Neue Tunnelröhren

Tauernautobahn verliert am 30. Juni das letzte Nadelöhr

Salzburg
14.06.2011 13:17
36 Jahre nach der Eröffnung der Tauernautobahn soll diese wichtige Nord-Süd-Straßenverbindung durch die Alpen mit der Eröffnung der zweiten Röhre des Tauerntunnels am 30. Juni 2011 erstmals durchgehend zweispurig befahrbar sein. Stundenlange Staus vor allem an den Reisewochenenden – der längste erreichte im August 2008 ein Ausmaß von 40 Kilometern – sollten dann weitgehend der Vergangenheit angehören.

Geplant waren die zweiten Tunnelröhren durch Katschberg und Tauern eigentlich von Beginn an, letztlich fielen sie aber dem Sparstift zum Opfer. Daher stand seit der Eröffnung der A10 am 21. Juni 1975 durch beide Berge in jeder Richtung nur ein Fahrsteifen zur Verfügung - so gab es ausgerechnet im Tunnel Gegenverkehr. Erst nach dem Feuerinferno im Tauerntunnel im Mai 1999, bei dem zwölf Menschen getötet und 42 verletzt worden waren, stiegen die zweiten Röhren wie Phönix aus der Asche und wurden doch realisiert.

309 Millionen Euro investierte die Asfinag in den Bau der neuen und die Sanierung der alten Röhren – 197 Millionen Euro für den 6,4 Kilometer langen Tauern- und 112 Millionen Euro für den 5,5 Kilometer langen Katschbergtunnel – nach sechs Jahren sind die Arbeiten nun (fast komplett) abgeschlossen. Zudem werden Ende Juni auch die übrigen Baustellen entlang der A10 abgeschlossen, dass sämtliche 212 Kilometer zweispurig befahren werden können.

Neues Nadelöhr bei Mautstelle St. Michael?
Ob damit aber eine völlig freie Fahrt von Nord nach Süd möglich ist, wird sich weisen: Denn nun könnte die Mautstelle bei St. Michael im Lungau an Reisewochenenden zur Engstelle werden. Die Asfinag errichtete zwar nun noch fünf zusätzliche Abfertigungsstreifen, vor allem im Juli und August, wenn sich die Verkehrslawine in beide Richtungen wälzt, erwartet ÖAMTC-Verkehrsexperte Willy Matzke "mit Sicherheit" Verzögerungen. Er appelliert an alle Autofahrer, von der Videomaut Gebrauch zu machen.

Asfinag-Vorstand Alois Schedl rechnet hingegen mit keinen Staus: An Reisewochenenden erwarte man bis zu 2.000 Autos pro Stunde, die Mautstelle könne aber bis zu 2.200 Fahrzeuge abfertigen, sagte er am Dienstag in St. Michael. "Kleine Störungen" könne es aber geben, wenn beispielsweise ein Fahrzeug in der falschen Spur eingeordnet sei.

ÖAMTC attestiert "sehr hohen Sicherheitsstandard"
In Sachen Sicherheit wurden die beiden Tunnel vom Nachzügler zum Musterschüler. Gab es in den einröhrigen Tunneln im Unglücksfall ein Entrinnen nur durch die beiden Portale, finden sich nun im Durchschnitt alle 250 Meter Querschläge zum zweiten Stollen als Fluchtweg. Teilweise sind diese so groß, dass sie sogar von Lkws oder zumindest von Einsatzfahrzeugen genutzt werden können. Der ÖAMTC-Experte attestiert nun der gesamten Tauernautobahn von Salzburg bis Villach einen "sehr hohen Sicherheitsstandard", mit Ausnahme jener Lärmschutzgalerien, wo ein Pannenstreifen fehlt, wie er betonte.

Politisch durchsetzbar wurden die beiden Röhren erst, weil sich die Straßengesellschaft Asfinag zu einer ganzen Reihe von Umweltmaßnahmen verpflichtete. Bis 2020 muss sie entlang der A10 in Salzburg und Kärnten zahlreiche Lärmschutzprojekte errichten. Diese kosten in Summe rund 300 Millionen Euro und sind damit genau so teuer wie die beiden Tunnelröhren.

Die Asfinag habe seit der Katastrophe im Tauerntunnel fast vier Milliarden Euro in die Sicherheit investiert, stellte Asfinag-Vorstand Schedl fest. Wenn also in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Verkehrsunfälle auf den Autobahnen Österreichs stark zurückgegangen sei und sich die Zahl der Unfalltoten sogar halbiert habe, dann sei das nicht nur auf eine bessere Fahrzeug-Technologie und diverse Sicherheits-Kampagnen, sondern auch auf eine bessere Infrastruktur zurückzuführen.

Burgstaller: Umweltbelastung durch Staus enorm
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller erinnerte daran, dass der Bau der zweiten Röhre in den 80er-Jahren am Widerstand der Bevölkerung gescheitert sei. "Seit dem tragischen Unfall haben aber alle an einem Strang gezogen." Wie wichtig die zweite Röhre sei, habe erst das vergangene Pfingstwochenende gezeigt, als es wieder 25 Kilometer Stau gab. Die Umweltbelastung durch derartige Staus sei enorm, und die Arbeits- und Freizeit, die verloren gehe, sei gar nicht messbar.

Burgstaller vertrat auch die Ansicht, dass nicht der Bau der zweiten Tunnelröhre einen Anstieg des Verkehrs bewirke, sondern die zunehmende Mobilität der Menschen allgemein. Schedl meinte dazu, für den Schwerverkehr sei es völlig egal, ob es eine zweite Röhre gebe oder nicht, beim Urlauberverkehr könne es aber schon eine Rolle spielen. Allgemein erwartet er beim Verkehr auf der Tauernautobahn "keinen Sprung, aber eine normale Entwicklung".

Auf die Bedeutung für den Tourismus wies auch Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler hin, der feststellte, dass viele Menschen aus Süddeutschland oder auch Salzburg auf einen Kurzurlaub in Kärnten bisher alleine wegen des Risikos, bei der Anreise stundenlang im Stau zu stehen, verzichtet hätten. Er betonte auch, dass das Umweltentlastungspaket über 300 Millionen Euro das größte dieser Art in ganz Europa gewesen sei.

VCÖ und Umweltschützer sehen Röhre skeptisch
Differenzierter sieht der Verkehrsclub Österreich die Eröffnung der zweiten Röhre, denn damit "wird die Strecke speziell für Urlaubsverkehr attraktiver", so Martin Blum. Der Wegfall des Nadelöhrs werde dazu führen, dass mehr Autos und Lkws durch Salzburg und Kärnten fahren, und mehr Verkehr bedeute auch eine höhere Unfallgefahr. "Wichtig ist jetzt eine strenge Geschwindigkeitsüberwachung. Der VCÖ setzt sich zudem für die Umstellung der Papiervignette auf eine elektronische Vignette ein. So könnte an Stauwochenenden ein höherer Tarif verlangt werden, um Staus zu verhindern."

Othmar Glaeser, Leiter der Umweltschutz-Abteilung des Landes Salzburg, gab zu bedenken, dass die Umweltbelastung an den Hauptrouten schon jetzt in einem kritischen Bereich angelangt sei. "Derzeit gibt es zwar die Tendenz, dass die Motoren sauberer werden, die Frage ist aber, was ist schneller: Dass die Motoren sauberer werden oder der Verkehr weiter zunimmt?", so Glaeser.

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