Nach Tragödie am K2

Bersteiger-Legende Diemberger (79) will auf 6.000er

Österreich
31.07.2011 12:47
Das Ritual wiederholt sich zwischen 4. und 10. August schon zum 25. Mal: Bergsteiger-Legende Kurt Diemberger holt die Kerze aus dem Basislager des K2 von 1986 hervor - sie ist so dick, dass immer noch genug Wachs da ist - und zündet sie an. Der 79-jährige Salzburger denkt an seine Seilgefährtin Julie Tullis und vier Bergkameraden. Die fünf sind damals beim Abstieg vom zweithöchsten Berg der Welt im Sturm ums Leben gekommen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters will Diemberger 2012 einen Sechstausender besteigen: "Ich habe da noch eine Rechnung offen", sagte er.

In dem "schwarzen Sommer 1986" starben am K2 insgesamt 13 Bergsteiger. Kurt Diemberger und der Oberösterreicher Willi Bauer überlebten die Sturmhölle im August. In Erinnerung bleibt dem Salzburger das Positive, das Glück, den Gipfel beim dritten Versuch erreicht zu haben. "Dieser Glücksmoment schlägt alles andere. Als Julie und ich auf dem Gipfel standen, hielten wir uns in den Armen. Wir waren sehr glücklich. Wenn man am Berg Freunde verloren hat, denkt man an solche Ereignisse gern zurück. Man vergisst die guten Stunden nicht."

Mit 79 Jahren Sechstausender erklimmen
Der in Villach geborene Extrembergsteiger lässt sich nicht unterkriegen. Er will im Februar 2012 mit ein paar Kameraden in den südamerikanischen Anden auf einen Sechstausender, mit Pickel und Steigeisen. Dreimal schon scheiterte sein erträumter Gipfelsieg auf dem Tupungato (6.550 Meter), berüchtigt für starken Wind wie der K2. Der Name stammt aus dem Indianischen und bedeutet "Der Berg der die Stürme ruft". Diese halten ihn auch heute nicht ab: "Freilich ist das ein Reiz", gibt der 79-Jährige unumwunden zu.

Falls er den Tupungato nicht schaffen sollte, dann will er den Vulcano San Jose (5.850 Meter) in Angriff nehmen. "Man weiß nicht, wie lang man lebt. Das ist Schicksal. Ich geh' deshalb frohgemut in die Zukunft. Solange das Boot fährt, fahr' weiter", hält sich Diemberger an ein italienisches Sprichwort. "Ich habe ein Jahr mit Spitalsaufenthalten hinter mir. Ich trainiere jetzt stundenlang mit Skistöcken in den Hügeln von Bologna."

K2 birgt stets ein Restrisiko
Auch der K2 lässt ihn nicht los: "Ich hör' immer wieder etwas von ihm und ich denke immer wieder an diesen Berg." Welche Lehren er aus jenem "schwarzen Sommer" gezogen hat? "Das Wichtigste ist, dass sich ein Bergsteiger alles gründlich überlegt. Gerade am K2 ist aber ein gewisses Restrisiko nicht ausschaltbar. Jeder geht mit einer Gänsehaut in den 'Flaschenhals' hinein. 2008 hat sich der große Eishang über dem Flaschenhals gespalten. Eisstücke rissen die Fixseile ab. Da waren noch Leute drinnen, ihnen ging der Sauerstoff aus. Es gab elf Tote."

In seinem Buch "K2 - Traum und Schicksal" schildert Diemberger die tragischen Ereignisse von 1986, in seinem späteren Buch "Aufbruch ins Ungewisse" hinterfragt er, warum "wie in einem dunklen Fluch dreizehn Menschen auf den Graten und in den Flanken des Berges ihr Leben ließen". In jenem "unheilvollen" Sommer habe es eine neue Situation am K2 gegeben, "die es bisher nicht einmal annähernd gegeben hatte - den Massenansturm". Es seien vorher nie so viele Expeditionen zur selben Zeit unterwegs gewesen.

"Fatale Kettenreaktion" führte zu Bergdrama
Auslösendes Moment der "fatalen Kettenreaktion", die zu der Tragödie im August 1986 geführt habe, sei eine Eislawine am "Abruzzensporn" gewesen, die das höchste Lager einer österreichischen Expedition zerstört und auch das nächste, tiefere Lager überrollt habe. Es fehlte an Zelten, und es kam zu Platzproblemen in den Zelten auf dem Hochlager vier, was zu Verzögerungen führte. Ein ganzer, schöner Tag ging dadurch verloren. Der Gipfel wurde nicht wie geplant am 3., sondern am 4. August erklommen. Beim Abstieg schlug das Wetter um. In der Sturmhölle starben fünf Menschen.

Im Jahr 2004 kehrte der Salzburger noch einmal ins Basislager des K2 zurück. "Ich bin eine Zeit lang dort gewesen. Es war eine Art Pilgerfahrt." Auf rund 5.000 Meter, mit Blick auf den K2 und Broad Peak (8.047 Meter), schwelgte er in Erinnerungen an seine Kameraden, die im August 1986 ihr Leben ließen: die Britin Julie, die beiden Österreicher Hannes Wieser und Alfred Imitzer, der Brite Alan Rouse und die Polin Dobroslawa Miodowicz-Wolf. Er dachte auch an den Tiroler Hermann Buhl, der wie Diemberger am 9. Juni 1957 bei der Erstbesteigung des Broad Peak dabei war und der nur 18 Tage später an der Chogolisa (7.665 Meter) in den Tod stürzte. Der Salzburger ist der Letzte, der ihn lebend gesehen hat.

Kaltenbrunner "weiß auch umzudrehen"
Der Oberösterreicherin Gerlinde Kaltenbrunner, die derzeit den K2 über die chinesische, als sicherer geltende Nordseite besteigt, stellt Diemberger ein gutes Zeugnis aus. "Ich glaube schon, dass sie ein Vorbild ist. Sie geht ohne Sauerstoff und überlegt sich alles sehr gründlich. Sie weiß auch umzudrehen." Kommerzielle Expeditionen beäugt Diemberger sehr kritisch. "Es sollte kein Bergsteiger dabei sein, der vorher nicht einen Sechstausender problemlos bewältigt hat. Das würde die Todesrate garantiert drastisch senken." Viele Expeditionen würden abkassieren und Leute mitnehmen, die den Anforderungen in solchen Höhen nicht gewachsen seien.

Diemberger ist der einzige lebende Bergsteiger, der zwei Achttausender als erster und ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat - den Broad Peak und den Dhaulagiri (8.167 Meter). Er gilt als "Kameramann der Achttausender" und bildete mit Julie Tullis das "höchste Filmteam der Welt". Seine Bücher wurden ausgezeichnet, seine Filme preisgekrönt.

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