Grandiose Freiheit

Düster, spannend, gelungen: “Deus Ex: Human Revolution”

Spiele
31.08.2011 22:35
2027, die Menschheit steht am Scheideweg. Über sogenannte Augmentierungen lassen immer mehr ihren Körper durch mechanische Teile verbessern - doch das hat seinen Preis: Wer sich die sündteuren Operationen leisten kann, wird abhängig von Medikamenten. Gleichzeitig demonstrieren die Ärmeren erbittert gegen die Entwicklung, auch Terroristen wollen sie aufhalten. Mitten in dieses Chaos gerät Adam Jensen, der nach einem blutigen Angriff unfreiwillig Augmente erhält und eine riesige Verschwörung aufdecken muss.

Der Ex-Polizist Adam Jensen arbeitet als Sicherheitschef der Firma Sarif Industries in Detroit. Das Unternehmen steht kurz davor, einen Durchbruch in der Augmentierungstechnologie auf einem Kongress anzukündigen, wesentlichen Anteil daran hat seine Ex-Freundin Megan Reed. Doch so weit kommt es nicht – Sarif Industries wird von Terroristen überfallen, Adam kommt dabei fast zu Tode. Sein Leben rettet das Unternehmen durch modernste Augmentierungen, die er sechs Monate später bereits einsetzen muss: Sein Chef bittet ihn, die Vorkommnisse zu untersuchen.

„Deus Ex: Human Revolution“ ist zwar der dritte Teil der Kultserie, aber ohne Vorkenntnisse spielbar, da es sich um ein Prequel zum ersten Spiel handelt. Daran orientiert sich das neue Game auch stark, im Gegensatz zum bei Fans unbeliebten zweiten Ableger haben sich die neuen Entwickler des Studios Eidos Montreal auf die Stärken von „Deus Ex“ konzentriert: Ein düsteres, realistisches Science-Fiction-Szenario rund um Verschwörung, Terrorismus und Industriespionage bietet den Hintergrund für spannende Missionen mit großer Handlungsfreiheit. Denn wie der Spieler die Aufgaben löst, bleibt zu einem großen Teil ihm überlassen.

Rollenspiel mit immenser Handlungsfreiheit
Schließlich handelt es sich bei „Deus Ex: Human Revolution“ um ein Rollenspiel, das dem Gamer die Wahl lässt, zu schleichen oder zu ballern. Dazu kommt, dass Adam durch Hacking zusätzliche Informationen und technische Hilfe erlangt – etwa um einen Alarm zu deaktivieren, E-Mails zu lesen oder Sicherheitsroboter auf Gegner zu hetzen – sowie die Möglichkeit, Personen durch Dialoge zu beeinflussen. Alle Spielelemente lassen sich nach Lust und Laune frei kombinieren.

Eine Mission - zahlreiche Wege
So muss Adam zum Beispiel in ein Polizeigebäude eindringen, um im Keller einen Chip aus einer Leiche zu extrahieren. Er kann nun den Pförtner überreden, ihn einzulassen, doch der Mann ist nicht gut auf den Ex-Polizisten zu sprechen. Nur durch geschickte Gesprächsführung oder – wenn das Upgrade freigeschaltet wurde – Hilfe durch Pheromone lässt der Mann Adam ins Haus. Ein anderer Weg führt durch die Kanalisation zum Hintereingang, wo Adam eine Laserschranke hacken muss. Das Hacking-Minispiel ist kurz, simpel und dennoch fordernd, es kommt allerdings zu oft vor: Türen, Safes, Computer, Konsolen und mehr können oder müssen gehackt werden, ein paar Minispiele mehr hätten es hier durchaus sein dürfen.

Eine andere Möglichkeit ist, vom Dach aus einzudringen, indem Adam durch den Lüftungsschacht schleicht. Solche Wege sind aber meist erst erreichbar, wenn Adam spezielle Augmentierungen aktiviert hat: So kann er höher springen oder schwere Kisten hochheben, um sich eine Treppe zu bauen. Letzter Ausweg ist in vielen Situationen, sich den Weg freizuballern – bei einer Polizeistation ist das natürlich nicht zu empfehlen, aber möglich. Adam hält jedoch nur wenige Treffer aus, seine Stärke liegt in der lautlosen Bewegung. Zudem erhält der Spieler hohe Boni, wenn er nicht tötet – Betäuben ist aber erlaubt – und unbemerkt, ohne Alarm auszulösen, eine Mission beendet. Theoretisch ist es möglich, „Deus Ex: Human Revolution“ durchzuspielen, ohne einen einzigen Gegner zu töten. Ausnahmen sind die Bossgegner, die allesamt in anspruchslosen Feuergefechten eliminiert werden müssen - hier wären Alternativen erfreulich gewesen.

