Regierungsteam neu

Frauenpower und illustre Neuzugänge an der ÖVP-Spitze

Österreich
20.04.2011 07:59
Überraschungen gab es keine mehr, aber dennoch Sensationen: Neo-ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat am Dienstagnachmittag sein in Rekordzeit aufgestelltes Regierungs- und Parteiführungsteam präsentiert. Wie von "Krone" und krone.at vorab berichtet, setzt Spindelegger auf ein Frauen-Trio in den Schlüsselministerien Inneres, Finanzen und Justiz. Die spektakulärste Personalie ist aber der erste Staatssekretär für Integration in der Geschichte der Republik: JVP-Obmann Sebastian Kurz, 24 Jahre jung.

Spindelegger hebt mit seinem Regierungsteam die Frauenquote zwar nicht an, dafür gibt er aber die zentralen Ministerposten in weibliche Hände. Das Finanzressort wird von der bisherigen Innenministerin Maria Fekter übernommen, die niederösterreichische Landesrätin Johanna Mikl-Leitner wird Innenministerin, und Beatrix Karl wechselt vom Wissenschaftsministerium ins Justizressort. Die bisherige Justizministerin, BAWAG-Richterin Claudia Bandion-Ortner, räumt den Sessel und wird wohl wieder an ein Gericht zurückkehren.

Neu in der Regierungsmannschaft sind weiters der bisherige Rektor der Innsbrucker Universität und einst glücklose Grünen-Kandidat, Karlheinz Töchterle, als Wissenschaftsminister. Der Wiener MuseumsQuartier-Chef Wolfgang Waldner wird als Quereinsteiger Staatssekretär von Spindelegger im Außenministerium.

Tiroler Rauch wird Generalsekretär
Aus der Regierung scheiden neben Bandion-Ortner auch Reinhold Lopatka und Verena Remler, deren Staatssekretariate im Finanz- bzw. Wirtschaftsministerium aufgelöst werden. Lopatka gab sich bei seinem Eintreffen zur Vorstandssitzung am Dienstag locker: "Sehe ich enttäuscht aus?", meinte er auf entsprechende Fragen. Er wird wahrscheinlich in den Nationalrat zurückkehren.

Reinhold Mitterlehner und Niki Berlakovich bleiben indes unverändert Wirtschafts- bzw. Landwirtschaftsminister. Mangels Post-Pröll-Alternativen behält auch Karlheinz Kopf seinen Job als ÖVP-Klubchef im Parlament. In den Parteigremien wird ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger, der am Montag zurücktrat, vom bisherigen Hauptgeschäftsführer der Tiroler ÖVP, Johannes Rauch, ersetzt, der früher einmal Pressesprecher der Innenminister Ernst Strasser und Liese Prokop war. Rauch gilt als Zugeständnis an die Tiroler VP.

Spindelegger: "Handverlesene Persönlichkeiten"
Parteichef Spindelegger sprach - nicht nur bei Jungstaatssekretär Sebastian Kurz - von einer "außergewöhnlichen Lösung". Bei der Pressekonferenz in der ÖVP-Akademie am Dienstagnachmittag bemühte sich der neue Obmann redlich klarzustellen, dass die nun gefundene Regierungsmannschaft tatsächlich die erste Wahl sei. Absagen seien "nicht einmal an einer Hand abzuzählen". Es habe freilich welche gegeben, die nur sich selbst gefragt und dann abgesagt hätten, spöttelte der ÖVP-Obmann indirekt über den Europaabgeordneten Othmar Karas der am Montag ohne entsprechende Anfrage ein Regierungsamt dementiert hatte.

Er habe ein Pouvoir bei der Personalauswahl bekommen und dieses genützt, um ein Team mit "handverlesenen Persönlichkeiten" zu gestalten. Dass der Bauernbund u.a. mit Kaltenegger Posten im Team der ÖVP verloren hat und jetzt nur mehr Landwirtschaftsminister Berlakovich hält, wollte Spindelegger nicht direkt kommentieren: "Ich weiß, dass viele nicht zufrieden sind", hielt sich der künftige Vizekanzler eher allgemein. Zusagen, dass der Bauernbund bei künftigen Personalia wieder verstärkt zum Zug kommen soll, habe es nicht gegeben.

Spindelegger sieht Mikl als Erfahrene, Kurz als Chance
Sein künftiges Team lobte Spindelegger über den grünen Klee. Die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bringe acht Jahre Regierungserfahrung aus Niederösterreich mit. Sie stehe für "entsprechende Härte, aber auch das nötige politische Gespür". Ihr Staatssekretär Sebastian Kurz wiederum sei jemand, der im urbanen Feld groß geworden sei und wisse, was Interkulturalität bedeute. Dass er mit 24 noch sehr jung sei, um die schwierigen Integrationsaufgaben zu übernehmen, sei gerade eben eine Chance.

