"Unverhältnismässig"

Pensionsreform: Beamte klagen gegen Sparpaket

Österreich
02.01.2011 10:19
Nach dem Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber hat mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Fritz Neugebauer, ein zweiter prominenter ÖVP-Politiker eine Verfassungsklage gegen das Sparpaket der Regierung angekündigt. Ihm gehen die Einschnitte bei den Pensionen zu schnell.

Neugebauer erklärte, ihn würden nicht die Maßnahmen an sich stören, sondern die Abruptheit, mit der sie eingeführt werden. Das Antrittsalter für die Hacklerregelung wird ab 2014 von 60 auf 62 Jahre angehoben, und für die Beamten werden für die Korridorpension die Abschläge auf bis zu 15 Prozent erhöht. Letzteres ist eine Angleichung der Beamten an die Bestimmungen im ASVG. Beides hält Neugebauer für verfassungswidrig.

Für ihn ist diese Abruptheit "unverhältnismäßig", er kündigte deshalb an: "Wir werden diese Frage vor den Verfassungsgerichtshof bringen." Der GÖD-Vorsitzende rechnet sich dabei gute Chancen aus, weil die Planbarkeit im Pensionsfragen auch in der Rechtsprechung des VfGH eine der sensibelsten Fragen sei.

Neugebauer wirft Faymann Populismus vor
Neugebauer übte auch Kritik an der Ankündigung von Bundeskanzler Werner Faymann, 2013 eine weitere Steuerreform im Ausmaß von drei Milliarden Euro durchführen zu wollen. "Wenn Faymann diese Ankündigung vor der Budgetdebatte im Nationalrat gemacht hätte, dann wäre diese Debatte im Parlament möglicherweise ganz anders verlaufen", meinte Neugebauer. Er wirft dem Bundeskanzler deshalb vor, "scharf am Populismus" zu agieren. Neugebauer stimmt zwar zu, dass der Mittelstand entlastet gehöre, will aber dafür keine neuen Schulden machen. Deshalb mahnt der Zweite Nationalratspräsident "mehr Seriosität" ein.

In der Frage der Briefwahl will Neugebauer über die bisher von der ÖVP gemachten Vorschläge hinausgehen. Um Missbrauch zu verhindern, hat Klubobmann Karlheinz Kopf vorgeschlagen, die Frist von acht Tagen nach der Wahl, bis zu der die Wahlkarten bei der Wahlbehörde einlangen müssen, auf zwei Tage zu verkürzen."Wenn der Bürger die Möglichkeit hat, nach Vorliegen des vorläufigen Endergebnisses abzustimmen, dann ist das demokratiepolitisch abzulehnen." Die Briefwahl an sich will Neugebauer aber prinzipiell nicht in Frage stellen. Gleich mit erledigen will er in Zuge dieser Reform auch die Abschaffung des Verbots für Mitglieder des Hauses Habsburg für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren.

Keine Eile bei Bildungsreform
Keine Eile sieht Neugebauer bezüglich einer großen Reform des Bildungssystems. Beim ÖVP-Bildungskonzept will sich der GÖD-Vorsitzende nicht drängen lassen: "Ob das jetzt im Jänner oder Februar kommt, ist sekundär." Die ÖVP habe gültige Konzepte, und es gebe das Koalitionsabkommen. Neugebauer geht zwar davon aus, dass das ÖVP-Bildungspapier nach dessen Vorlage schon auf breiter Basis diskutiert wird, gleichzeitig meint er aber auch, dass es erst "Schwerpunkt der Wahlwerbung" für die nächste für 2013 geplante Wahl wird und danach auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht wird.

Bis dahin sollte nach Auffassung des Zweiten Nationalratspräsidenten das bestehende Koalitionsabkommen umgesetzt werden. Er appelliert an Bildungsministerin Claudia Schmied, "ihrem Auftrag nachzukommen". Im Koalitionsabkommen sei die Förderung der Sprach- und Lesekompetenzen ebenso enthalten wie die Erwachsenenbildung.

"Hilfe durch Erwachsenenbildung"
Voraussetzung für die Lesefähigkeit sei die Sprachfähigkeit, und dafür dürfe man die Zeit vor der Schule nicht verlieren. "Die Bildungsarbeit beginnt mit dem ersten Schrei nach der Geburt." Bei der Sprachbildung werde in den ersten Lebensjahren vieles versäumt, hier solle man den jungen Eltern im Zuge der Erwachsenenbildung Hilfestellungen anbieten. Zudem schlägt Neugebauer vor, Schmied könnte auch mit den Medien und dem ORF Kooperationen eingehen, um die Lesefreudigkeit zu wecken. Man müsse das Bewusstsein dafür wecken, dass das Beherrschen der Sprache "das Um und Auf" für alles andere sei.

Die Forderung Schmieds nach einer Ausweitung der Neuen Mittelschule und einer Aufhebung der Zehn-Prozent-Grenze des Schulversuchs lehnt Neugebauer ab. Er plädiert dafür, den vorgesehenen achtjährigen Durchlauf abzuwarten und dann wissenschaftlich zu evaluieren.

Aufnahmeprüfungen für die AHS gefordert
Die ÖVP-Ablehnung der von der SPÖ geforderten gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen begründet Neugebauer einerseits mit der Notwendigkeit von Leistungsanreizen. Der differenzierte Zugang fördere auch die Leistung, die Leistungsgruppen seien ein Leistungsansporn, und die Kinder wollten sich auch messen. Neugebauer argumentiert auch mit Erfahrungen aus Deutschland. Dort zeige sich, dass Schüler, die aus Ländern mit Gesamtschule wie Hamburg oder Berlin nach Bayern oder Baden-Württemberg kommen, die ein ähnlich ausdifferenziertes System wie Österreich haben, um ein bis zwei Klassen weniger leistungsfähig seien. Zudem lehre die deutsche Erfahrung, dass die notwendige starke innere Ausdifferenzierung der Gesamtschule um rund ein Drittel teurer komme.

Für die Aufnahme in eine AHS befürwortet Neugebauer die Wiedereinführung von Eignungsprüfungen. Diese sollten aber nicht allein über die Aufnahme des Kindes entscheiden, sondern gemeinsam mit der Prognose des Volksschullehrers herangezogen werden, meint er. Bezüglich der Ganztagsschulen plädiert der GÖD-Vorsitzende dafür, Eltern die Wahlfreiheit zu gewähren. Es sei gescheit, eine Vielfalt an unterschiedlichen Schulformen bereitzustellen, sowohl solche mit ganztägigem Unterricht als auch solche, in denen am Nachmittag kein Unterricht, sondern nur Betreuung angeboten wird.

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