krone.at-Interview

Balluch: “Richterin ist aggressiv und bösartig geworden”

Niederösterreich
29.03.2011 09:20
90 Gerichtstage haben die 13 Tierschützer, die sich seit März vergangenen Jahres unter anderem wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation in Wiener Neustadt verantworten müssen, bereits hinter sich. Die Urteilsverkündung wurde für den 2. Mai angesetzt. noe.krone.at sprach mit dem Erstangeklagten Martin Balluch über persönliche und finanzielle Konsequenzen für die Betroffenen auf der Anklagebank, die feindliche Atmosphäre vor Gericht, eine Richterin, die das Vertrauen in die Polizei verloren hat, und welches Nachspiel der - laut Balluch illegale - Einsatz von verdeckten Ermittlern noch haben wird.

krone.at: Hat sich die Stimmung vor Gericht gebessert, seitdem klar ist, dass der Prozess frühzeitig ein Ende nimmt?
Martin Balluch: Ganz im Gegenteil. Die Richterin ist richtig aggressiv und bösartig geworden. Ich habe das Gefühl, das liegt daran, dass sie keine andere Möglichkeit sieht, als uns relativ bald freizusprechen. Sie scheint uns übel zu nehmen, dass sie in den Medien nicht gut wegkommt. Sie mahnt zum Beispiel unsere Anwälte, wenn sie etwas absprechen wollen. Zwölf Stunden dazusitzen, ohne miteinander zu sprechen – das ist schon ziemlich erstaunlich. Wenn jemand nur ein Hustenzuckerl nimmt, droht sie gleich mit Rauswurf – sie wirft auch eigentlich jeden Tag jemanden hinaus. Auch wenn jemand nur Zeitung liest.

krone.at: Würden Sie behaupten, dass der Staatsanwalt mehr Freiheiten hatte?
Balluch: Der darf jederzeit ein Zuckerl essen, Zeitung lesen und darf bei Aussagen jederzeit ins Wort fallen. Wenn ich so etwas machen würde, würde ich in hohem Bogen rausfliegen – und unsere Anwälte auch. Die Richterin geht ganz anders mit denen um.

krone.at: Diese feindliche Atmosphäre hat nicht von Anfang an geherrscht?
Balluch: Die Verhandlung hat meiner Meinung nach bereits mit einer negativen Einstellung der Richterin begonnen, aber bei Weitem nicht mit so einer Aggression. Der Knackpunkt war, als die verdeckte Ermittlerin (VE, Danielle Durand, Anm.) aufgetaucht ist. Meiner Interpretation nach hat die Richterin zu diesem Zeitpunkt das Vertrauen in die Polizei verloren, denn die hat ja ganz offensichtlich die Operation vertuschen wollen. Diese hätte genehmigt werden müssen und wäre dann natürlich auch im Akt aufgetaucht, dann hätten wir gesehen, dass es einen Spitzel gegeben hat. Aus diesem Grund haben sie es ohne Genehmigung gemacht, also eigentlich illegal. Sie haben gemerkt, dass man es in einer Weise machen muss, dass man es vertuschen kann. Die Richterin hat das natürlich durchschaut.

krone.at: Sie würden also sagen, dass die Aussage der verdeckten Ermittlerin eher den Angeklagten genutzt als geschadet hat?
Balluch: Die Aussagen waren klar entlastend. Die Ermittlerin hat schließlich wahnsinnig intensiv an der Vereinsarbeit teilgenommen und auch ausgesagt, dass da nichts Verdächtiges passiert ist. Was die Polizei für verdächtig hält – dass man sich keine Treffen für Aktionen des zivilen Ungehorsams am Telefon ausmacht - hat die VE nicht als verdächtig empfunden, und sie hat das von innen erlebt. Interne E-Mail-Listen, auf der die VE auch aufgelistet war, waren für die Polizei Teil einer Infrastruktur einer kriminellen Organisation. Das hat die Ermittlerin nicht einmal in ihrem Bericht erwähnt, so lächerlich ist ihr das vorgekommen. Die SOKO hat das natürlich ganz anders gesehen.