Zum neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle führte Spindelegger aus, dass er als Wissenschafter und Universitätspolitiker weit über die Grenzen Tirols hinaus bekannt sei. Zudem bringe der Innsbrucker Rektor auch politische Erfahrung mit, wenngleich nicht aus der ÖVP, erkannte Spindelegger eine Öffnung der Partei. Töchterle hatte einst für die Grünen kandidiert. Von seinem eigenen Staatssekretär Wolfgang Waldner erwartet sich der Außenminister, dass der bisherige Museumsquartier-Chef seine Kulturkenntnisse einbringen werde. Vor allem dürfte er aber in Vertretung Spindeleggers häufig auf Reisen gehen. Waldner werde ein "Staatssekretär sein, der die Koffer ständig gepackt hat".

"Maria Fekter ist es nicht gewohnt, belohnt zu werden"
Als Zeichen für die "Frauenpower" in seinem Team sieht der neue ÖVP-Chef auch jene beiden Ressortchefinnen, die das Ministerium gewechselt haben. Finanzministerin Maria Fekter werde ein Kernressort für die ganze Republik übergeben. Ihr traut Spindelegger den Abbau des Schuldenbergs zu. Gefragt, ob der Aufstieg von Fekter zur Finanzministerin eine Belohnung sei, antwortete Spindelegger zur Belustigung der Zuhörerschaft mit den Worten: "Maria Fekter ist es nicht gewohnt, belohnt zu werden."

Dass Wissenschaftsministerin Beatrix Karl ins Justizministerium wechselt, begründete Spindelegger mit ihrer Ausbildung als Juristin und der politischen Erfahrung, die sie in den vergangenen Jahren gesammelt hatte. Als ihre ersten Aufgaben sieht der VP-Obmann die neuen Antikorruptionsregelungen und das Lobbyistenregister.

Von den neuen Ministern selbst gab es am Dienstag noch keine Ansagen. Ihre Angelobung bei Bundespräsident Heinz Fischer ist für Donnerstagvormittag anberaumt.

Familien-Themen werden zur Chefsache
Dass die Familienagenden in der "Familienpartei" ÖVP nun keinen Staatssekretär mehr haben, lässt Spindelegger nicht als Vorwurf gelten. Er werde sich persönlich um das Thema Familien kümmern. "Familien sind Chefsache in der ÖVP", so Spindelegger. Formal ressortieren die Familienagenden aber weiter im Wirtschaftsministerium bei Reinhold Mitterlehner.

Über die schlechten Umfragewerte der ÖVP will er sich nicht allzugroße Gedanken machen. Er werde vor dem Parteitag am 20. Mai eine Tour durch Österreich machen und dabei die neue inhaltliche Positionierung der ÖVP ausloten. Am Parteitag werde es nicht nur um seine Wahl als Parteiobmann gehen, sondern auch um eine inhaltliche Positionierung. "In ein paar Monaten schaut es dann wieder anders aus", so Spindelegger zu den Umfragewerten.

Reaktionen: Spott und Hohn über 24-jährigen Staatssekretär
Die Nominierung von Sebastian Kurz als im Innenministerium angesiedelten Integrationsstaatssekretär sorgte am Dienstag für die heftigsten Rückmeldungen - auch innerparteilich. Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhofer meinte vor der Vorstandssitzung, wenn der neue ÖVP-Chef Spindelegger meine, mit diesem Team 2013 Nummer eins zu werden, "soll es mir recht sein". Als "extrem mutig" bezeichnete die Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek - Gerüchten zufolge ist sie gemeinsam mit Beamten-Gewerkschafter Fritz Neugabeuer nach wie vor auf der Abschussliste - den personell "weitreichenden Umbau" von Spindelegger.

Auf den Social-Networking-Plattformen begannen die Anti-Kurz-Gruppen schon ab Dienstagvormittag zu sprießen. Die Facebook-Initiative "Kurz als Integrationsstaatssekretär? - NEIN DANKE!!" generierte bis Dienstagabend mit 4.309 Anhängern mehr Fans als das eigene Profil des Jungpolitikers. Tenor der Kritiker: zu jung, zu unerfahren. Den muslimischen Pfadfindern war die Kurz' Kür hingegen eine Aussendung mit dicken Vorschusslorbeeren wert. "Wir konnten uns in jahrelanger Zusammenarbeit davon überzeugen, dass er die richtigen Voraussetzungen für die Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe mit sich bringt", heißt es in der Mitteilung. Auch die Studentenverbindung Österreichischer Cartellverband gratulierte Kurz - und ihren weiteren Mitgliedern Spindelegger und Töchterle.

Spott kam wiederum von FPÖ, BZÖ und Grünen: Die Ernennung eines 24-jährigen Studenten zum Staatssekretär zeige, wie dünn die Personaldecke der ÖVP sei, erklärte die FPÖ-Abgeordnete Carmen Gartelgruber. Parteichef Heinz-Christian Strache sprach von einem "Linksruck" in der ÖVP. Grhabe, mit dieser Aufgabe zu betrauen, und obendrein eine "absolute Geringschätzung" des Themas Integration. Für Alev Korun ist Kurz ein "Geile-Sprüche-Klopfer". BZÖ-Chef Bucher sprach von Spindelegger nur mehr als "der neue Superpraktikant Erwin Prölls", das gesamte Regierungsteam sei "das letzte Aufgebot" nach einer Reihe von Absagen, eine "reine Beamtenregierung" mit "konservativen Betonierern" und "Stillstandswahrern", so Bucher.

