Polizei dominiert

Evaluierungsbericht legt Mängel bei StPO-Reform offen

Österreich
28.08.2011 12:31
Seit dem Jahr 2008 ist die Reform des Strafprozessordnung in Kraft, die Staatsanwälte sollten seitdem im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens stehen. Der nun vorliegende Evaluierungsbericht offenbart aber einige Mängel in der Umsetzung: Die faktische Ermittlungsmacht liegt weiter bei der Polizei, Verteidiger werden selten beigezogen, Rechtsschutzinstrumente kaum genutzt. Auch von den neuen Opferrechten wird nur selten Gebrauch gemacht. Im Herbst wird im Parlament über Nachbesserungen beraten.

Mit der - 2004 beschlossenen und 2008 in Kraft getretenen - Reform der StPO wurde der Untersuchungsrichter abgeschafft, die Staatsanwälte wurden zum Leiter des Ermittlungsverfahrens gemacht. Tatsächlich hat aber weiter die Polizei das Heft in der Hand, geht aus dem mehr als 500 Seiten starken Evaluierungsbericht hervor. Der Anteil von staatsanwaltlichen Vernehmungen ist mit 0,6 Prozent verschwindend gering, auch konkrete Aufträge gibt es kaum.

Einspruch und Beschwerde kaum genutzt
Überwiegend sei die Staatsanwaltschaft eine "Einstellungsbehörde", so das von Juristen der Unis in Wien, Linz und Graz verfasste Papier über die Rollenverteilung im Ermittlungsverfahren. In der Staatsanwaltschaft werde dies akzeptiert, von Anwälten und Haftrichtern gebe es auch Kritik an diesem behördlichen Arrangement. Das Ziel, wonach das Gericht so gut wie keine Ermittlungsrolle spielt und sich auf die Rechtsschutzfunktion beschränkt, sei jedoch umgesetzt worden.

Die neuen Rechtsschutzinstrumente Einspruch und Beschwerde werden in der Praxis kaum genutzt, auch Anträge auf Verfahrenseinstellung gebe es kaum, so die Strafrechtler. Von Staatsanwälten und Polizei werde dies als Bestätigung ihrer korrekten Praxis verstanden, andere führen dies aber auf die Rechtsunkenntnis der Beschuldigten zurück. Hier fällt auf, dass die Rechtsbelehrung überwiegend durch die bestätigte Aushändigung eines Formblatts bei der Polizei erfolgt.

Beschuldigtenrechte kommen kaum zur Geltung
Die StPO-Reform brachte den Beschuldigten auch das Recht auf den Anwalt schon ab der ersten Einvernahme durch die Polizei. In der Realität werden Verteidiger im Ermittlungsverfahren aber nur in acht Prozent der Fälle beigezogen, am ehesten noch dann, wenn U-Haft verhängt wird oder es um Suchtmitteldelikte geht.

Nicht-österreichische Beschuldigte nehmen sich noch seltener einen Anwalt, was die Juristen auf Sprachbarrieren und die sozialen Verhältnisse zurückführen. Der anwaltliche Notdienst wird nur äußerst selten in Anspruch genommen, ebenso wie die Akteneinsicht. Insgesamt würden die Beschuldigtenrechte "in der Strafrechtspraxis noch nicht in gewünschtem Ausmaß zur Geltung kommen (können)", heißt es im Bericht.

Parlament berät im Oktober über Änderungen
Im Herbst soll nun im Parlament beraten werden, ob bzw. welche Änderungen nötig sind. Anfang Oktober wird ein Unterausschuss des Justizausschusses eingerichtet, kündigte Vorsitzender Heribert Donnerbauer an. Justizministerin Beatrix Karl legt sich noch nicht fest, sie hofft auf eine "gute Diskussion" im Ausschuss. Da werde sich zeigen, wo Nachbesserungsbedarf besteht, so Karl. Donnerbauer geht davon aus, dass die Beratungen Ende des Jahres abgeschlossen werden können.

Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser wünscht sich vor allem bei der personellen Ausstattung der Staatsanwaltschaften Nachbesserungen. Nur so bestehe die Chance, dass sie die in der Reform vorgesehene Rolle auch ausfüllen können, sagte er. Steinhauser zeigte sich zuversichtlich, dass der Unterausschuss den Anstoß für Verbesserungen bringen kann.

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