Binnen einer Woche

Börsen-Talfahrt vernichtete schon 1.757 Milliarden €

Ausland
05.08.2011 22:57
Die massiven Kursstürze an den internationalen Aktienmärkten machen Anleger weltweit um Billionen ärmer. Der Börsenwert aller im MSCI World Index gelisteten Unternehmen verringerte sich in dieser Woche um 2,5 Billionen Dollar oder 1.757 Milliarden Euro, was in etwa der Wirtschaftsleistung Frankreichs entspricht. Eine baldige Erholung der Aktienkurse ist laut Finanzexperten nicht in Sicht, dafür steht aber das Rezessionsgespenst vor der Tür.

Aus Sorge vor einer weltweiten Rezession und einer Ausweitung der europäischen Schuldenkrise flüchteten Anleger am Freitag weltweit in Scharen aus den Aktienmärkten. Der MSCI World Index, einer der wichtigsten Aktienindizes der Welt, fiel zwischenzeitlich auf ein Acht-Monats-Tief und notierte knapp neun Prozent unter seinem Vorwochenschluss.

Die im S&P-500 gelisteten US-Unternehmen büßten im gleichen Zeitraum mehr als 840 Milliarden Dollar und die Mitglieder des MSCI Europe insgesamt gut 817 Milliarden Dollar an Börsenwert ein. Dies entspricht in etwa der zusammengerechneten Wirtschaftsleistung der Schweiz und Dänemarks.

Gold und Franken als sichere Häfen
Auch von Dollar und Euro trennten sich Investoren in großem Stil. Auf der Suche nach sicheren Häfen nahmen sie Kurs auf Gold und den Schweizer Franken. Der Euro rutschte auf ein neues Rekordtief zum Franken, und auch der Dollar hielt sich nur knapp über seiner bisherigen Negativ-Marke von 0,7606 Franken. Eine Feinunze (31,1 Gramm) Gold kostete bis zu 1.679,60 Dollar - der Preis für das Edelmetall lag damit nur noch rund zwei Dollar unter seiner bisherigen Bestmarke.

An den europäischen Aktienmärkten konnte sich die Lage am Freitag nach den Panikverkäufen im Frühhandel im weiteren Verlauf zwar wieder etwas beruhigen, der Abwärtstrend setzt sich aber auch zum Wochenausklang fort. Der DAX in Frankfurt und der FT-SE-100 der Börse London notierten weiter mit einem klaren Minus. Der Euro-Stoxx-50 verbuchte mit seinem zehnten Tagesverlust in Folge gar die längste Negativ-Serie seiner Geschichte.

Eine baldige Erholung der Aktienkurse sei nicht in Sicht, heißt es, auch wenn sich die Börse in New York bis Handelsschluss leicht erholte. Bis in den Herbst würden die Börsen bestenfalls seitwärts gehen, ist Stephan Lingnau, internationaler Aktienexperte der Erste Group, überzeugt. "Die Hoffnungen, dass es im zweiten Halbjahr besser wird, müssen nach unten revidiert werden. Möglicherweise steht ein Rezession vor der Tür", so Lingnau.

US-Sparpaket und Euro-Schuldenkrise als Ursachen
Auch wenn sich die US-Konjunktur noch nicht auf Rezessionsniveau befinde, werde schon darüber diskutiert, ob die geplanten Einsparungen nicht die Konjunktur beschädigen könnten, so Johannes Mattner, Aktienmarktexperte von der RZB. Monika Rosen, Chefanalystin im UniCredit Private Banking, geht davon aus, dass die Sparmaßnahmen erst ab 2013 greifen.

"Ein anderer Punkt ist die Schuldenkrise in Europa", meint Mattner. Diese spitze sich immer weiter zu, was gut an den Renditeaufschläge für italienische und spanische Staatsanleihen zu erkennen sei. Die Risikoaufschläge für die zehnjährigen Anleihen der beiden hoch verschuldeten Staaten erreichten im Vergleich zu den entsprechenden deutschen Titeln, die als besonders stabil gelten und deshalb als Referenz dienen, zeitweise neue Rekordhochs.

Börsencrash durch Technik weiter verschlimmert
Doch es gibt auch andere Faktoren, die den Kursrutsch beschleunigen - zum Beispiel technische Vorgänge im Computerhandel. Derzeit sorgt vor allem die Handelsoption "stop loss" ("den Verlust beenden") dafür, dass sich der Negativtrend weiter verstärkt, wie Klaus Stabel, Marktanalyst bei der Wertpapierhandelsbank ICF Kursmakler AG, erläutert.

Der Mechanismus funktioniert so: Ein Anleger gibt seiner Bank mit der Stop-Loss-Option den Auftrag, Aktien automatisch zu verkaufen, sobald sie unter einen bestimmten Wert fallen. Dies führe aber in einer Situation wie derzeit häufig zu einer Massenhysterie.

"Es kommt eine Herdenbewegung in Gang." Die Ausschläge auf den Aktienkurs sind entsprechend. Verstärkend komme hinzu, dass sich die Verkaufswelle dann auch in anderen aktienbasierten Anlageformen fortsetzt, also etwa auch bei Fonds. Auch Termingeschäfte können zu der Dynamik beitragen. Gerade die Monate Juli und August seien laut Stabel besonders krisenanfällig, weil der Handel wegen der Urlaubszeit recht dünn sei und viele Anleger ihre Depots mit Optionen abgesichert hätten. Denn mit dem eingebauten Limit samt Verkaufsautomatik muss ein Anleger das Depot nicht ständig im Auge behalten.

Nur eine Art Börsen-"Sommergewitter"?
Analyst Stabel hält die derzeitigen Verluste jedenfalls für "viel höher als wirtschaftlich geboten" und ergänzt: "Wenn einer raus will, wollen alle raus." Auch andere Analysten betonten, dass die Erwartung einer Rezession überzogen und fundamental keinesfalls gerechtfertigt sei. "Die massiven Kurseinbrüche scheinen eine Art Sommergewitter zu sein und wir können immer noch auf stabileres Börsenwetter im Spätsommer hoffen", gibt etwa Hans-Jörg Naumer, Kapitalmarkt-Analyst bei Allianz Global Investors, zu bedenken.

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