Unvereinbarkeit?

SPÖ-Mann Jarolim wegen Anfragen im Lobby-Eck

Österreich
07.04.2011 14:27
Ein Brief aus einem Forschungsinstitut, in dem die Dienste des SPÖ-Justizsprechers Hannes Jarolim als Rechtsanwalt mehreren Druckerei-Konzernen zur Eroberung des "lukrativen Marktes" in Österreich empfohlen werden, lässt jetzt auch über den Sozialdemokraten den "Tango Korrupti" erklingen. Jarolim könnte zwei parlamentarische Anfragen zum Thema Staatsdruckerei als Lobbyist gestellt haben, lauten die Vorwürfe. Die Sache ist insofern pikant, als dass Jarolim Korruption witterte und es dabei just um Ex-Innenminister Ernst Strasser ging. Der SPÖ-Mandatar ortet eine Retourkutsche der ÖVP.

In der Donnerstagsausgabe der "Presse" wurde die Causa samt Instituts-Schreiben (mehr dazu siehe weiter unten) publik. Die Quellen dafür sind nicht bekannt. Die dargestellte schiefe Optik lässt aber den Verdacht zu, Jarolim könnte in seinem seit Jahren andauernden Kampf gegen die Privilegien der privatisierten Staatsdruckerei vielleicht auch auf den einen oder anderen "Deal" für seine Kanzlei aus gewesen sein. Und dass er diesen - im Sinne der Marktliberalisierung durchaus hehren - Kampf nicht nur im Rahmen seines politischen Auftrages als Abgeordneter ausficht.

Wie man seit der jüngsten Debatte um die laxen Anti-Korruptions-Bestimmungen für Abgeordnete weiß, ist es aber grundsätzlich nicht strafbar, mit einer parlamentarischen Anfrage wirtschaftlichen Interessen eines Dritten dienlich zu sein bzw. sich sogar dafür bezahlen zu lassen. Eine Unvereinbarkeit des Mandats mit dem Nebenberuf, also ein moralisches Vergehen, kann man aber allemal vorwerfen.

Jarolim beteuert, keinesfalls als Lobbyist gehandelt zu haben: "Ich bin Parlamentarier, um öffentliche Interessen zu vertreten. Und wenn es darum geht, ein Monopol abzustellen, dann ist das das Vertreten von öffentlichem Interesse. Da war kein persönliches ökonomisches Anliegen dahinter, sondern ein reines Sachanliegen", so der SP-Justizsprecher am Donnerstag.

Zwei Anfragen zu Staatsdruckerei und Strasser
Aber der Reihe nach: In der Causa geht es um zwei parlamentarische Anfragen Jarolims an Innenministerin Maria Fekter. Die eine stammt bereits vom 10. September 2009 und die andere aktuell vom 31. März 2011. In beiden Fällen geht es u.a. um die Staatsdruckerei, die bei Auftragsvergaben des Innenministeriums bevorzugt werde, wodurch nach Ansicht Jarolims unnötig Steuergeld verprasst wird.

Schon in der Anfrage vom 10. September 2009 kritisierte Jarolim, dass trotz der im Jahr 2000 erfolgten 100-prozentigen Privatisierung der Staatsdruckerei nach wie vor eine Pflicht zur Vergabe gewisser Druckwerke an dieses Unternehmen bestehe. Diese Pflicht betreffe laut Staatsdruckereigesetz, das trotz Privatisierung nicht geändert worden sei, insbesondere Führerscheine, Reise- und Personalausweise sowie generell Druckwerke, bei deren Herstellung Geheimhaltung bzw. die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften geboten ist. Fekter hatte damals in ihrer Beantwortung vom 10. November 2011 lapidar darauf hingewiesen, dass die Vergabe von Aufträgen eben unter Einhaltung des Bundesvergabegesetzes und des Staatsdruckereigesetzes erfolge.

Geldverschwendung angeprangert
In der Anfrage vom 31. März dieses Jahres geht es um Auftragsvergaben des Innenministeriums an Unternehmen, mit denen der frühere Ressortchef Strasser "nach Ablauf seiner Ministertätigkeit eine direkte oder indirekte Geschäftsverbindung einging". Die Anfrage erfolgte im Schatten von Strassers Rücktritt. Jarolim verweist in der Anfrage darauf, dass Strasser und auch sein ehemaliger Kabinettschef Christoph Ulmer im Beirat genannten Aufsichtsrat der Staatsdruckerei waren (laut Druckerei unentgeltlich). Allerdings: Ein weiteres früheres Kabinettsmitglied Strassers sei heute Geschäftsführer der Staatsdruckerei.

Die Staatsdruckerei habe ohne Ausschreibung vom Innenministerium Aufträge erhalten, bekrittelt Jarolim erneut. Die Aufträge seien dann kurzfristig mit einer hohen Gewinnspanne an andere Unternehmen im In- und Ausland weitergegeben worden. "Rahmenvereinbarungen für die Produktion von Ausweisdokumenten wurden von der Staatsdruckerei unter anderem mit den beiden deutschen Firmen Gieseke & Devirent GmbH und Gemalto GmbH sowie mit der Schweizer Firma Trüb AG abgeschlossen", schreibt Jarolim. "Die Stückkosten für Reisepässe oder für andere Ausweise sind dadurch für die Republik mindestens doppelt so hoch wie für andere vergleichbare Staaten."

