Hungersnot in Afrika

Nach Dürre drohen in Somalia jetzt Überflutungen

Ausland
01.08.2011 14:18
Nach Monaten der Dürre überziehen jetzt heftige Regenfälle Somalia und erschweren die Hilfe für die hungerende Bevölkerung zusätzlich. Millionen von Menschen in der Hauptstadt Mogadischu sind den Wassermassen ohne Schutz ausgeliefert. Außerdem erschüttern heftige Kämpfe zwischen der Afrikanischen Union und muslimischen Rebellen das Land. Beides behindert die Hilfslieferungen über eine Luftbrücke in die somalische Hauptstadt.

Die Situation wird nach Einschätzung der Vereinten Nationen mit jedem Tag schlimmer. "Mehr als zwölf Millionen Menschen in Somalia, Kenia, Äthiopien und Dschibuti brauchen dringend Hilfe. Und die Zahl wächst täglich", sagte die UNO-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos am Sonntag in New York. "Die Zukunft einer ganzen Generation steht auf dem Spiel. Ausmaß und Schwere machen die Krise in Somalia zur mit Abstand größten Hungerkatastrophe auf der Welt.

Zehntausende Menschen sind schon gestorben und Hunderttausenden droht der Hungertod", sagte die Britin. Die ständigen Kämpfe seien ein großes Hindernis für die Helfer. "Wir müssen die Leute aber da erreichen, wo sie sind, und das ohne Verzögerung", sagte Amos. Trotz Hilfe per Lastwagen und aus der Luft mit Nahrung und Wasser seien große Gebiete im Süden Somalias komplett abgeschnitten. "Wir fordern von allen Parteien ungehinderten Zugang. Unser alleiniges Ziel ist es, Leben zu retten."

Immer mehr flüchten vor dem Hunger
Der Strom verzweifelter Flüchtlinge aus dem Süden Somalias in die Hauptstadt Mogadischu reißt nicht ab. Die Zahl hungernder Menschen, die täglich in der Hauptstadt ankämen, steige weiter "drastisch", berichtete das BBC Radio am Montag. Allein im vergangenen Monat hätten 12.000 unterernährte Kinder die Ernährungszentren der Vereinten Nationen in Mogadischu aufgesucht, 30 Prozent mehr als noch im Vormonat. Jetzt bedrohen auch noch heftige Regenfälle und Überschwemmungen die Flüchtlinge.

In Dadaab haben im derzeit größten Flüchtlingslager der Welt rund 400.000 Menschen überwiegend aus dem Bürgerkriegsland Somalia Zuflucht gesucht. Hilfslieferungen werden über eine Luftbrücke nach Mogadischu gebracht. In der Haupstadt gab es zuletzt Kämpfe zwischen den Truppen der Afrikanischen Union und der Shebab-Miliz, die weite Teile des Südens und des Zentrums Somalias beherrscht. Dort behindert die islamistische Bewegung laut UNO den Zugang zur Bevölkerung und verschärft damit die herrschende Hungersnot. Laut Welternährungsprogramm wurden bis Freitag 28 Tonnen Spezialnahrung über die Luftbrücke geliefert.

UN-Einsatz gegen Rebellen gefordert
Der Vizepräsident der Welthungerhilfe und frühere UN-Umweltdirektor Klaus Töpfer forderte daher einen UN-Einsatz, um die Hungersnot zu bekämpfen. "Auf dem Rücken verhungernder Menschen werden Stammesfehden ausgetragen, dazu kommt der islamische Fundamentalismus der Al-Shabaab-Miliz", schrieb er in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". "Dem darf die Weltgemeinschaft nicht länger zusehen. Wo bleibt die schnelle Einsatztruppe der UNO?" Die Souveränität der Staaten sei zu Recht völkerrechtlich ein hohes Gut, betonte Töpfer. Aber wenn dadurch Menschen verhungerten, dann müsse eingegriffen werden. "Dort endet nationale Souveränität."

Auma Obama, die Halbschwester des US-Präsidenten Barack Obama, meinte, dass ihr Heimatland Kenia "mit dem Zustrom an Flüchtlingen komplett überfordert" sei. "Unsere Regierung kann das beim besten Willen nicht bewältigen", sagte sie dem Nachrichtenmagazin "Focus". Die Luftbrücke für Somalia sei keine längerfristige Lösung. "Man muss eine Veränderung bewirken, damit die Menschen ihre Dürre-Katastrophen selbst in den Griff bekommen", forderte sie.

