Bizarres Verhalten

Tokio: Ansturm auf Markt mit Obst aus Fukushima

Ausland
13.04.2011 07:34
Ein ungewöhnliches Verhalten legen die Japaner bisweilen angesichts der Atomkatastrophe von Fukushima an den Tag. Ein eigens dafür eingerichteter Markt in Tokio verkaufte am Dienstag Obst und Gemüse aus der AKW-Region - als Zeichen der Solidarität mit den durch den Atomunfall betroffenen Bauern. Die Waren fanden reißenden Absatz. Indes hat am Mittwoch erneut ein starkes Beben der Stärke 5,8 Fukushima und benachbarte Regionen heimgesucht. Über mögliche Schäden oder Verletzte lagen zunächst keine Informationen vor.

"Die Produkte vom Bauernhof waren innerhalb einer Stunde ausverkauft", freute sich Hiroyuki Watanabe, der Vertreter der Stadt Iwaki, die die Aktion organisiert hatte. Alle angebotenen Obst- und Gemüsesorten seien getestet worden, um sicherzugehen, dass sie nicht radioaktiv belastet seien.

Die Regierung hatte kürzlich ein Verkaufsverbot für bestimmte Gemüsesorten aus vier Präfekturen um das Atomkraftwerk Fukushima wieder aufgehoben.

Psychologin: "Schwere seelische Schäden"
Unterdessen rechnet die Umweltpsychologin Anke Blöbaum wenn nicht mit zwangsläufig körperlichen, so doch mit tiefgreifenden seelischen Folgeschäden in der japanischen Bevölkerung. Für Westeuropäer sehe das Verhalten der Japaner angesichts des GAUs zwar wie "Gelassenheit und Gleichmütigkeit" aus, sagte die Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Umwelt- und Kognitionspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Dies sei aber eher eine Frage kultureller Unterschiede und unterschiedlicher Wertesozialisation.

"Bei uns sind persönliche Werte eine starke Triebfeder für Verhalten, egal was alle anderen sagen", während es sich in Japan "nicht schickt, sich in der Öffentlichkeit emotional gehen zu lassen". Andererseits lebe in Japan derzeit eine "relativ starke Protestbewegung auf", und dieser Anti-Atom-Protest könnte angesichts der üblichen japanischen Zurückhaltung "viel heftiger" wahrgenommen werden als ein Protest hierzulande, sagte Blöbaum.

Ignoranz als Bewältigungsstrategie
Dass der Atomunfall in Japan trotz der ungebannt großen Gefahr nicht mehr die größte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Blöbaum zufolge der Hinweis auf eine Bewältigungsstrategie der mit extrem bedrohlichen Ereignissen konfrontierten Menschen. "Das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass die Leute das gar nicht schaffen, so ein extrem bedrohliches Ereignis so lange konstant im Bewusstsein zu behalten", sagt die Psychologin. Zumal es auch keine "konkreten Handlungsempfehlungen" gebe, "was die Menschen machen sollen".

Eine Möglichkeit sei in einem solchen Fall eine passive Bewältigungsstrategie: "Verdrängen, ignorieren, Informationsfluss abschalten."

Regierung prüft Teilverstaatlichung von AKW-Betreiber
Unterdessen prüft die japanische Regierung angeblich die Aufspaltung und teilweise Verstaatlichung des Betreibers des havarierten AKWs Fukushima. Eine abgetrennte Sparte des Energiekonzerns Tepco (kurz für Tokyo Electric Power Company) könnte das AKW weiter betreuen und mit staatlichen Mitteln finanziert werden, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji am Dienstag.

Zu den Aufgaben der neu zu gründenden Tepco-Sparte würden der weitere Kampf gegen die Atom-Katastrophe sowie die Leistung von Entschädigungszahlungen gehören, hieß es aus Insiderkreisen in Tokio. Entsprechende Pläne würden derzeit geprüft. Der übrige Teil von Tepco bliebe an der Börse notiert.

Wegen der fast aussichtslosen Lage am AKW Fukushima und erwarteten Forderungen in Milliardenhöhe war in den vergangenen Wochen immer wieder über eine Verstaatlichung des Atomgeschäfts von Japans größtem Energieversorger spekuliert worden.

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