Schülerdebatte

“ÖVP-Konzept ist nur ein Bildungs-Wunschzettel”

Oberösterreich
14.01.2011 18:33
Das neue Bildungskonzept der Bundes-ÖVP birgt gehörigen Zündstoff. Im "Krone"-Interview-Duell sprachen Oberösterreichs Schülervertreter Lukas Holter, Landesobmann der Union Höherer Schüler (im Bild links), und Alexander Okken (Aktion kritischer Schüler) Klartext. Sie erklärten, was sie von "Minimatura", PISA-Versagen und Neuer Mittelschule halten und warum das ÖVP-Reformpapier nur ein Wunschzettel ist.

"Krone": Das neue ÖVP-Bildungskonzept lässt gerade die Wogen hochgehen. Was halten Sie von einer derartigen Schulreform?
Lukas Holter: Ich sehe das eher als Wunschzettel oder als Wertepapier. Der Inhalt ist die Vorstellung einer idealen Schule.
Alexander Okken: Die ÖVP fordert darin eine flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule. Ich finde es ja gut, das Problem dabei ist aber, dass die ÖVP auch die Gymnasien erhalten will. Und das führt wieder zu einer Zweiklassen-Gesellschaft.

"Krone": Was wäre Ihr Vorschlag?
Okken: Ein Gymnasium für alle in Form einer Neuen Mittelschule und keine zwei Schultypen. Die Hauptschule muss abgeschafft werden.
Holter: Die Neue Mittelschule ist natürlich mit der niedrigen Klassenschüler-Höchstzahl und der besonderen Förderung durch mehrere Lehrer in einer Klasse wünschenswert. Als problematisch empfinde ich eher die hohen Kosten für eine flächendeckende Einführung. Wir würden uns ein genaueres Konzept für die Neue  Mittelschule wünschen.

"Krone": Es scheint, dass parteipolitisches Geplänkel über die eigentliche Bildungsdiskussion gestellt wird.
Holter: Es sollte einmal grundsätzlich diskutiert werden, was Schule eigentlich sein soll.

"Krone": Und was sollte Schule sein?
Holter: Schule soll aufs Leben vorbereiten, auch wenn das abgedroschen klingt. Es könnte aber durchaus auch mehr Leistung von den Schülern gefordert werden.
Okken: Natürlich soll Schule aufs Leben vorbereiten, zudem müsste das System praxisnäher werden. Die derzeitige Matura ist überholt.

"Krone": Jetzt fordert aber die ÖVP zusätzlich eine mittlere Reife, also eine Art "Minimatura" für 14-Jährige.
Okken: Wir bekommen eh jedes Jahr ein Zeugnis, da braucht es sicher nicht noch zusätzliche Hürden.
Holter: Von vornherein dagegen zu sein, finde ich nicht unbedingt gut. Es ist Faktum, dass Volksschullehrer schon jetzt eine  Bildungsempfehlung abgeben.
Okken: Wir brauchen aber eine Chancengleichheit, und die ist mit einer mittleren Reife nicht gegeben. Es ist ja erwiesen, dass der Bildungsgrad vom jeweiligen Einkommen der Eltern abhängt.
Holter: Der Bildungsgrad hat mit Vorbildwirkung zu tun und ist nicht unbeding eine Geldfrage. Wer in der Hauptschule gute Noten hat, der schafft es auch trotz mittlerer Reife ins Gymnasium. Es geht einfach darum, dass wir als Schüler wissen, wo wir stehen.

"Krone": Die PISA-Ergebnisse haben uns ja jetzt gezeigt, wo wir stehen.
Okken: PISA ist erschreckend, da sieht man, wie kaputt unser Bildungssystem ist. Was aber am System und nicht an den Schülern liegt.
Holter: PISA ist zwar nicht erfreulich, wird aber in Österreich zu einseitig gesehen. Wenn es heißt, dass Finnland so gut abschneidet, liegt das nicht daran, dass die so eine gute Schule haben, sondern an den guten Lehrern. Die genießen dort ja auch ein gesellschaftlich viel höheres Ansehen.

"Krone": Was halten Sie davon, dass sich Direktoren künftig wie in der freien Wirtschaft ihre Lehrer selbst aussuchen?
Okken: Da bin ich dagegen. Es geht viel eher darum, dass die AHS-Lehrer eine bessere pädagogische Ausbildung brauchen.
Holter: Natürlich soll sich die Schule an die Wirtschaft annähern. Trotzdem ist das ein heikles Thema. Aufgrund der geografischen Lage würden sich dann wohl für Schulen in Hallstatt keine Lehrer mehr finden.

Kronen Zeitung

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