Augmentierungen ganz nach Geschmack
Im Mittelpunkt der verschiedenen Möglichkeiten, im Spiel voranzukommen, stehen Adams Augmentierungen. Sie werden als simples Upgrade-System für Adams Körper angezeigt. Viele Verbesserungen helfen beim Schleichen, etwa um durch Wände zu sehen oder für kurze Zeit unsichtbar zu werden, andere beim Hacken, im Kampf – stärkere Rüstung, weniger Waffenrückstoß uvm. – und bei der Fortbewegung, so kann Adam höher springen, Wände durchschlagen oder schwere Objekte bewegen. Wofür sich der Spieler entscheidet, bleibt auch hier ihm überlassen - jeder kann die Fähigkeiten wählen, die seinem Spielstil entsprechen. Verbessert werden die Augmentierungen durch Praxis-Kits, die der Spieler durch Level-ups verdient, bei Händlern erwirbt, als Questbelohnung erhält oder gut versteckt aufspürt. Waffen lassen sich mit Modifikationen upgraden, außerdem findet Adam Heiltabletten, Granaten und mehr. Etwa Energieriegel, da der Einsatz der Augmentierungen Energie verbraucht, die sich nur zum Teil automatisch regeneriert. So können die Fähigkeiten nicht ständig eingesetzt werden, was mehr taktische Tiefe bringt.

Freiheit auch in Haupt- und Nebenquests
Genauso offen wie das Vorgehen des Spielers und das Upgradesystem präsentieren sich die Quests. Adam reist in bestimmte Einsatzgebiete oder ist in Städten wie Detroit, Schanghai oder Montreal unterwegs. Diese sogenannten Hubs sind zwar nicht wie etwa in „Assassin’s Creed“ frei erkundbar, doch es gibt viel zu entdecken, vor allem Nebenquests. So ermittelt Adam in Mordfällen, haut Gauner übers Ohr, stiehlt empfindliche Daten, spürt vermisste Personen auf oder geht auf die Suche nach der Wahrheit hinter seinen Augmentierungen. Zwar gibt es nicht viele Nebenquests, diese sind dafür aber spannend, gut in die Hauptgeschichte eingebunden und enthalten keine Rollenspiel-typischen „Sammle 20 Gold“-Aufgaben zur Zeitstreckung. Bei der Wegfindung helfen das aufgeräumte Questlog und die übersichtliche Karte, aber natürlich lädt das Spiel dazu ein, möglichst oft vom Weg abzukommen und Geheimgänge zu entdecken.

Lebendige Welt, spannende Hintergrundgeschichte
Welche Entscheidungen der Spieler in den Quests trifft, wirkt sich auf den Fortgang des Spiels aus, allerdings nicht so stark wie etwa in „Mass Effect“ – schließlich ist durch die Vorgängerspiele bereits klar, wohin der Weg geht. Bei seinen Erkundungen erfährt Adam über TV-Berichte, E-Mails und Gespräche mit und von NPCs mehr über den Streit um Augmentierungen, die Welt wird so lebendig. Lediglich dass manche Nebencharaktere ihre Dialoge schnell wiederholen und sich kaum vom Fleck bewegen, stört das Bild.

Schwachpunkt Grafik trotz gelungenen Designs
Größter Minuspunkt von „Deus Ex: Human Revolution“ ist zweifelsohne die schwache, absolut unzeitgemäße Grafik. Das Design überzeugt, die Spielwelt ist glaubhaft und liebevoll, detailliert gestaltet, das dystopische Setting gut eingefangen. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Texturen matschig, die Charaktere klobig und die Gesichtsanimationen bis auf Spezialdialoge mit wichtigen Personen steif und unnatürlich sind. Auch sonst zickt die Technik: Es kommt zu Clippingfehlern und auf Konsolen nerven etwas zu lange Ladezeiten - vor allem, da es beim Schleichen des Öfteren nötig ist, einen alten Spielstand zu laden. Auf dem PC hat ein Releasepatch Abhilfe geschaffen, doch hier klagen einige Gamer über Performance-Einbrüche und Nachladeruckler. Zudem kommt es hin und wieder zu Abstürzen, Publisher Eidos sollte hier noch nachbessern.

Großartiger Soundtrack und gute Sprecher
Abgesehen davon kann die PC-Umsetzung erfreulicherweise überzeugen: Die Steuerung mit Maus und Tastatur überzeugt ebenso wie freie Tastenbelegung, Quicksave- und Quickload-Funktion. Zudem wird auf dem PC DirectX 11 unterstützt, was die altbackene Grafik des Spiels allerdings nicht merklich verbessert. Neben dem gelungenen Design lenken davon aber zum Glück der großartige Soundtrack und die guten Sprecher ab, sowohl in der deutsch- als auch der englischsprachigen Version.

Fazit: „Deus Ex: Human Revolution“ ist kein perfektes, aber ein sehr gutes Rollenspiel mit viel Handlungsfreiheit – schießen oder schleichen, hacken oder überreden, der Spieler entscheidet. Motivierend ist nicht nur die spannende Verschwörungsgeschichte in der düsteren, glaubwürdigen Welt, sondern vor allem auch das Belohnungssystem: Wer vom Weg abkommt, erkundet, hackt, vorsichtig und geduldig vorgeht, erhält stetig Erfahrungspunkte, um Adam neue Augmentierungen zu verschaffen. So verwandelt sich der anfanenschheit. Welche Fähigkeiten er dabei einsetzt und wie er vorgeht, bleibt dem Spieler überlassen, so erlebt jeder seine eigene Revolution.

Plattform: PC (getestet), PlayStation 3, Xbox 360
Publisher: Square Enix
krone.at- Wertung: 9/10

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