RH empfiehlt Reform

Militärdiplomatie kostet 145.000 Euro pro Mann

Österreich
20.04.2011 11:05
Wie langsam der Bürokratie-Abbau zugunsten der Einsatzkraft im Bundesheer vorangeht, hat am Mittwoch erneut ein Bericht des Rechnungshofes aufgezeigt. Darin geht es um die Vertretungen des Bundesheeres im Ausland. Der geplante Abbau im Attachéwesen wurde nicht erreicht, bekrittelt der RH. Außerdem sind die Kosten enorm: Für die 116 Bediensteten müssen 16,8 Millionen Euro aufgewendet werden, also rund 145.000 Euro pro Mann. Der Löwenanteil fließt in die EU-Diplomatie.

"Trotz Neuordnung des Attachéwesens konnte die vom BMLVS angestrebte Personalreduktion nicht erreicht werden", beginnt der 31-seitige Bericht der Rechnungshofprüfer. Der Personalstand hat sich von 2005 bis 2009 lediglich um 19 statt um die geplanten 35 Bediensteten verringert, bezogen auf die Gesamtausgaben von 16,8 Millionen Euro für Personal- und Sachaufwand bedeutet dies jährliche Mehrausgaben von 2,3 Millionen, so der RH.

Der Überzug geht laut Ministerium auf die Neustationierung von strategisch wichtigen Attachés in Ägypten, Algerien und dem Iran sowie auf 16 Posten, die durch die Teilnahme an den EU-Battlegroups enstehen haben müssen. Diese seien aber "nicht immer tatsächlich besetzt", heißt es dazu. 

50 Bedienstete in Brüssel
Im Jahr 2009 waren jedenfalls in 23 militärischen Vertretungen im Ausland und drei Vertretungen in Wien, von wo aus sogenannte Reisediplomaten, die aus Effizienzgründen mehrere Länder bedienen, operieren, insgesamt 116 Bedienstete tätig. Die Militärvertretung Brüssel stellte im Jahr 2009 mit insgesamt 50 Bediensteten die bei Weitem größte militärische Auslandsvertretung dar. Laut Organisationsplan waren sogar 71 Arbeitsplätze vorgesehen.

Bei der Bestellung gab es hin und wieder Ungereimtheiten. Ein Beraterarbeitsplatz in Genf, der eigentlich aufgelassen werden sollte, wurde ohne Heeres-interne Ausschreibung besetzt. Außerdem gibt es großteils kein Rotationsprinzip, also ein regelmäßiges Auswechseln der Diplomaten, wie dies bei anderen Ministerien praktiziert wird.

Vergleichsland Schweden schickt acht, Österreich 24
Der RH bekrittelt auch, dass sich Österreich im Vergleich zu anderen Ländern üppige Vertretungen leistet. Von den 50 Brüssel-Stationierten waren 24 direkt als militärische Repräsentanz bei der EU und der europäischen Verteidigungsagentur sowie als NATO-Schnittstellen tätig. Schweden, dessen militärisches System auch beim Bundesheer gerne mit dem heimischen verglichen wird, entsandte hier lediglich acht Bedienstete, also ein Drittel.

Um den Schweden-Vergleich lieferten sich BMLVS und Rechnungshof im Bericht ein kleines Scharmützel. Das Ministerium entgegnet in seiner Stellungnahme lapidar: "Nach Informationen des BMLVS verfügt die militärische Repräsentation Schwedens in Brüssel über einen höheren Personalstand als Österreich." Der RH beteuert aber, dass vom schwedischen Rechnungshof im April 2011 ein weiteres Mal die niedrigeren Zahlen bestätigt wurden und fordert das Ministerium auf, wenigstens konkrete Zahlen zu nennen.

Die Unterschiede zu Schweden sind laut Verteidigungsministerium organisatorischer Natur. "Die Schweden haben ein anderes System, die wollen ihre Experten im Land behalten", erklärt Oberst Michael Bauer, Sprecher des Ministeriums. Österreich stationiere hingegen seine Militärattachés wenn möglich in dem Gebiet, für das ihre Expertise gelten soll. Lediglich Außenstellen in befreundeten Nachbarstaaten wie Ungarn und der Slowakei seien in den vergangenen Jahren aufgelassen worden.