Die Afrikanische Union will am 9. August in Addis Abeba eine Geberkonferenz für die Opfer der verheerenden Hungersnot am Horn von Afrika veranstalten. Der afrikanische Kontinent und die gesamte Welt müssten sehen, wie sie das Leiden mindern könnten, erklärte AU-Vizechef Erastus Mwencha am Sonntag bei einem Besuch in der somalischen Hauptstadt Mogadischu.

1,25 Millionen Kinder allein in Somalia hungern
Die AU hat bisher lediglich 500.000 US-Dollar (etwa 347.000 Euro) zur Bekämpfung der Hungersnot gespendet; nach Angaben der Vereinten Nationen sind 2,48 Milliarden US-Dollar nötig, um den insgesamt zwölf Millionen Betroffenen in der Region zu helfen. Von der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren sind Äthiopien, Kenia, Somalia, Dschibuti, Uganda und der Sudan betroffen. Am schlimmsten trifft die Hungersnot die Menschen in Somalia. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerk UNICEF sind dort allein 1,25 Millionen Kinder auf Hilfe angewiesen.

"Situation komplexer, als man sich vorstellt"
Der Vorarlberger Harald Grabher war als Delegierter der Caritas Österreich zwei Wochen lang in Äthiopien unterwegs. "Die Situation ist komplexer, als man sich das vorstellt. Es gibt Berge, die sind drei-, viertausend Meter hoch. Im Hochland dort ist es wunderschön grün und es regnet", schilderte Grabher. Hunderte Kilometer weiter im Süden ändert sich die Lage dramatisch. Die letzten beiden Regenzeiten (im vergangenen Oktober und im Frühjahr dieses Jahres) sind ausgeblieben.

Bis jetzt haben sich die Betroffenen im Süden mit ihren Getreidereserven versorgt. "Die sind jetzt leer", berichtete der Katastrophenhelfer. "Sie leben von ihren Kühen, solange die noch Milch geben. Haben sie kein Wasser und Gras mehr, werden diese immer dünner. Dann steht die nächste Katastrophe bevor." In einem extrem von der Dürre betroffenen Gebiet im Süden Äthiopiens sei Grabher zufolge bereits ein Viertel bis ein Drittel des Viehbestandes verendet. "Wenn man dort etwas hat, hat man Kühe. Sterben die Kühe, hat man nichts mehr auf der hohen Kante." Einige Bauern würden versuchen, die Tiere zu verkaufen. Nachdem durch die Not viele Rinder am Markt sind, sinke der Handelswert stark, gleichzeitig seien die Lebensmittelpreise extrem gestiegen.

"Leute abfangen, bevor sie in Camps abwandern"
"An der Grenze zu Kenia hungern die Menschen bereits, ein bisschen weiter nördlich, etwa 100 Kilometer, haben sie noch für ein Monat Reserve", sagte Grabher. Genau da wollen die Helfer nun ansetzen und brauchen dringend Unterstützung. "Wenn die Leute nichts mehr haben und in Lager abwandern, ist das eine vertane Chance", so der Katastrophenhelfer. Noch könne man sie "abfangen" und helfen, dass sie ihren normalen Arbeitskreislauf an ihrem angestammten Platz behalten. Um die Versorgung dieser Menschen an Ort und Stelle zu gewährleisten, werden dringend Lebensmittel und Trinkwasser benötigt.

Im Vergleich zu Somalia funktioniert die Hilfsversorgung in Äthiopien besser, weil die Regierung bemüht sei, dass Lebensmittel verteilt werden. "Die stehen da schon dahinter." Lebensmittel werden aus Zentrallagern per Lkw in größere Gemeinden in den Süden geschafft. Wasser kommt mit Trucks aus dem Hochland oder man versuche, bestehende Brunnen wieder instand zu setzen. Von seinen Begegnungen mit den Notleidenden schilderte Grabher, dass die Menschen froh seien, wenn jemand vorbeikommt und auf ihre Situation aufmerksam macht. "Ihr seid die Gebildeten, ihr seid unser Sprachrohr, bitte tragt unsere Situation nach außen, damit Hilfe kommt", erzählte er von einem Gespräch mit einem Mann.

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