Hausdurchsuchungen

Razzia in Neonazi-Szene: Küssel in Wien verhaftet

Österreich
12.04.2011 10:33
Knalleffekt in den Ermittlungen zu der auf US-Servern gehosteten und vor Kurzem gelöschten rechtsradikalen Website "alpen-donau.info": Bei einer Kommandoaktion am Montagabend in Wien wurde die mutmaßliche Neonazi-Größe Gottfried Küssel wegen des Verdachts der Wiederbetätigung verhaftet. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, mit dem Rechtsextremisten und einer zweiten verhafteten Person die Hintermänner der Website erwischt zu haben. Küssel drohen damit erneut bis zu zehn Jahre Haft, der 52-jährige Wiener war bereits 1993 zu zehn Jahren verurteilt worden.

Nur Stunden nach der Ankündigung von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, ihr Weisungsrecht bei "Fällen besonders öffentlichen Interesses" gegenüber der Staatsanwaltschaft auszuüben (siehe auch Story in der Infobox), kam es zum Großschlag gegen die rechtsradikale Szene. Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung rückten gemeinsam mit Cobra-Elitepolizisten im Auftrag des Wiener Landesgerichts aus, wie die "Krone" berichtete.

"Bis Mitternacht" habe man an insgesamt sechs Standorten in Wien und in der Steiermark Hausdurchsuchungen durchgeführt, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Vecsey, am Dienstag. Dabei hätten die Ermittler Unterlagen, Computer, Datenträger, Waffen und NS-Devotionalien beschlagnahmt.

"Alter Bekannter" im Neonazi-Milieu
Im Visier der Ermittlungen steht mit Gottfried Küssel ein "alter Bekannter" im Neonazi-Milieu. Für den Ex-Chef der in den 90ern verbotenen VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition) klickten am Montagabend in Wien die Handschellen. Dem 52-Jährigen – es gilt die Unschuldsvermutung – drohen wegen Wiederbetätigung bis zu zehn Jahre Haft. Er leugnet alles. Auch ein zweiter Verdächtiger wurde festgenommen, dessen Identität aber bisher nicht preisgegeben wurde.

Behörden hackten Neonazi-Website
Vor ihrem Zugriff hatten die österreichischen Behörden in Kooperation mit ihren US-Kollegen die Zugangscodes zum Server der Homepage "alpen-donau.info" eruiert und alle Vorgänge auf der inzwischen gelöschten Website beobachtet, hieß es von der Staatsanwaltschaft Wien. Während in einer ersten Phase im Oktober 2010 mit 13 Hausdurchsuchungen zunächst gegen die auf der genannten Homepage postenden Personen vorgegangen wurde, könnten nach Auswertung weiterer Ermittlungsergebnisse nun auch die Hintermänner der Homepage gezielt verfolgt werden.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, mit dem Rechtsextremisten Küssel und der zweiten verhafteten Person "die Richtigen" erwischt zu haben, es könnte aber noch weitere Hintermänner geben, so Behördensprecher Vecsey. Die beiden würden nun befragt, die beschlagnahmten Gegenstände ausgewertet, dann werde über weitere Schritte entschieden.

Löschung der Seite Rückschlag für Ermittlungen
Kritik übte die Staatsanwaltschaft an "nicht vollständig informierten Personen", die mit der "öffentlichkeitswirksamen Diskussion von Verdachtslagen oder nicht öffentlichen Verfahrensdetails den Erfolg des Ermittlungsverfahrens erheblich gefährdet" hätten. Es habe aus kriminaltaktischen Gründen nicht im Interesse der Ermittlungsbehörden liegen können, die immer wieder geforderte Sperre von "alpen-donau.info" zu verfügen. Die kürzlich erfolgte Löschung der Seite habe ganz im Gegenteil ermittlungstaktisch einen Rückschlag dargestellt.

Dass die Seite Ende März stillgelegt worden war, hatten sich der Rechtsanwalt Georg Zanger und der Datenforensiker Uwe Sailer auf ihre Fahnen geheftet. Sie hatten nach eigenen Angaben codierte E-Mails verschickt, eines war an den Tiroler FPÖ-Abgeordneten Werner Königshofer ergangen und kurz darauf auf der Neonazi-Seite aufgetaucht (siehe Bericht in der Infobox). Königshofer bestritt die Weiterleitung vehement, Zanger und Sailer sahen aber einen Zusammenhang zur FPÖ erwiesen und erstatteten Anzeige. Kurz darauf ging die Homepage vom Netz. "Sie sind hypernervös", meinte Sailer damals. "Für sie ist diese Website verwanzt."

"Nichts mit Bandion-Ortners Weisung zu tun"
Bandion-Ortner zeigte sich am Dienstagvormittag über die Verhaftung Küssels erfreut. Auf die Frage, ob dies schon ein Erfolg ihrer Forderung nach einer forscheren Gangart der Staatsanwaltschaften vom Vortag sei, sagte sie am Rande des EU-Justizministerrats in Luxemburg: "Ich begrüße das Tempo sehr." Wie es konkret weitergeht, könne sie nicht sagen, "ich bin nicht der Staatsanwalt". Sie habe jedenfalls "gestern Anweisung gegeben, dass ich innerhalb von drei Monaten die Enderledigung haben will. Das Verfahren dauert schon relativ lang. Es zeigt sich aber, dass etwas weitergeht, wie man sieht, auch in solchen Fällen", so Bandion-Ortner.

In der Vergangenheit war den Behörden in der brisanten Causa von Kritikern mangelnde Ermittlungsverve vorgeworfen worden, und erst am Montag hatte Bandion-Ortner einen Bericht der Staatsanwaltschaft binnen zwei Wochen eingefordert. Mit dem Auftritt der Ministerin habe der Einsatz am Montagabend aber sicher nichts zu tun gehabt, betonte Staatsanwaltschafts-Sprecher Vecsey. "So eine Aktion muss von langer Hand geplant sein." Immerhin seien über 40 Ermittler gleichzeitig im Einsatz gewesen. Mit den Hausdurchsuchungen am Montag gab es seit Ende Oktober damit schon mehr als 20 Razzien in der einschlägigen Szene.

Der 52-jährige Wiener Küssel (Porträt in der Infobox) war 1993 wegen Wiederbetätigung zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Seit seiner Freilassung tauchte Küssel oft bei rechtsextremen Treffen auf, so etwa 2007 in Jena, 2008 in Dortmund oder 2009 auf dem Kärntner Ulrichsberg.

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