"Krone"-Sommer-Talk

Spindelegger über Krisen, Diktatoren und Optimismus

Österreich
25.08.2011 18:36
Trotz vieler Unterbrechungen und Telefonate hat Vizekanzler Michael Spindelegger bei seinen zwei Wochen Urlaub in Österreich entspannen können. Im "Krone"-Sommergespräch nach dem ersten Ministerrat nach der Sommerpause erklärt Spindelegger seine Lösung für die Schuldenkrise, warum der Wähler immer recht hat und wo in Österreich die Gadafi-Milliarden zu finden sind.

"Krone": Herr Vizekanzler, beim ersten Ministerrat nach der Sommerpause wurden eine EU-Wirtschaftsregierung, Euro-Bonds sowie der von ihnen vorgeschlagene "Österreich-Dienst" als Alternative zur Wehrpflicht abgelehnt. Ein ernüchternder Start?
Michael Spindelegger: Nach den jetzigen Verträgen ist eine EU-Wirtschaftsregierung nicht möglich, man könnte so etwas in einigen Jahren etablieren. Das greift aber für die momentane Krise zu kurz, wir brauchen jetzt Lösungen. Daher gefällt mir der Vorschlag, dass sich Staats- und Regierungschefs künftig zweimal pro Jahr treffen und absprechen. Das gilt auch für die Eurobonds: Es wäre ungerecht, jetzt die Schuldenlast auf alle Länder zu verteilen. Darüber kann man reden, wenn alle wieder ihre Haushalte in Ordnung haben.

"Krone": Wie heißt nun Ihre Lösung für die Schuldenkrise?
Spindelegger: Jedes Land baut seine Schulden selbstständig mithilfe einer gemeinsamen Wirtschaftsstrategie ab. So gehören zum Beispiel Steuern abgestimmt, um sich nicht gegenseitig als Standort Druck zu machen.

"Krone": Ihre Strategie für Österreich?
Spindelegger: Wir müssen Österreich bei den Exporten derart stärken, dass wir auch eine nächste und übernächste Krise wieder erfolgreich durchtauchen können. Ab Herbst wollen wir Österreich im Ausland besser präsentieren. Und im Land müssen wir sorgsamer wirtschaften.

"Krone": Wird es neue Steuern geben?
Spindelegger: Da bin ich sehr skeptisch, weil wir bereits ein sehr hohes Steuerniveau haben. Damit macht man der Wirtschaft keinen Mut, aber auch ein Arbeitnehmer überlegt sich, ob er in eine Eigentumswohnung investieren soll, wenn die möglicherweise später besteuert wird.

"Krone": Ab wann ist man ein Besserverdiener?
Spindelegger: Manche setzen den Besserverdiener bei 3.500 bis 4.000 Euro brutto an, ich würde die Grenze weitaus niedriger ziehen, nämlich bei all jenen, die Steuern zahlen. Das ist die Hälfte der Erwerbstätigen. Ich halte es nicht für sinnvoll, diese Menschen noch weiter zu belasten.

"Krone": Das heißt, niemand soll stärker besteuert werden?
Spindelegger: Unsere Botschaft muss lauten, dass sich Arbeit lohnt. Das ist das richtige Signal.

"Krone": Können Sie Ihren Koalitionspartner von diesem Konzept der breiten Mittelschicht überzeugen?
Spindelegger: Wir sind zwei unterschiedliche Parteien, und daher liegt es auf der Hand, dass wir auch unterschiedliche Ansichten haben. Unser gemeinsames Anliegen ist es jedoch, etwas positiv für Österreich weiterzubringen, und ich stehe zu allem, was wir bei der Regierungsklausur am Semmering vereinbart haben.

"Krone": Eine Koalition mit der FPÖ schließen Sie nicht aus?
Spindelegger: Der Wähler hat immer recht. Ich halte es grundsätzlich für falsch, sich vorher festzulegen.

"Krone": Kann man als Vizekanzler und Außenminister in Zeiten wie diesen überhaupt noch ruhig schlafen oder Urlaub machen?
Spindelegger: Trotz vieler Unterbrechungen und Telefonate habe ich bei meinen zwei Wochen Urlaub in Österreich entspannen können. Wenn ich mit meiner Frau und meinen Kindern unterwegs bin, genieße ich den Moment.

"Krone": Halten Sie Aktienpakete?
Spindelegger: Nein, aber natürlich sieht man, dass Angst und Skepsis da sind und viele Unternehmen mit ihren Investitionen warten. Im Herbst ist trotz unserer an sich guten Konjunktur ein leichter Einbruch zu befürchten.

"Krone": Sie sind damit vorgeprescht, dass österreichische Unternehmen rasch wieder Kooperationen mit Libyen suchen sollen. Können Sie die künftige politische und wirtschaftliche Lage in Nordafrika bereits einschätzen?
Spindelegger: Der sogenannte Arabische Frühling ist noch nicht zu Ende und wird weitere Länder in Nordafrika erfassen. Jetzt ist es aber entscheidend, österreichische Unternehmen, die in Libyen aktiv werden wollen, mit den erforderlichen Sicherheiten auszustatten. Dazu stehen jene 1,2 Milliarden Euro libyschen Vermögens, das wir eingefroren haben, zur Verfügung. Das muss noch völkerrechtlich abgesichert werden.

"Krone": Wo sind die Gadafi-Milliarden?
Spindelegger: Die 1,2 Milliarden in Österreich liegen verstreut auf den Konten diverser Bankinstitute.

"Krone": Dieses Geld ist Eigentum des libyschen Volkes. Wer kann nun entscheiden, was damit geschieht?
Spindelegger: Das kann immer nur mit Zustimmung des libyschen Übergangsrates geschehen. Sie haben uns jedoch bereits ihre Zustimmung für unsere Vorgangsweise gegeben.

"Krone": Haben Sie Muammar al-Gadafi kennengelernt?
Spindelegger: Im Rahmen einer Konferenz habe ich ihn begrüßt und ein paar Worte, nichts Wesentliches, gewechselt. Bei aller Rücksicht auf wirtschaftliche Vorteile hat Europa in den vergangenen Jahren die nordafrikanischen Diktatoren zu sehr hofiert. Eine Gesprächsbasis zu haben ist in Ordnung, aber erpressen lassen darf man sich nicht.

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