Interview-Duell

Spitalsreform löst bei Ärzten Herzklopfen aus

Oberösterreich
21.01.2011 17:57
Die Spitalsreform löst auch bei Oberösterreichs Polit-Medizinern Julia Röper-Kelmayr (SPÖ) und Walter Aichinger (ÖVP) Herzklopfen aus. Im "Krone"-Interview-Duell erklärten die Radiologin am AKh Linz und der Chef des Klinikums Wels/Grieskirchen, warum die vom Land verordnete Krankenanstaltentherapie nicht zum "Schreckgespenst" werden darf und es nun endlich Spitalsstrukturen der 1960er-Jahre aufzubrechen gilt.

"Krone": Die Spitalsreform geistert bei Patienten, Gesunden und auch Medizinern als Schreckgespenst herum. Wie geht es Ihnen als Polit-Mediziner denn damit?
Walter Aichinger: Für die Österreicher hat das Wort "Reform" meist etwas Beängstigendes. Veränderung wird bei uns immer sofort negativ gesehen – es gibt aber auch Veränderungen zum Besseren.
Julia Röper-Kelmayr: Wir warten gespannt auf die Ergebnisse der Expertengruppe zur Spitalsreform. Es ist eine große Herausforderung, wenn man, wie wir es tun, die berufliche Tätigkeit in die Politik einbringen kann. Als Ärzte sind wir aber oft versucht, in der Politik viel zu viel erklären zu wollen.
Aichinger: Das stimmt, darum werden wir oft von den anderen überrollt.
Röper-Kelmayr: Ich wünsche mir, dass die Spitalsreform ein leistbares Gesamtkonzept bringt. Wir müssen mit Mehrgleisigkeiten im Zentralraum aufräumen. In der Peripherie dürfen die Leistungen aber künftig nicht ausgedünnt und auch keine Standorte infrage gestellt werden. Denn es geht ja um Kostendämpfung und nicht um Einsparung.

"Krone": Jetzt hat Landeshauptmann Josef Pühringer allerdings angekündigt, doch bis zu 25 Spitals-Abteilungen zusperren zu wollen.
Aichinger: Ich glaube nicht, dass das Vorgaben sind. In Oberösterreich sind wir in der guten Situation, dass wir in drei Fraktionen Ärzte als Gesundheitssprecher haben. Es geht nicht nur um Finanzierbarkeit, es geht vorrangig um die Qualität im System.

"Krone": Wie soll das funktionieren, wenn Abteilungen geschlossen werden ?
Aichinger: Die Größe von Spitalsabteilungen wurde in den 1960er-Jahren festgelegt. Damals war auch die Krankenhaus-Aufenthaltsdauer durchschnittlich noch 14 Tage, heute sind es 4,6. Da muss man endlich umdenken. Künftig könnten Abteilungen in Spitälern am Land auch nur mehr aus fünf Betten bestehen oder mit anderen Abteilungen zusammengelegt werden.
Röper-Kelmayr: Die Basisversorgung muss aber auch in der Peripherie gegeben sein. Das Problem beim Schließen von Abteilungen sehe ich darin, dass wir in Zeiten des Medizinermangels Ausbildungsplätze für Fachärzte verlieren. Wir brauchen mehr Kompetenzzentren, wo niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte zusammenarbeiten.
Aichinger: Das gibt es ja auch teilweise schon. Wir müssen es schaffen, uns aus den starren Strukturen zu lösen. Auch wenn wir schon jetzt auf einem guten Weg sind, müssen wir künftig noch flexibler werden.

"Krone": Jetzt sind aber die Oberösterreicher jene, die bundesweit am häufigsten im Spital liegen. Zudem haben wir auch die teuersten medizinischen Geräte. Sind unsere Landsleute so krank oder nur Hypochonder?
Aichinger: Hypochonder sind sie nicht, außerdem sind unsere guten medizinischen Geräte für die kurzen Spitalsaufenthalte verantwortlich. Und das hat ja auch einen volkswirtschaftlichen Sinn.
Röper-Kelmayr: Die Statistik der Spitalsaufenthalte steigt auch durch den immensen Zulauf in die Ambulanzen. Die niedergelassenen Ärzte sind ja am Rande ihrer Kapazitäten. Das Problem ist, dass die Ambulanzen daher oftmals dem Patienten als einzige Option am Wochenende oder zur Nachtzeit zur Verfügung stehen. Facharztzentren, die bis Mitternacht geöffnet haben, wären da eine kostensparende Alternative.

"Krone": Die Reform soll auch die Leistungsangebote der Krankenhäuser festlegen. Wird also künftig den Spitälern auferlegt, welche Schwerpunkte sie zu setzen haben?
Aichinger: Das könnte das Land ja auch jetzt schon und wird es in Zukunft wohl verstärkt tun. Es geht darum, dass keiner in einem Krankenhaus operiert werden will, wo diese Operation nur 20-mal pro Jahr durchgeführt wird. Das wäre auch von uns Ärzten fahrlässig.
Röper-Kelmayr: Darum muss dort Leistung angeboten werden, wo die Qualität stimmt. Außerdem müssen wir uns darüber klar sein, dass die Alterspyramide unserer Bevölkerung am Weg zum Kopfstand ist. Es wird eine Zunahme an chronisch kranken Patienten geben.
Aichinger: In Wirklichkeit brauchen wir genau dafür auch die peripheren Standorte. An der Notfallversorgung wird sich dort aber nichts großartig ändern. Wir müssen Kooperationen über Krankenhausträger hinaus schaffen.

Interview von Claudia Prietzel, "OÖ Krone"

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