Frisch, saftig, Kurz?

Wie die ÖVP ihren Zauberlehrling erklärt

Österreich
20.04.2011 09:16
Sebastian Kurz wird sich schier übernatürliche Kräfte zulegen müssen, um die auf ihn zukommenden Aufgaben zu bewältigen. Darüber sind sich die meisten Beobachter einig. Die Zweifel am erst 24 Jahre jungen Politiker, der beim Thema Integration reüssieren soll, sind dennoch groß. "Er ist umstritten, aber das macht nichts", entgegnete ihnen der designierte Vizekanzler Michael Spindelegger am Mittwochvormittag. Und derart kreative Erklärungen liefern die Parteigranden derzeit am laufenden Band...

Dass er das neue Integrationsstaatssekretariat - einen politischen Meilenstein in Österreich - mit einem Jungpolitiker besetzt, der sich bei diesem Thema bisher nur mit einer einzigen mageren Wortspende hervorgetan hat, ist Spindelegger bei den Kommentatoren in den Mittwochsausgaben der heimischen Zeitungen gleich mehrfach um die Ohren geflogen.

Von einer Verkennung der Wichtigkeit des Integrationsthemas bis hin zur "Verarschung" durch die Nominierung eines "Profilierungsneurotikers", der mit seinem "Schnösel-Faktor" aber nur den "SPÖ-Yuppies" Paroli bieten solle, ist die Rede. Kurz sei ein "publikumswirksames Feigenblatt" und zu jung, um ihm das entsprechende Fingerspitzengefühl abverlangen zu können.

In der Mittwoch-"Krone" bezeichnet Claus Pándi Sebastian Kurz als einen "Denkfehler". "Jenen, dass eine Regierung für einen Neustart unbedingt einen PR-Gag braucht. Was dabei herauskommt, sollte die ÖVP nach ihren Erfahrungen von Kdolsky bis Bandion wissen." Die an sich richtige Idee des Integrationsstaatssekretariats sei von der ÖVP hiermit "verschenkt" worden: "Aber vielleicht ist Sebastian Kurz ein Genie, von dem allein Spindelegger weiß."

Spindelegger: "Kein Training on the Job"
Und was antwortet der Parteichef? "Geben wir einem jungen Menschen eine Chance", meinte Spindelegger Mittwoch früh in einem Interview mit Radio Ö1. Der Frage, ob man bei Kurz ein "Training on the Job" wie bei einem Lehrling durchführe, begegnet Spindelegger mit der Erklärung, dass auch vor Kurz noch niemand ein Integrationsstaatssekretariat zu führen hatte. Also frei nach dem Motto: Da die Sache an sich ganz neu ist, würden die Faktoren Erfahrung und Alter dadurch weniger bedeutend.

Dann rattert Spindelegger die Argumente herunter, die schon am Tag zuvor seine Parteikollegen abspulten: Kurz sei jung, spreche "die Sprache der jungen Menschen" und "wird seinen Job machen".

Blumige Wortspenden der Parteigranden
Auf die Zuversicht versuchten sich auch die ÖVP-Funktionäre am Dienstag zu versteifen. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer meinte, Kurz werde "Frische und Unkonventionalität in die Arbeit einbringen" und könne "unbelastet" an diese herangehen. Ein "spannendes Signal" ist Kurz für die Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek. Wenn die Wiener Funktionäre dann von "gut für den urbanen Raum" sprechen, meinen sie damit aber vor allem, dass ein Mitglied ihrer bei der letzten Landtagswahl abgestürzten Landes-ÖVP in der Regierung sitzt und für sie wahlkämpfen kann.

"Junge Menschen dürfen mit 16 Jahren wählen, dann müssen sie wohl mit 24 Jahren auch politisch arbeiten dürfen", legte am Mittwoch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll nach: "Auch Andreas Maurer war damals mutig, als er mir mit 33 Jahren in der Landesregierung eine Chance gegeben hat."

Etwas weniger optimistisch klang der um sein steirisches Regierungsmitglied (Reinhold Lopatka) geprellte Landesparteichef Hermann Schützenhöfer: "Wenn der neue ÖVP-Chef meint, mit diesem Team 2013 Nummer eins zu werden, soll es mir recht sein." Der burgenländische ÖVP-Chef Franz Steindl, der mit Kurz gerne ein Schnäpschen trinkt, finden das ÖVP-Team "neu und schlagkräftig". Vorarlbergs Landeshauptmann und Landes-VP-Chef Herbert Sausgruber rät der Regierungsriege zu "solider Arbeit".

Politologen: Berufs- und Lebenserfahrung ist Hauptproblem
Bei den Politologen erzeugte die Ernennung von Kurz gemischte Kommentare. Es sei gar nicht so sehr das Alter die Frage, sondern ob er genug Berufs- und auch Lebenserfahrung für so einen Job mitbringe, erklärt Peter Hajek. Sein Kollege Thomas Hofer sieht das ähnlich: Von der Signalwirkung Richtung junge Wähler her sei das "nicht blöd gedacht", es gebe aber potenzielle "Fallstricke". Kurz für so einen Posten sei ein "Hochrisikospiel" - nicht wegen des Alters, sondern weil er nicht wirklich Erfahrung habe. Gerade beim Thema Integration werde jedes Wort auf die Waagschale gelegt, Fingerspitzengefühl sei für eine derartige Position gefragt.

Außerdem stehe der Jungpolitiker damit als einer der Ersten an der Front gegen die FPÖ, die bei den Themen Asyl und Integration massiv Druck auf die Volkspartei mache. Bezüglich der ideologischen Positionierung gebe es Signale in mehrere Richtungen, analysiert Hofer. Er erwarte eine Fortsetzung des rigiden Kurses im Innenministerium, aber der neue Staatssekretär für Integration lasse die Frage offen, ob es auch liberalere Töne geben wird.

Keine Erfahrung, aber Herz am rechten Fleck
Die wohl "herzhafteste" Erklärung für Kurz' Nominierung lieferte der Präsident des Österreichischen Cartellverbandes, Matthäus Metzler. Er freut sich über nicht weniger als sechs Regierungsmitglieder aus Studentenverbindungen seines Verbands (das sind Spindelegger, Reinhold Mitterlehner, Niki Berlakovich, Wolfgang Waldner, Karlheinz Töchterle und auch Kurz) und erwartet sich "christlich-soziales Wertebewusstsein, Authentizität und Nähe zu den Menschen". Zu Kurz heißt es: "Er hat keine Erfahrung, aber das Herz am rechten Fleck."

Sebastian Kurz selbst hat sich nach seiner offiziellen Präsentation noch nicht öffentlich geäußert. Bis zu ihrer Angelobung am Donnerstagvormittag bei Bundespräsident Heinz Fischer haben die neuen Minister und Staatssekretäre Redeverbot.

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