Die Plattform-Betreiber unterstellen dem "Guardian"-Reporter David Leigh, dass er in seinem im Februar publizierten Buch "Inside Julian Assange's War on Secrecy" das Passwort zur Entschlüsselung der Dateien enthüllt habe. Er habe über die Organisation "rücksichtslos und ohne Erlaubnis und im vollen Wissen das Entschlüsselungspasswort enthüllt".
Zu Stellungnahme "gezwungen"
Leigh habe mit der Veröffentlichung des Passworts ein "Vertraulichkeitsabkommen" zwischen WikiLeaks und dem "Guardian" gebrochen. Man habe die US-Botschaft in London und das US-Außenministerium schon am 25. August über die mögliche komplette Veröffentlichung informiert, um auf die Notwendigkeit zu verweisen, die Informanten vorzuwarnen.
Das Wissen um das durchgesickerte Passwort habe sich über Monate verbreitet und die Organisation sei am Donnerstag gezwungen gewesen, eine Stellungnahme abzugeben, nachdem die Nachricht von der Sicherheitsverletzung in der Presse aufgetaucht sei, kritisieren die WikiLeaks-Betreiber.
Auch WikiLeaks-Aussteiger im Visier
Man prüfe nun juristische Schritte "gegen den 'Guardian' und eine Person in Deutschland, die das Passwort zum persönlichen Nutzen weiterverteilt hat". Dabei handelt es sich um eine Anspielung auf den WikiLeaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg, der inzwischen eine alternative Enthüllungsplattform namens OpenLeaks gegründet hat.
Zu den Medienpartnern von OpenLeaks gehört die Wochenzeitung "Freitag", der in der vergangenen Woche über die freie Verfügbarkeit der Botschaftsdepeschen in ihren Originaltexten berichtet hatte. WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat Domscheit-Berg über einen Anwalt den Bruch von Absprachen und Selbstverpflichtungen sowie "ein gesteigertes Maß an Niedertracht" vorgeworfen. Er habe Journalisten Hinweise zur Öffnung der verschlüsselten Dateien gegeben.
"Guardian" weist Anschuldigungen zurück
Der "Guardian" wies die Vorwürfe umgehend zurück. Man habe die Information erhalten, dass das Passwort temporär sei und nach Stunden seine Gültigkeit verlieren werde. "Als das Buch erschien, wurden keine Bedenken formuliert, und wenn irgendjemand bei WikiLeaks davon ausging, dass es ein Sicherheitsproblem gab, hatte man dort sieben Monate Zeit, die Dateien zu entfernen." Dass das nicht geschah, zeige deutlich, dass das Problem nicht auf das Buch zurückzuführen sei. Es sei auch "Unsinn zu behaupten, dass das Wikileaks-Buch des 'Guardian' in irgendeiner Weise die Sicherheit gefährdet hat", erklärte die Zeitung.
US-Behörden warnen seit Monaten
Bereits in der Vergangenheit haben US-Behörden gemahnt, dass die Enthüllung des gesamten unredigierten Archivs möglicherweise ernsthafte Konsequenzen für Informanten, Aktivisten und andere in den Depeschen erwähnte Personen haben könnte.
Gut möglich, dass die Geheimdienste diverser Staaten sich längst Zugriff auf den gesamten Datensatz verschafft haben. "Jedes autokratische Regime, das sein Geld wert ist, hat vermutlich schon eine unredigierte Version des gesamten Datenschatzes", sagte der frühere Pressesprecher des US-Außenministeriums USA, Philip J. Crowley, am Mittwoch. Es sei zu erwarten, dass auch alle Geheimdienste, bei denen das bis jetzt nicht der Fall sei, "sehr bald" Zugriff darauf haben würden.
Mit Veröffentlichung vor neun Monaten begonnen
WikiLeaks hatte vor neun Monaten damit begonnen, die Depeschen in redigierter Form zu veröffentlichen. Die Enthüllungsplattform hatte bei der Veröffentlichung der Botschaftsdokumente mit dem "Guardian" sowie anderen internationalen Medien zusammengearbeitet.
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