Eltern vor Gericht

Kinder gefesselt vor TV geparkt: Nur “Bestes gewollt”

Wien
04.08.2011 15:01
Ein junges Elternpaar und die Großmutter von vier Kindern sind am Donnerstag wegen Quälens und Vernachlässigens unmündiger Personen in Wien vor Gericht gestanden, weil sie die Kleinen über Monate hinweg "ruhiggestellt" haben sollen, indem sie sie gefesselt vor den Fernseher setzten. Dass die zwei Buben und zwei Mädchen im Alter von zehn Monaten bis viereinhalb Jahren schwere Entwicklungsdefizite haben, überraschte Eltern wie Großeltern vor Gericht sichtlich. Die Vorwürfe bestritten sie allerdings. Der Prozess wurde vertagt.

Man habe immer das Beste für den Nachwuchs gewollt, betonte die 53-jährige Großmutter. Dass dies darin gipfelte, dass etwa ein über Vierjähriger immer noch gewickelt werden muss, weil er nicht allein auf die Toilette gehen kann, schien ihr offenbar nicht bedenklich. Auch der 30-jährige Vater erklärte dazu nur, dass man versucht habe, den Ältesten zum altersgemäßen Verrichten seiner Notdurft zu bringen - "er will aber die Windeln haben".

Jugendamt stellte schwere Mängel fest
Die Kinder befinden sich mittlerweile in der Obsorge des Jugendamtes, das bei der Kindesabnahme vergangenes Jahr schwere Mängel festgestellt hatte. So seien die Kinder allesamt verschmutzt gewesen und waren zudem von Läusen befallen. Ein Gutachten förderte außerdem zutage, dass bis auf den jüngsten Nachwuchs alle Kleinkinder weit hinter ihrem Altersschnitt liegen, sowohl was die sprachliche Entwicklung als auch was sonstige motorische Fähigkeiten - bis zum Essen von fester Nahrung - anbelangt.

Zwar stellte etwa die Mutter entschieden in Abrede, die Kinder vor dem Fernseher im Kinderwagen fixiert zu haben, im Leben des Nachwuchses dürften die vier im Haushalt vorhandenen Wägen jedoch eine prägende Rolle gespielt haben: Sogar der Viereinhalbjährige wurde noch damit in den Park geschoben, berichtete die Großmutter, die daran aber nichts Anstößiges sah.

Betreuerin bleibt vor Gericht bei Vorwürfen
Eine Betreuerin des Jugendamtes bekräftigte vor Gericht allerdings ihre Vorwürfe: So seien in ihrer Anwesenheit Schläge ausgeteilt worden und Kinder im Kinderwagen angeschnallt vor dem Fernseher gesessen. Eine Psychologin der Jugendgerichtshilfe schilderte zum einen die schweren Entwicklungsstörungen der Kinder, attestierte den Eltern zum anderen aber ein liebevolles Verhältnis zu ihrem Nachwuchs. "Ich hatte sehr wohl den Eindruck, dass die Eltern versuchen, ihr Bestes zu geben", sagte die Psychologin. Sie habe bei einem Besuch eine "liebevolle Interaktion" festgestellt und das Gefühl, "dass die Eltern denken, dass das alles gut und richtig ist".

Defizite seien jedenfalls vorhanden, betonte auch sie: Der Älteste könne kaum sprechen und sei auch motorisch nur schwer in der Lage, beispielsweise ein Sofa zu erklimmen. Eines der Mädchen habe Schwierigkeiten mit dem Schlucken. Dass mit den Kindern etwas nicht stimme, sei der Familie aber offenbar nicht begreiflich zu machen.

Gutachterin: "Verwöhnen, aber nicht unbedingt fördern"
Dass die Kinder kaum ihrem Alter entsprechende sprachliche Fähigkeiten haben, führten die Eltern darauf zurück, dass in dem Haushalt eben drei Sprachen vorherrschen: Serbisch, Romanes (die Sprache der Roma, Anm.) und Deutsch. Eine Gutachterin kam nach der Befragung der Eltern und der Großmutter zum Schluss, dass in dem Haushalt, "verwöhnen, aber nicht unbedingt fördern" am Plan stehe. Etwa beim Essen, das den Kleinen offenbar regelmäßig in breiiger Form verabreicht wurde.

Wie die Betreuerin des Jugendamtes berichtete, hatte man die Eltern auch von ärztlicher Seite auf die Störungen der Kinder aufmerksam gemacht, auch im Beisein eines serbischsprachigen Arztes. Die Beobachtungen im Haushalt, der Zustand der Kleinen und weil die Eltern zwei Termine zur Frühförderung verstreichen ließen, hätten schließlich zur Kindesabnahme geführt, sagte sie.

Die Verhandlung wurde am Donnerstagnachmittag vertagt.

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