Nach Krawallen

GB: Schwelgen Richter im Rausch der Verurteilungen?

Ausland
29.08.2011 15:49
Großbritanniens Gefängnissen droht nach den schweren Krawallen von Mitte August der Kollaps. Schuld daran seien die Richter, die in einer Art Verurteilungs-Rausch zu viele der Beteiligten ins Gefängnis schicken würden. Das behauptet zumindest der Präsident der britischen Gefängnisdirektoren-Gesellschaft. Er fürchtet, dass es spätestens Mitte September keine freien Zellen mehr gibt. Unterdessen kommt es in den Anstalten immer öfter zu Unruhen.

"Es ist wie mit Haien. Es gibt Blut im Wasser und du hast einen Blutrausch. Wir haben es mit einem Verurteilungs-Rausch zu tun und wir scheinen jegliches Maß von Verhältnismäßigkeit verloren zu haben", kritisierte Eoin McLennan-Murray die britische Gerichtsbarkeit gegenüber der Tageszeitung "Independent on Sunday". Die Normen der Urteilssprechung würden ignoriert, so der Beamte. Er stellt sich damit nicht nur gegen die Richter, sondern auch gegen Premierminister David Cameron, der die harte Linie vorgegeben hatte: "Jeder, der gewalttätig geworden ist, soll ins Gefängnis geschickt werden", hatte der Premier getönt.

Regierung macht Druck auf die Justiz
Für McLennan-Murray sei eben diese harte Rhetorik der Regierung in Bezug auf die Sommerkrawalle für die immer strengere Haltung in den Gerichtssälen verantwortlich. "Auch ohne Änderungen in der Gesetzgebung kann die Regierung auf die Gerichte einwirken. Sie müssen die Justiz nicht einmal unter Druck setzen, weil die Medien die Arbeit für sie tun", so der Beamte. "Es geht um die Verhältnismäßigkeit. Wir dürfen nicht die Phase erreichen, in der der Staat beginnt, auf extreme Weise zu handeln", warnte er.

Manche Beobachter sind der Ansicht, der Staat habe dieses Stadium längst erreicht. So kam die Tageszeitung "Guardian" bei einer Analyse von 1.000 Fällen zu dem Ergebnis, dass an den Unruhen Beteiligte, die bereits verurteilt wurden, um 25 Prozent höhere Haftstrafen als in normalen Zeiten erhielten. Die Gesamtquote an Freiheitsstrafen liegt mittlerweile bei 70 Prozent, verglichen mit einer "normalen" Quote von nur zwei Prozent bei sonstigen Verfahren. Der rasante Anstieg an Insassen belastet die Gefängnisse des Landes.

Unruhen jetzt in den Gefängnissen
Auch zu Unruhen samt Angriffen auf Mitarbeiter ist es schon gekommen. So drangen kürzlich Insassen in einem Institut für junge Straftäter auf das Dach des Gebäudes vor und zogen eine Spur der Verwüstung durch den Turnsaal. Bei Zusammenstößen in einem Frauengefängnis waren "traumatisierte und psychologisch anfällige" Frauen im Alter ab 17 Jahren an Auseinandersetzungen mit anderen Gefangenen beteiligt.

Verschärft wird das Problem noch durch die hohe Quote bei den Untersuchungshäftlingen: Sieben von zehn, denen Aufruhr-Delikte zur Last gelegt werden, bleiben bis zu ihrem Hauptverfahren in Polizeihaft, während es im vergangenen Jahr bei schweren Vergehen lediglich einer von zehn war, so McLennan-Murray. Der Vorsitzende der Amtsrichter, John Thornhill, wies die Vorwürfe, die Richter hätten das richtige Maß verloren, indessen zurück. Immerhin sei innerhalb kürzester Zeit die siebenfache Anzahl an Personen für die siebenfache Zahl an Delikten festgenommen worden. Somit sei laut Thornhill auch eine siebenfache Zahl an Verurteilungen zu erwarten gewesen.

Bald keine freien Zellen mehr
Gerechtfertigt oder nicht, den Gefängnissen drohen jedenfalls die freien Zellen auszugehen. Die Gefangenenpopulation in England und Wales erreichte am vergangenen Freitag die dritte Woche in Folge Rekordniveau, weil die Gerichte weiterhin Hunderte von Personen, die an den Unruhen beteiligt waren, ins Gefängnis steckten. Die Gesamtzahl an Inhaftierten liegt mit 86.821 nur noch 1.500 unter der maximalen Kapazität. Zudem gab Scotland Yard zu bedenken, dass man bei den Untersuchungen "weit von einem Abschluss entfernt sei" - obwohl bereits mehr als 2.800 Festnahmen getätigt wurden. Es könnten also noch neue "Kandidaten" hinzukommen...

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