krone.at: Wird der Einsatz der verdeckten Ermittler ein Nachspiel haben?
Balluch: Ich habe den Fall an meine Anwälte weitergegeben, es folgt sicher eine Anzeige wegen dieser illegalen Aktion. Da werden dann alle Gesetzeswidrigkeiten angezeigt, die man aus dem Akt herauslesen kann – das sind tatsächlich viele, so um die 200 Fälle, bei denen man nachweisen kann, dass die Polizei nicht richtig gehandelt hat. Beispielsweise zu der Aussage des Polizisten, der den Lauschangriff durchgeführt hat. Das Ergebnis wurde nicht in den Akt aufgenommen, weil es entlastend war. Dabei wäre es eigentlich verpflichtend, die Ergebnisse eines Lauschangriffs spätestens bei Anklageerhebung dem Gericht zu übergeben. Der Polizist hat vor Gericht das Recht genutzt, sich nicht selber belasten zu müssen.

krone.at: Was hatte der Prozess für persönliche und finanzielle Konsequenzen für die Angeklagten?
Balluch: Die waren dramatisch – ein Anwalt kostet um die 4.000 Euro. Wir haben sechs Anwälte für 13 Leute. Wir sind bei 90 Prozesstagen, das kann sich kein normaler Mensch mehr leisten. Mittlerweile müssen wir mehr als drei Tage die Woche vor Gericht erscheinen, noch dazu für zwölf Stunden. Da kann keiner mehr einer geregelten Arbeit nachgehen, weil man sich ja nicht ein Jahr lang Urlaub nehmen kann. Mehrere Personen sind arbeitslos geworden und können sich nicht einmal einen neuen Job suchen. Wenn sie vor Gericht sitzen, stehen sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und bekommen auch kein Arbeitslosengeld. Der schlimmste Fall ist ein Familienvater aus Tirol, ein freischaffender Restaurator und Künstler, der drei Kindern hat und überhaupt kein Geld vom Staat bekommt. Es haben sich glücklicherweise 25 Menschen gefunden, die ihn gemeinsam erhalten, bis der Prozess vorbei ist. Der Prozess ist ein persönlicher Bankrott für eigentlich alle – weil man das finanziell einfach nicht durchhält und als Tierschutzaktivist auch nicht wirklich viel Verdienst hat.

krone.at: Wer zahlt die Kosten für die Anwälte und auch jene für die Detektive, die für den Prozess angeheuert wurden?
Balluch: Wir haben ein eigenes Rechtshilfekonto für Leute, die der Verteidigung Geld spenden wollen. Wir haben zwei Detektive eingesetzt, einen davon gegen den Polizeispitzel. Außerdem haben wir Privatgutachten (linguistische, gegen den Vorwurf Bekennerbriefe zu illegalen Aktionen stammen von Balluch, Anm.) zahlen müssen.

krone.at: Darf man fragen, wie großzügig die Unterstützer waren?
Balluch: Ich muss sagen, ich habe da nicht den Überblick, weil ich nicht derjenige bin, der auf diesem Konto sitzt, da gibt es sozusagen eine unterstützende Gruppe. Nicht so viel, dass man die Verteidigung davon hätte zahlen können, aber schon weit über 100.000 Euro.

krone.at: Es sind ja nun engagierte Mitglieder des VGT für über ein Jahr weggefallen, leiden da die Aktivitäten im Verein?
Balluch: Fünf unserer leitenden Angestellten stehen vor Gericht, das macht die Arbeit sehr schwierig. Man versucht natürlich, die Zeit einzuarbeiten, aber man kann nicht flexibel auf neue Situationen reagieren, wie das nun bei der Schweinehalteverordnung ist. Man kann nicht alles stehen und liegen lassen und sich darum kümmern.

von Miriam Krammer, noe.krone.at

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