Sinn und Zweck oft nicht nachvollziehbar
Weiters heißt es im Bericht: "Eine systematische und nachvollziehbare Gesamtanalyse der Leistungen fehlt." Dazu gehören zum Beispiel auch acht "beigeordnete Verteidigungsattachés", die 2009 Ausgaben von 716.000 Euro verursachten, also rund 90.000 Euro pro Kopf, und deren Bedarf für die Prüfer "nicht nachvollziehbar" ist. Aber auch die Leistungen der Militärdiplomaten werden hinterfragt. Laut RH besteht die Hauptaufgabe der meisten militärischen Auslandsvertretungen aus der Übersendung von Berichten. "Die einzelnen Vertretungen übermittelten dem BMLVS Berichte in jeweils unterschiedlich hoher Anzahl; im ersten Quartal 2010 übersandten sie jeweils zwischen sechs und 281 Berichte", heißt es. Im Schnitt waren es 63 Berichte pro Monat, dabei wurden aber auch Fremdberichte (Außenamt, etc.) übermittelt. Leistungsmäßig evaluiert wurden die Berichte nicht.

Zudem wird beim diplomatischer Dienst oft doppelt gemoppelt. Nach wie vor sei die Verbindung zwischen der vom Außenministerium entsandten Botschafter und Diplomaten und den Bundesheer-Attachés und ihren Mitarbeitern "ungeregelt und unregelmäßig". Eine Regelung für Weisungs- und Dienstrecht gibt es nicht, obwohl die Republiksvertreter sich großteils die Büros teilen.

486-Quadratmeter-Objekt als Residenz
Für die Infrastruktur des Attachéwesens muss das Verteidigungsministerium das Geld offenbar bergeweise herumliegen haben. Die Bediensteten im Attachéwesen lebten im Ausland in 24 Residenzen und Wohnungen bzw. wurde an 81 Bedienstete ohne Dienstwohnung ein Wohnkostenzuschuss aus einem zwei Millionen Euro schweren Zuschusstopf bezahlt. An den Zuschüssen hat der RH offenbar nichts auszusetzen, dafür setzt es aber bei den Immobilien reichlich Kritik: Von den 24 Liegenschaften (sechs Häuser und drei Wohnungen) befanden neun sich im Eigentum der Republik Österreich, die restlichen 15 Immobilien (drei Häuser, zwölf Wohnungen) wurden angemietet.

Die Größe der Residenzen überstieg teilweise die Maximal-Anforderungen von 300 Quadratmetern. Eine der zur Verfügung gestellten Behausungen war 486 Quadratmeter groß, sie konnte offenbar nicht für mehrere Zwecke benützt werden, wie das ansonsten etwa bei Botschaften üblich ist. Bei den angemieteten Objekten ortet der RH in den Verträgen, sofern sie im Ministerium überhaupt vorlagen, "vielfach nachteilige Klauseln".

Drei Jahre Miete für leere Wohnung in Ankara bezahlt
Die mitunter dreiste Art der Geldverschwendung dürfte den Hunderten Soldaten im Bundesheer, die auch acht Jahre nach der Umstellung noch keinen neuen Dienstanzug erhalten haben, sauer aufstoßen: Eine Diplomaten-Wohnung in Ankara war fast drei Jahre lang unbenützt, die 7.650 Euro Jahresmiete, also 637,50 Euro pro Monat, wurden trotzdem weiterbezahlt. Was in den Häusern und Büros der Attachés an Inventar zur Verfügung steht, ist laut RH unklar. Laut den Prüfern wurde die Gesamtrevision von vielen Einzelabteilungen vorgenommen und war daher im Vergleich zum Außenministerium viel aufwendiger - und trotzdem lückenhaft. Die Inventarlisten seien mangelhaft, dafür aber unnötigerweise mit einer Fotodokumentation der verzeichneten Gegenstände versehen.

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