Hurrikan "Irene"

New York: Eine Metropole als Geisterstadt

Ausland
29.08.2011 07:52
So ein Wochenende hat New York noch nicht erlebt: leere Straßen, leere U-Bahn-Stationen, leere Theater und leere Kinos. Das Baseball-Stadion der Mets - mitten in der Saison leer. Und auch leer: die Regale in vielen Supermärkten. Der gewaltige Hurrikan "Irene" verwandelte die ansonsten zu den lebendigsten Städten der Welt gehörende Metropole in eine Geisterstadt. Sonntagmittag (Ortszeit) hatte New York das Schlimmste überstanden, der Himmel klarte auf. Die befürchtete Katastrophe blieb aus.

"Bleiben Sie, wo Sie sind!", hatte Bürgermeister Michael Bloomberg am Samstagabend in seiner betont sachlichen Art gewarnt. "Es ist dunkel und windig, es regnet und keine U-Bahn und kein Bus fährt. Bleiben Sie drinnen, draußen fliegt zu viel herum."

Und die New Yorker und ihre Gäste hielten sich dran. Der Times Square, sonst von Hunderttausenden Menschen bevölkert: eine leere Betonfläche. Der Broadway, sonst am Samstagabend verstopft von Musicalbesuchern: eine einsame Straße. Battery Park, sonst beliebter Aussichtspunkt auf die Freiheitsstatue: ein wellenumspülter, aber menschenleerer Ort.

In der Früh waren auf den Hausdächern der Wolkenkratzer noch Männer mit Ferngläsern unterwegs. Akribisch suchten sie die Balkone ab, ob diese auch von Grills, Stühlen und Fahrrädern freigeräumt waren - damit die Gegenstände im Sturm nicht zum Geschoss werden konnten.

Casinos in Atlantic City geschlossen
In Atlantic City waren alle Casinos geschlossen. Die New Yorker Universitäten, die eigentlich am Sonntag ihre neuen Studenten begrüßen wollten, mussten ihren "Fresh Men Day" verschieben. Tausende Flüge wurden an der Ostküste abgesagt, Hunderttausende Menschen hingen fest. Allein in New Jersey bekam eine Million Menschen den Evakuierungsbefehl. Auf Long Island waren es 400.000, in der Stadt New York selbst 370.000.

Das Problem: Es gab nur Notunterkünfte für jeden Fünften. Die anderen mussten in Hotels oder bei Freunden unterkommen. Einige wollten aber auch nicht gehen. "So schlimm wird's schon nicht werden", sagte einer dem Fernsehsender CBS. "Außerdem habe ich kein Geld, um irgendwo unterzukommen."

Tausende Haushalte ohne Strom
Und so harrten die meisten New Yorker hinter ihren mit Klebestreifen gesicherten Fenstern aus und hofften, dass es keine Stromausfälle gibt. In den zuerst von "Irene" heimgesuchten Gebieten waren in den ersten 24 Stunden mehr als drei Millionen Menschen ohne Strom. Und in New York fragten sich viele nicht, ob, sondern nur wann und wo der Sturm zuschlagen werde. Denn bei den in der Regel an Holzmasten baumelnden Stromleitungen gehören Sturmschäden dazu.

"Frieren Sie Flaschen mit Wasser ein, so lange Sie noch Strom haben", empfahl die Stadt. "Wenn dann der Strom ausfällt, halten die Eisblöcke die Kälte etwas." Auch Bloomberg gab gute Ratschläge: "Halten Sie sich von den Fenstern fern! Nehmen Sie Taschenlampen, keine Kerzen! Es gab schon erste Brände. Und füllen Sie ihre Badewanne mit Wasser!" Denn wenn der Strom weg ist, fallen auch die Pumpen aus.

New York kam glimpflicher davon als befürchtet
Tatsächlich kam es zu Stromausfällen und Überschwemmungen, doch im Endeffekt kam die Millionenmetropole glimpflicher davon, als befürchtet worden war. Mehr als 70.000 Kunden waren am Sonntag ohne Elektrizität. Wobei "ein Kunde" zuweilen ein ganzes Haus mit Tausenden Menschen ist. Opfer gab es keine zu beklagen.

Die drei seit Samstag geschlossenen Flughäfen New Yorks sollen nach Angaben der Flugbehörde FAA am Montagmorgen wieder öffnen. Die Rückkehr zu einem normalen Flugbetrieb ist aber nicht vor Dienstag zu erwarten. Die AUA nimmt am Montag ihre Flüge nach New York wieder auf, wie Sprecherin Ursula Berger am Sonntagabend mitteilte. Demnach soll der Flug um 10.40 Uhr ab Wien-Schwechat planmäßig abheben. Am Montagmorgen sollen Behörden, Geschäfte und Museen wieder öffnen. Auch die New Yorker Aktienbörsen werden am Montag wie gewohnt geöffnet, hieß es.

Bereits am Sonntag begann das große Aufräumen, das Leben lief langsam wieder an, der Verkehr begann sich zu normalisieren. Im Central Park waren Parkranger unterwegs, um die Bäume zu begutachten. Die Feuerwehr rückte aus, um abgebrochene Äste zu beseitigen und in den Häusern nahe des Hudson River wurden zahlreiche Keller ausgepumpt. Touristen und Einheimische strömten nach dem Unwetter bereits wieder zur Uferpromenade, als ob nichts gewesen wäre, viele trugen nur Shorts und T-Shirts.

18 Tote durch "Irene" in den USA
Insgesamt forderte "Irene" seit ihrem Auftreffen auf Land in den USA 18 Todesopfer. In North Carolina, wo der Sturm am Samstagmorgen zum ersten Mal auf US-Festland getroffen war, gab es mehrere Todesopfer, darunter ein 15-jähriges Mädchen, das wegen Stromausfalls einer Ampel an einer Kreuzung überfahren wurde. In Virginia starben vier Menschen, unter anderem ein elfjähriger Bub aus Newport, der von einem auf das Wohnhaus seiner Familie stürzenden Baum erschlagen wurde. Auch in den Bundesstaaten Connecticut, Maryland und Florida kamen einige Menschen ums Leben.

Am Sonntagnachmittag suchte "Irene" Vermont im Nordosten der USA heim und hinterließ Verwüstungen in einigen Kleinstädten. Mehrere Gebiete wurden überflutet. Millionen waren auch nach Stunden noch ohne Strom, Telefon und Internet. Inzwischen hat "Irene" Kanada erreicht und wurde von einem Hurrikan zu einem posttropischen Wirbelsturm herabgestuft. Die Schadenssumme in den USA wurde von einem Experten der Universität von Maryland bisher auf rund 20 Milliarden Dollar geschätzt. Inklusive Produktionsstopp maßgeblicher Firmen von zwei Tagen könnte sich diese Summe allerdings zumindest noch verdoppeln.

Die Versicherungen dürften davon kaum betroffen sein. Das auf Schätzungen von Naturkatastrophen spezialisierte Unternehmen Kinetic Analysis geht davon aus, dass die versicherten Schäden bislang bei rund 2,6 Milliarden Dollar liegen dürften - auch hier kann sich in den nächsten Tagen aber noch viel ändern.

Stärkster Sturm seit mehr als 25 Jahren
"Irene" soll an der nördlichen US-Ostküste, die nur sehr selten von den tropischen Wirbelstürmen heimgesucht wird, der stärkste Sturm seit mehr als einem Vierteljahrhundert sein. "Gloria" hatte 1985 schwere Verwüstungen angerichtet, damals war der Sturm aber bei Ebbe gekommen. "Irene" drückt nun aber auch bei Flut Wassermassen gegen die Küste.

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