England-Krawalle

Britische Polizei holt zum Gegenschlag aus

Ausland
10.08.2011 19:18
Die britischen Behörden greifen zu immer drastischeren Mitteln, um die andauernden Unruhen in den Griff zu bekommen. Nachdem seit Samstag rund 1.300 Randalierer festgenommen wurden, macht die Polizei nun anhand von Bildern aus Sicherheitskameras Jagd auf Plünderer. Schützenhilfe bekommt sie dabei von Premier David Cameron, der Kritik an den Maßnahmen zurückwies. Die Sicherheitskräfte dürfen nun jedenfalls auch Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen die Randalierer einsetzen.

"Wir werden uns durch falsche Menschenrechtsbedenken nicht von der Veröffentlichung von Bildern und vom Ergreifen dieser Individuen abhalten lassen", sagte der Premier nach einer Sitzung des britischen Sicherheitskabinetts am Mittwoch. Die Polizei hatte am Dienstag damit begonnen, Bilder von Tatverdächtigen online zu stellen, und die Bevölkerung gebeten, bei der Identifikation der Gesuchten auf den Fotos aus Sicherheitskameras von geplünderten Geschäften behilflich zu sein.

Cameron erneuerte seine Kampfansage und kündigte an, dass "jeder, der gewalttätig wurde, ins Gefängnis geschickt wird". Bereits am Dienstag hatte der Premier gemeint: "Wenn ihr alt genug seid, diese Verbrechen zu begehen, seid ihr auch alt genug, für sie zu büßen."

Erstmals Wasserwerfer-Einsatz
Cameron versicherte zudem am Mittwoch, die Sicherheitskräfte würden alles erhalten, was sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigten. "Wir mussten den Kampf aufnehmen, und der Kampf ist im Gange." Erstmals darf die Polizei in Großbritannien nun auch Wasserwerfer einsetzen. Diese kamen außerhalb des chronisch konfliktträchtigen Nordirlands auf der Insel bisher nicht zum Einsatz.

Zuvor hatte bereits der britische Wohnbauminister Grant Shapps mit harten Maßnahmen gegen die Randalierer aufhorchen lassen. Er sprach seine Unterstützung für Pläne von Kommunalpolitikern aus, die Unruhestifter aus sozialen Wohnbauten zu delogieren. Sind Täter in einer Wohnung der Gemeinde untergebracht, sollen sie demnach auf die Straße gesetzt werden.

Volksschullehrer als Plünderer angeklagt
Auch die britischen Gerichte waren bereits am Mittwoch mit den Ausschreitungen beschäftigt. Als erste Person, die wegen der Plünderungen in London angeklagt wurde, stand der 31-jährige Lehrer Alexis B. in London vor Gericht. Der junge Mann aus dem Süden der britischen Hauptstadt war im Stadtteil Croydon verhaftet worden. Er bekannte sich des Einbruchs schuldig, berichtete die Online-Ausgabe der Zeitung "Daily Mirror".

Das Amtsgericht Highbury Corner, wo der Fall behandelt wurde, widmete sich einer ganzen Serie von Fällen im Zusammenhang mit den Krawallen. Der Angeklagte B. arbeitet laut dem Zeitungsbericht ganztags in einer Volksschule im Londoner Innenstadtviertel Stockwell und lebt mit seinen Eltern. Der Lehrer sei für die Dauer des Verfahrens aus freien Fuß gesetzt worden, unterliege jedoch einer abendlichen Ausgangssperre, hieß es. Das Urteil soll nun vom Strafgericht Wood Green gesprochen werden.

Einwohner setzen sich gegen Randalierer zur Wehr
In vielen Teilen Londons nahmen unterdessen die Einwohner die Ordnung selbst in die Hand. Im Viertel Stoke Newington im Norden Londons stellten sich Hunderte Ladenbesitzer, teils mit Baseball-Schlägern bewaffnet, auf die Straße, um ihre Geschäfte zu verteidigen, berichtete der "Daily Telegraph".

Ähnliches habe sich auch in dem Bezirk Clapham ereignet, wo Einwohner eine Barrikade bildeten, um Plünderern den Zutritt zu ihrer Wohngegend zu verwehren. Die Polizei forderte Geschäftsinhaber sogar auf, "vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen" und private Sicherheitsleute einzustellen, so dies möglich sei.

In Birmingham kamen in der Nacht auf Mittwoch drei Briten asiatischer Abstammung ums Leben, die sich nach einem Moscheebesuch gemeinsam mit anderen Männern zur Bildung einer Bürgerwehr verabredet hatten, um ihre Geschäfte zu schützen. Sie wurden von einem Auto totgefahren (siehe Infobox).

Cameron: "Teile der Gesellschaft sind eindeutig krank"
Cameron sprach am Mittwoch auch von einem "Banden-Problem" in Großbritannien. "Für zu lange Zeit hat es mangelnde Aufmerksamkeit und einen kompletten Mangel an Respekt vonseiten dieser Gruppen von Gewalttätern gegeben." Die Randalierer der vergangenen Tage seien nicht repräsentativ für die große Mehrheit der jungen Leute in Großbritannien.

"Doch es gibt Teile unserer Gesellschaft, die nicht nur kaputt sind, sondern ganz eindeutig krank", sagte der Regierungschef. Bilder eines in den letzten Tagen kursierenden Internet-Videos, in dem 12- und 13-Jährige einen verletzten jungen Mann auslachen und ausrauben (siehe Infobox), zeigten deutlich, dass es einige "zutiefst falsche" Vorgänge in der britischen Gesellschaft gebe.

Die Wurzel der Probleme liegt für den britischen Premier in einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein: "Den Leuten kommt vor, dass die Welt ihnen etwas schuldet, dass sie mehr Rechte als Pflichten haben und dass es keine Konsequenzen für ihre Handlungen gibt. Nun, es gibt Konsequenzen." Cameron forderte einen "klaren Kodex von Werten und Standards", nach denen die Menschen leben sollen - und härtere Strafen, sollte dieser verletzt werden.

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