Mikl-Leitner für Opposition "Hardlinerin" und "Manndeckung"
An der neuen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gab es ebenfalls gleich im Vorhein Kritik. Spindelegger habe mit ihr und Fekter nun zwei "Hardlinerinnen" im Team, analysierte Glawischnig. BZÖ-Chef Josef Bucher argwöhnte, Mikl-Leitner solle wohl als "Manndeckung" dafür sorgen, dass Erwin Prölls Vorgaben "blitzschnell" umgesetzt werden.

Niederösterreichs Landeshauptmann, der beim "Teambuildung" Spindeleggers die Fäden zog, gab zu Protokoll, dass er die Regierungsbildung mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolge. Denn er müsse eine seiner längsten und verlässlichsten Mitarbeiterinnen ziehen lassen, erklärte der Landeshauptmann zum Wechsel von Landesrätin Mikl-Leitner ins Innenministerium. Sie nach Wien gehen zu lassen, sei ihm nicht leicht gefallen.

Studenten erhoffen sich Polit-Wende durch Töchterle
"Für Karlheinz Töchterle als neuen Wissenschaftsminister liegt die Latte nach den VorgängerInnen Gehrer, Hahn und Karl nicht sehr hoch - eine viel schlechtere Performance kann man nicht leisten", begrüßte ÖH-Chefin Sigrid Maurer den designierden Wissenschaftsminister am Dienstag. "Wir erleben nun den dritten Minister innerhalb von zwei Jahren und erwarten uns endlich Taten anstatt reiner Ankündigungspolitik." Töchterle kenne die Zustände an den Universitäten. "Wir erwarten uns, dass er Studierende nicht als Problem begreift und Politik im Sinne der Studierenden macht."

Die Rektoren sehen den neuen Wissenschaftsminister als Verbündeten. Töchterle wisse, wie der Hase läuft und müsse sich nicht einarbeiten, hieß es. Der Chef der Uni-Konferenz, Hans Sünkel, ortet im zum Beschluss anstehenden Bundesfinanzrahmen eine "historische Chance für die neue Bundesregierung".

Großes Abwarten bei Fekter, Karls Wechsel wird bejubelt
Die Resonanz auf Neo-Finanzministerin Maria Fekter hielt sich am Dienstag in Grenzen. Formal kann der bisherigen Innenministerin im Vorhinein auch kaum etwas vorgehalten werden. Sie selbst sagte erst vergangenen Freitag: "Ich bin Juristin und studierte Betriebswirtin, habe Steuerlehre, Prüfungswesen studiert, also eigentlich das Fach, das man für die Finanzen braucht."

Die größte Zustimmung hat von allen ÖVP-Regierungsmitgliedern Beatrix Karl erhalten. Die frühere Rechtsprofessorin an der Grazer Karl-Franzens-Universität entlockte gar den Rechtsanwälten am Dienstag Begeisterungsstürme. Karl sei "uneingeschränkt zu begrüßen", eine "profunde Juristin und Wissenschafterin" mit der nötigen politischen Erfahrung. Man sei sich "sicher", dass sie die großen Probleme gemeinsam mit den Ministeriums-Beamten "ohne Verzug in Angriff nehmen wird und bewältigen kann", gab es am Dienstag viel Vorschuss-Lob vom Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Gerhard Benn-Ibler.

"Völlig unvoreingenommen" steht Richter-Präsident Werner Zinkl der neuen Justizministerin gegenüber. Er werde sie "an ihren Taten messen" - und da erwartet er einiges: Um das Ansehen der Justiz wieder zu heben, sollte sie einen "Rat der Gerichtsbarkeit" einrichten und auf das Weisungsrecht oder weitergehende Kontrollen gegenüber Staatsanwälten verzichten. Außerdem müsse die interne Kommunikation wieder besser werden.

Faymann begrüßt rasche Regierungsumbildung
Bundeskanzler Werner Faymann begrüßte die rasche Regierungsumbildung auf Seiten des Koalitionspartners und meinte, damit werde "gewährleistet, dass wir unsere Arbeit im Interesse der Stabilität Österreichs fortsetzen können." Die SPÖ hat keine Einwände gegen die Personalveränderungen des Regierungspartners.

Die Regierung wird in der neuen Besetzung erstmals am Mittwoch nach Ostern zusammentreten - zunächst zu einem Festakt auf dem Wiener Heldenplatz anlässlich des Jahrestages der Wiedererrichtung der Republik und danach zum regulären Ministerrat im Kanzleramt. Die nächste Nationalratssitzung findet am 28. April statt.

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