Touristenattraktion

Tierquälerei im Tigertempel?

Tierecke
31.03.2011 12:33
Der Tigertempel in der Nähe der thailändischen Hauptstadt Bangkok gilt als eine der lukrativsten Touristenattraktionen im Land des Lächelns. Doch was geschieht tatsächlich hinter den Mauern des Klosters? Werden die Raubkatzen als Geldmaschinen missbraucht? Es gibt Hinweise, dass die Tiere misshandelt werden - um sie für Erinnerungsbilder gefügig zu machen.

Wo vor Kurzem noch ein holpriger und staubiger Weg war, führt nun eine modern ausgebaute Straße empor. Bezahlt von Touristengeldern. Denn kaum ein Thailand-Besucher lässt sich dieses Bild entgehen, das Urlaubsfoto schlechthin: Die Familie kuschelnd mit einem Tiger! Für 1000 Baht „Spende“, rund 20 Euro –  zuzüglich 200 Baht Eintrittsgeld – darf man sich den Kopf einer der mächtigen Raubkatzen auf den Schoß legen und ihn kraulen. Viel Zeit hat man allerdings nicht, denn der nächste zahlende Kunde wartet bereits – und will ebenfalls in diesen Genuss kommen. Täglich besuchen an die 880 Menschen den Tigertempel, Touristen in Badeschlapfen, genauso wie Geschäftsleute oder Familien mit kleinen Kindern – alle warten und erhoffen sich ihren kleinen Thrill, das eine, das begehrte Bild: der Tiger und ich.

Die Raubkatzen selbst scheinen von den Menschenmassen unbeeindruckt und lassen die Blitzlichtgewitter rundum ohne knurren und fauchen über sich ergehen. Dennoch scheint sich nun ein Gewitter, schwarze Wolken, über den so friedlich wirkenden Tempel zusammenzubrauen. Mitglieder der Organisation „Care for the Wild“ erheben schwere Vorwürfe gegen den buddhistischen Abt und seine Mönche. Über drei Jahre lang wurde recherchiert, der Tempel genau beobachtet und das Resultat ist niederschmetternd. Die Raubkatzen würden systematisch misshandelt werden, heißt es im Bericht. Sie werden geprügelt, am Schwanz gezogen, mit dem Urin von Artgenossen bespritzt und mit Betäubungsmitteln vollgestopft um sie gefügig zu machen.

Dabei begann alles wie in einem Märchen! Es war einmal im Jahre 1998, als ein Jäger einen verletzten Tiger in das damals noch unbekannte Kloster Wat Pa Luangta bua brachte. Trotz intensiver Pflege verendete das Tier. Kurz darauf brachten Bauern aus der Umgebung zwei weitere Tigerbabys, die sie vor Wilderern retten konnten zu den Mönchen. Und so nahm die Geschichte ihren Lauf, und das Kloster hatte bald den Ruf eines Waisenhauses für Raubtiere.

Mittlerweile leben an die 50 Raubkatzen dort. Die wenigsten davon wurden jedoch gerettet. Denn vielmehr hat man sich mittlerweile auf die Zucht der vom Aussterben bedrohten Tiere konzentriert. Jedoch ohne die Genehmigung dafür zu haben, aber wo viel Geld fließt, scheint das Gesetz jede Geltung verloren zu haben. Um die Tiere für Touristen „brauchbar“  zu machen, werden sie schon wenige Tage nach der Geburt ihren Müttern weggenommen und mit der Flasche aufgezogen. Das hat absolut nichts mit Tierschutz, sondern nur mit bewusster Fehlprägung zu tun. „Wir züchten die Tiger, um ihre Art zu erhalten, später werden wir sie auswildern“, so der Kommentar des Abtes. Auswildern? Wie bitte soll das gehen? Ein mit der Hand aufgezogenes Raubtier kann niemals in die Freiheit entlassen werden.

Auch Dagmar Schratter, Direktorin des Zoo Schönbrunn, weiß von keinem bekannten Versuch einen zahmen Tiger auszuwildern. Aus gutem Grund: Diese Tiere hätten keine Scheu vor Menschen – und  wir wären für sie leichte Beute. Auch die geplante „Tigerinsel“ entpuppt sich als undurchführbar. Denn Tiger sind von Natur aus Einzelgänger. Wie also sollen sie zu Dutzenden friedlich nebeneinander leben können? Höchst seltsam mutet auch an, dass die Mönche sich strikt weigern, Gentests an den Tieren durchführen zu lassen. Und so keimt ein weiterer böser Verdacht unter den Tierschützern. Die Mönche sollen in den organisierten und Geld einbringenden Wildtierhandel verstrickt sein. Es gibt Hinweise, dass manche Raubkatzen plötzlich verschwinden. Über die nahe Grenze nach Laos und weiter nach China. Tiger sind dort mit Gold kaum aufzuwiegen. Sie sind die begehrteste und teuerste Ware im kriminellen Geschäft mit wilden Tieren. Sie werden geschlachtet, in ihre Einzelteile zerlegt. Fell, Fleisch, Knochen, Penis, Krallen, Zähne – kein Stückchen bleibt ungenützt. Jeder Zentimeter, jedes Gramm kann gewinnbringend verkauft werden.

Experten stellen nicht in Frage, ob es je zu einem gefährlichen Übergriff eines Tiger auf einen Touristen kommen wird. Die Frage ist vielmehr, wann es so weit sein wird. Sobald die Gäste weg sind und die Klosterkassen prall gefüllt, kommen die Tiere wieder in ihre kleinen Käfige bar jeder Kletter- oder Beschäftigungsmöglichkeiten. Verschläge, wie sie in Österreich längst verboten sind. Stundenlang wackeln sie mit ihren Köpfen hin und her, um am nächsten Tag wieder als begehrtes Motiv herzuhalten.

Es sind mächtige Tiere, die größten Raubkatzen der Erde, ein Symbol für Kraft und Ausdauer – doch durch geldgierige Menschen verkommen sie zu erbarmungswürdigen, geschundenen Kreaturen. Und erlebnishungrige Touristen, die ihre Augen vor der Wahrheit verschließen, unterstützen und fördern dieses Tierleid – mit dem Besuch des Tigertempels, nur um ein spektakuläres Erinnerungsbild zu ergattern. Der Tigertempel ist offensichtlich kein Ort der Harmonie, sondern nur eine Stätte der Tierquälerei.

Informationen zu „Care for the wild“: www.careforthewild.de
"VereinFreunde der Tierecke“: 01/36011/3317, tierecke@kronenzeitung.at

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