Tagsüber abstinent

Fastenmonat Ramadan heuer in Zeit der Revolte

Ausland
01.08.2011 09:39
Für mehr als eine Milliarde Muslime hat am Montag der Fastenmonat Ramadan begonnen - mitten in der Zeit der Revolte, dem Arabischen Frühling. Einen Mondmonat lang haben die Gläubigen nun tagsüber abstinent zu sein. Neben dem Essen und Trinken betrifft diese religiöse Pflicht auch das Rauchen und den Geschlechtsverkehr. Erst nach Sonnenuntergang wird mit der Familie gespeist und gefeiert.

Der offizielle Beginn des Ramadan hängt von der Sichtung der Mondsichel ab, heuer fällt dieser genau in den Hochsommer. Dies ist für die Muslime hierzulande eine besondere Herausforderung, denn die Tage sind länger, und selbst bei glühender Hitze dürfen die Gläubigen bis zum Sonnenuntergang kein Wasser zu sich nehmen. Ein Ramadan im Wortsinn, denn die Bezeichnung des Fastenmonats leitet sich vom arabischen "ramida" ab, was "brennende Hitze und Trockenheit" bedeutet. Diese durch Durst erzeugte Hitze soll die Sünden ausbrennen, hoffen die Muslime.

Für den gläubigen Muslim ist das Fasten im Ramadan einer der fünf Grundpfeiler des Islam ("Hingabe an Gott"). Die anderen vier sind das Glaubensbekenntnis, fünf tägliche Gebete, die Armensteuer und die Pilgerfahrt nach Mekka. Für Frauen ist das Fasten während der Menstruation und der Schwangerschaft verboten, sie sollten ebenso wie Kranke und Reisende das Fasten zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Kinder sind überhaupt ausgenommen.

Die letzten zehn Nächte des Fastenmonats gelten als besonders heilig. Nach islamischer Überlieferung hat Allah um 610 in einer Nacht im Ramadan seinem Propheten Mohammed das erste Mal den Koran durch den Erzengel Gabriel offenbart. In Erinnerung daran heißt diese "Nacht der Bestimmung" oder "Nacht der Allmacht", nach der auch die 97. Sure des Koran benannt ist.

Im Ramadan wird aber auch gefeiert - nach Sonnenuntergang
Geht der Ramadan zu Ende, feiern gläubige Muslime drei Tage lang das sogenannte Fastenbrechen. An diesem Tag beschenken sich Verwandte und Freunde mit Süßigkeiten, weshalb das Fest den Namen "Zuckerlfest" trägt. Auch sonst wird gerne gefeiert, in jüngster Zeit wurden Ramadan-Einladungen zunehmend auch zu einem Fest des Konsums - nach Sonnenuntergang, versteht sich.

Nächtliches Fernsehen wurde zum aufregenden familiären Ramadan-Event. Die in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten entstandenen privaten arabischen TV-Kanäle starten ihre neuesten Soaps und Serien genau in jenem Monat. Das Anzeigengeschäft bescherte ihnen in dieser Zeit besonders fette Einnahmen. So war es bisher - doch dieser Ramadan ist anders.

Erster Ramadan im Arabischen Frühling
Erstmals bricht der Ramadan über die arabische Welt herein, seit diese damit begonnen hat, ihre Despoten abzuschütteln. Die Tunesier und Ägypter vertrieben um die Jahreswende ihre Langzeit-Präsidenten von der Macht. Besonders am Nil ringt man mit den mächtigen Überresten des Ancien Régime um eine demokratische Zukunft. Die Syrer und Libyer sind noch in einen blutigen, scheinbar zu einem Patt verurteilten Kampf mit ihren Tyrannen verstrickt.

In Ägypten ist jetzt wenig vom Konsumfieber der vergangenen Jahre zu spüren. Umsturz, Straßenblockaden, Streiks und massive Ausfälle im Fremdenverkehr gingen den Bürgern an die ökonomische Substanz. "Alle sind verunsichert", meinte ein Verkäufer. "Die Leute halten ihr Geld zurück. Die Hersteller produzieren weniger, weil sie Angst haben, auf der Ware sitzen zu bleiben. Wir haben kaum etwas auf Lager und bestellen nach Bedarf. Auch das treibt die Preise in die Höhe."

Märtyrertod hat im Ramadan besonderes Gewicht
Offen ist, was der Ramadan für die noch unentschiedenen Konflikte in Syrien und Libyen bedeuten wird. Die Gegner von Bashar al-Assad und Muammar al-Gadafi sind auch stark religiös motiviert. Im islamischen Denken hat der Märtyrertod im Ramadan besonderes Gewicht. In Libyen könnte das Fasten am Tag die bewaffneten Aufständischen in ihren Aktionen bremsen. Zwar nehmen die Vorschriften jene, die im Krieg stehen, ausdrücklich von der Fastenpflicht aus. Doch oft wollen diese Kämpfer sich selbst und anderen beweisen, dass sie auch diese zusätzliche Erschwernis meistern.

In Syrien ringen die Bürger unbewaffnet mit den Schergen des Baath-Regimes. Die Moscheen waren schon bisher die natürlichen Zentren des Widerstands gegen das autoritäre Regierungssystem. Im Ramadan finden sich die Gläubigen nicht nur wie sonst am Freitag, sondern an jedem Abend in den Gotteshäusern ein, um gemeinsam zu beten - und gemeinschaftliche Angelegenheiten zu diskutieren. Das könnte zum Ausgangspunkt neuer, intensivierter Proteste werden. Syrische Aktivisten gaben bereits die Parole aus: "Im Ramadan ist jeden Tag Freitag!" Doch das war vor den blutigen Auseinandersetzungen am Wochenende.

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