Zweites Thema der aktuellen Anfrage Jarolims vom 31. März 2011 ist der 2004 erteilte Auftrag für ein digitales Funksystem für die Blaulichtorganisationen an die Firma Tetron. Auch hier sollen laut Jarolim ehemalige Mitarbeiter im Kabinett Strassers involviert sein, einer sei von 2004 bis 2007 Geschäftsführer von Tetron gewesen. Eine Antwort Fekters auf diese aktuelle Anfrage steht noch aus.

Schreiben aus Institut warb für Anwalt Jarolim
Gleichzeitig ist aber jetzt ein Schreiben des "Instituts für posttayloristische Studien" aufgetaucht, in dem Jarolims Dienste als Rechtsanwalt für einen Konkurrenten der Staatsdruckerei angeboten werden, den der SPÖ-Justizsprecher in seiner Anfrage als Vertragspartner der Staatsdruckerei erwähnt.

In diesem Schreiben an das auf Sicherheitsdruck spezialisierte deutsche Unternehmen Giesecke & Devrient werden Jarolims rechtsfreundliche Dienste für den "lukrativen Markt" in Österreich angeboten. Zum Institut für posttayloristische Studien kam Jarolim laut eigenen Angaben auf seiner Suche nach einem Beschwerdeführer gegen die Staatsdruckerei. Seine Kanzlei hat gemeinsam mit dem Institut tatsächlich eine Beschwerde in Brüssel wegen des Monopols der Staatsdruckerei eingebracht.

Kritik und Spott für Jarolim und SPÖ
Für Jarolim und die SPÖ hagelte es am Donnerstag Kritik und Spott. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger bezeichnete Jarolim als "Lobbyist auf einem SPÖ-Mandat", der jede Glaubwürdigkeit verspielt habe. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky fragte sich, ob Jarolim ein "roter Strasser" sei. Das BZÖ kritisierte beide Koalitionsparteien und forderte einen "ständigen Untersuchungsausschuss gegen Korruption und für politische Moral". Die Grünen wollen zunächst die Fakten prüfen.

Jarolim, der seinen Nebenjob als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei alles andere als gelegentlich ausübt, ist immer wieder mit Unvereinbarkeitsvorwürfen konfrontiert. Als ehemaliger Leiter der AUA-Rechtsabteilung beschloss er im Parlament z.B. die Flugticketabgabe, für die er dann eine Abmilderung forderte, weil das Gesetz angeblich Mängel aufwies. Bei seiner Anwaltsfirma handelt es sich übrigens um eine Wirtschaftskanzlei, die auf ihrer Website Stärken wie "Öffentliches Recht", "Vergaberecht" und "Public Private Partnership" auflistet.

Jarolim weist Vorwürfe zurück - "Attacke aus ÖVP"
Jarolim erklärte die Vorwürfe am Donnerstag als Attacke aus der ÖVP. Er sehe weder Unvereinbarkeit noch Lobbying im Zusammenhang mit seinem Vorgehen gegen die Monopolstellung der Staatsdruckerei beim Sicherheitsdruck. In einer Pressekonferenz führte Jarolim aus, dass er auf die Sache mit der Staatsdruckerei von einer Einzelperson aufmerksam gemacht worden sei, die sich im "Institut für posttayloristische Studien" betätigt. Als dieser Mann sich an die EU-Kommission wandte und diese sich interessiert zeigte, aber eine rechtliche Stellungnahme verlangte, habe er ihn über seine Anwaltskanzlei unentgeltlich unterstützt.

Dies über eine andere Kanzlei zu machen, wäre zwar "sauberer gewesen", räumte Jarolim ein, schon aus finanziellen Gründen wäre die Sache dann aber nie ins Rollen gekommen. Er selbst habe mit zwei parlamentarischen Anfragen gegen die monopolbedingt überhöhten Preise in diesem Markt vorzugehen versucht. Die betreffende Person, die er aus seinem Bezirk kenne, habe dabei kein geschäftliches Interesse, betonte Jarolim. Das bekräftigte der Mann auch selbst gegenüber der Austria Presseagentur, wie diese berichtete. Telefonisch auf die Vorwürfe angesprochen, sagte er, dass er keinerlei finanziellen Ziele verfolge. Vielmehr sei er bei seinen Studien auf die Staatsdruckerei gestoßen und habe in der Folge ein Verfahren bei der EU-Kommission angeregt.

Schreiben nur, um "Kampfgefährten" zu gewinnen
Bleibt nur die Frage des inkriminllerdings nicht von Jarolim, sondern von dem posttayloristischen Forscher. Falls das Unternehmen "Interesse am äußerst lukrativen österreichischen Markt hat, und das Anliegen der Öffnung dieses Marktes unterstützen will", könne es sich an ihn oder an Jarolims Kanzlei wenden, heißt es darin.

Der SPÖ-Justizsprecher legte die Nachricht bei der Pressekonferenz vor. Der Mann habe damit versucht, an einen "Partner oder Kampfgefährten, der ernster genommen wird als eine Einzelperson aus Wien", zu gelangen. Der Betreffende meinte dagegen, er habe über diesen Umweg nur an Informationen gelangen wollen.

Jarolim zeigte jedenfalls Unverständnis für die Vorwürfe, sie seien "an den Haaren herbeigezogen". Er habe lediglich seine "Ressourcen als Anwalt unentgeltlich für die Politik verwendet", beteuerte er vor versammelter Presse. Ob er die Sache als "ÖVP-Retourkutsche" werte? "Ich kann es nicht anders auffassen", so Jarolim.

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