Unaufgeregt, fast gemächlich schlägt Mehldau einen Boogie an. Mit seinem atemberaubend sicheren Gefühl für die Zeit in der Musik variiert er die fast immer simplen musikalischen Grundmuster von Kompositionen wie etwa "My favorite Things" von Richard Rodgers Schritt für Schritt bis zum donnernden Klangrausch mit Pedal. Und doch bleibt der Puls des Boogie spürbar, selbst wenn Mehldaus Improvisationen klingen können, als stammten sie von Salvatore Sciarrino.
Aus "Martha" von Tom Waits macht Mehldau eine harmonisch unendlich raffinierte Liebes-Ballade, in der die tonalen und rhythmischen Verschränkungen an Komplexität kaum überbietbar sind - und doch lässt er genug Raum, um in der Schnulze zu baden. Auch die Kompositionen von Nirvana oder Massive Attack führt Mehldau behutsam und kühn am Abgrund entlang und strauchelt kein einziges Mal. Und er spielt eigene Kompositionen, in denen deutlich wird, dass er Walzer mag und Keith Jarretts "Köln-Concert" gründlich gehört hat.
Was Mehldau da macht, ist aber keine Kopie von Klangbildern. Es ist die zurzeit vielleicht unverwechselbar-persönlichste Art der Verflechtung von Komposition und Improvisation am Klavier. Mehldaus Biografie reicht von Projekten mit Michael Brecker, Wayne Shorter, John Scofield und Charles Lloyd über Vertonungen von Rilke-Gedichten mit Renee Flemming und Liebeslieder von Jacques Brel, Joni Mitchell, Paul McCartney oder Leonard Bernstein mit Mezzosopranistin Anne Sophie Otter.
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