Burgstaller-Notstop

Beinahe-Festspiel-Redner Jean Ziegler und die Diktatoren

Salzburg
09.04.2011 11:15
Fast vier Monate dauert es noch bis zur Eröffnung der Festspiele am 27. Juli, aber für Aufregung sorgen sie unfreiwillig schon jetzt. Denn Landeschefin Gabi Burgstaller zog bekanntlich die Notbremse und lud den geplanten Eröffnungsredner Hans Ziegler kurzerhand aus, der sich selbst Jean nennt und als Deutschsprachiger nur Französisch schreibt. Mehr hat es nicht gebraucht: Die Grünen wittern einen ausgemachten Skandal, darum baten ihn Astrid Rössler und Cyriak Schwaighofer als Redner zu einer "Gegenveranstaltung" – und stellen sich ins Diktatoren-Eck.

Doch der Reihe nach: Die Landeshauptfrau selbst hatte Ziegler als Festredner ins Spiel gebracht. Weil er in seinen Büchern die Affäre um Nazi-Raubgold bei Schweizer Banken aufgezeigt hatte. Er prangert zudem den haarsträubenden Frevel an, für Biosprit Lebensmittel zu Treibstoff zu verarbeiten und zu verbrennen, während Millionen Menschen in der Dritten Welt vom Hungertod bedroht sind. Brennende Themen also – die Rede sollte heißen: "Der Aufstand des Gewissens". Ziegler schwärmte in einem Interview schon von den Festspielen: "Sie sind ein fantastisches Podium. Ich wollte über die kannibalistische Weltordnung sprechen und über die Bewusstsein erweckende Rolle der Kunst", tönte er.

Warner überzeugten Burgstaller
Als der libysche Diktator Muammar Gadafi heuer mit mörderischem Terror auf sein Volk losging, um eine friedliche Revolution niederzumetzeln, meldeten sich bei Burgstaller besorgte Warner. Denn Ziegler wird ein Naheverhältnis zu Gadafi nachgesagt. Burgstaller selbst prüfte das im Internet nach. Und zog die Reißleine, um einen schweren Imageschaden von den Festspielen abzuwenden. Der hätte gedroht, wie ein Blick aufs Internet-Lexikon Wikipedia beweist. Ziegler war nicht nur mit den französischen Literaten Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir befreundet, sondern auch mit dem Links-Revoluzzer Che Guevara, den er als Chauffeur in der Schweiz bei einem UN-Gipfel führte und danach nach Kuba begleiten wollte. "Der Kopf des Monsters ist hier", soll ihm Che gesagt haben. "Hier ist dein Platz, hier musst du kämpfen."

Publizist: "Anbeter" Castros und "Pantoffellecker" Gadafis
Der Schweizer lehnte die "Terrorstaaten" im früheren Ostblock ab, aber er nennt sich selbst "Kommunist", lobt Kubas Regierung unter Fidel Castro für gute Politik bei Ernährung, Gesundheit und Bildung und attackiert Israel wegen der Politik in Palästina. Als Ziegler 2008 in den beratenden Ausschuss des UN-Menschenrechtsrates berufen wurde, setzte es deshalb schärfste Kritik von Ronald Lauder. Ziegler sei "selbst ernannter Menschenrechtsaktivist" und als "Unterstützer von Diktatoren wie Colonel Gadafi in Libyen, Robert Mugabe in Simbabwe und Fidel Castro in Kuba bekannt". Der frühere Chef der französischen Zeitung Le Monde, Luc Rosenzweig, sagte, Ziegler sei "al-Gadafi und Castro zu Dank verpflichtet" und nannte ihn einen "Anbeter" Castros und "Pantoffellecker" Gadafis.

Rede-Marathon besser gleich abschaffen?
Dass er vom libyschen Diktator einen Menschenrechtspreis (!) erhielt und die fragwürdige Ehrung "Nobelpreis der Dritten Welt" bezeichnet habe, bestreitet Ziegler. Doch solche Kritik kratzt den Schweizer Soziologen wenig – er wettert, dass Sponsoren der Festspiele auf seine Ausladung bestanden hätten. Ziegler maulte über die "Geldsäcke" und über "lausige Vorwände", um seine Rede zu verhindern. Auch das ist kein Wunder: Diese Aufregung kommt ihm gerade Recht, weil er ein neues Buch fertig hat und fleißig die Werbetrommel rühren kann. Unschuldig zum Handkuss kommen die Festspiele. Sie sollten vielleicht doch ihre Festredner selbst aussuchen, wie es Landes-Vize Wilfried Haslauer vorschlägt – oder auf den antiquierten Rede-Marathon zu Eröffnung gleich verzichten.

von Robert Redtenbacher, Kronen Zeitung

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