Sternen oder bei Supernova-Explosionen am Ende eines Sternlebens. Dabei wird das metallreiche Material außerdem mit der Materie im Raum zwischen den Sternen vermischt, dem sogenannten interstellaren Medium.

Aus diesem mit Metallen angereicherten Material entsteht dann die nächste Sterngeneration, und die neu entstandenen Sterne haben einen höheren Metallgehalt als die Generation zuvor. Der Anteil an Metallen verrät daher auch, wie alt ein Stern ist, oder besser gesagt, wie viele Sterngenerationen das Material, aus dem er besteht, bereits durchlaufen hat.

"Stammt aus der Frühzeit des Universums"
"Dass der Stern, den wir untersucht haben, so extrem metallarm ist, bedeutet, dass er aus der Frühzeit des Universums stammen muss. Er könnte einer der ältesten Sterne sein, die man jemals finden wird", ergänzt Lorenzo Monaco von der ESO in Chile, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Besonders überraschend für die Wissenschaftler ist der Mangel an Lithium in SDSS J102915+172927. Ein so alter Stern sollte in etwa dieselbe Elementzusammensetzung haben wie das Universum kurz nach dem Urknall und daher einige wenige Metalle enthalten. Der Lithiumanteil des Sterns ist allerdings 50-mal geringer, als man aus den Berechnungen zur Elementenstehung kurz nach dem Urknall erwarten würde."Es ist uns ein Rätsel, wie das Lithium, das sich zu Beginn des Universums gebildet haben muss, in diesem Stern zerstört wurde", sagt Bonifacio.

Seltsamer Stern wohl kein Einzelfall
Die Wissenschaftler sind dennoch überzeugt davon, dass der seltsame Stern nicht alleine ist. "Wir haben noch eine ganze Reihe von Kandidaten, die einen ähnlich geringen Metallgehalt haben könnten wie SDSS J102915+172927, vielleicht sogar einen noch geringeren. Deshalb wollen wir diese Sterne ebenfalls mit dem VLT überprüfen", erklärt Elisabetta Caffau.

Die neuen Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht.

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