Flash zum Kampfpreis

Lautlos kommt der Festplatten-Mörder: MacBook Air im Test

Elektronik
25.10.2010 00:19
Fast drei Jahre hat es gedauert, ehe sich Apple an eine Runderneuerung seines "Flachmanns" gewagt hat. Killer-Argumente sollen beim neuen "MacBook Air" nicht mehr nur die schlanken Dimensionen sein, das jetzt in zwei Größen erhältliche Notebook bedient sich ausschließlich der Solid-State-Technologie und will damit das Ende der Festplatte einläuten. krone.at hat mit "Airbooks" in beiden Größen ein Test-Wochenende verbracht.

Mit dem Titel "flachstes Notebook der Welt" konnte Apple bei der Präsentation der neuen MacBook Airs am Mittwoch niemanden mehr vom Sitz locken, auch nicht, wenn die neue Generation noch flacher ist (17 statt 19 Millimeter oben, knapp drei statt vier Millimeter unten). Im Gegenteil: Das vor fast drei Jahren vorgestellte "Airbook" war stets ein Nischenprodukt geblieben. In der freien Wildbahn trifft man auf die Geräte selten bis gar nicht. Da verblüfft es auch nicht sonderlich, dass Apple-Capo Steve Jobs kein Sterbenswort über die Verkaufszahlen verlor.

Dabei war das MacBook Air der Begründer einer Boom-Generation an Notebooks, der Netbooks nämlich. Ausgerichtet auf ultramobiles Cloud-Computing mit entschlackter Hardware, beschrieb es die Grundeigenschaften eines auf die Nutzung des Internets ausgerichteten Notebooks. Warum das "Airbook" dann trotzdem nicht auf breiter Front reüssierte? Weil's schlicht zu teuer war. Die 1.699 Euro Einstandspreis für die erste Version Anfang 2008 mit lahmer iPod-Festplatte bzw. rund 2.799 Euro mit dem Upgrade auf die damals noch in den Kinderschuhen steckende SSD-Technologie wurden wenige Monate später von EeePC und Co. konterkariert. 2009 wurde dem MacBook Air deswegen ein Upgrade spendiert, der Preis auf rund 1.399 bzw. 1.699 Euro für die SSD-Variante gesenkt.

Die Verkaufszahlen dürften wohl gerade so gelegen sein, dass man statt der Einstellung der Produktion einen Relaunch angehen konnte. Das MacBook Air brauchte aber eine neue Marktposition: Der Netbook-Boom ist mittlerweile abgeflaut, Smartphones und Tablet-Computer haben die Mini-Laptops - die am Ende doch nur eines waren, nämlich billig - an die Schwelle zur Unbedeutsamkeit gebracht. Im Bereich der Laptops als Desktop-Ersatz hat sich Apple im eigenen Line-Up keinen Platz freigelassen. Also wohin mit dem Kind? Man setzt den Hebel nun bei einem der am längsten unerfüllt gebliebenen Versprechen der Computerindustrie an: der Umstellung auf Solid-State-Speicher, im Volksmund - und von Apple - Flash-Speicher genannt. Die neuen MacBook Airs sollen nichts anderes sein als Fahnenträger an der Spitze des Kreuzzuges zur Ausrottung der Festplatte. Und ausgerechnet beim Preis liegt das Hauptargument.

Das teuerste Neue zum Einstiegspreis des Alten
Was hat sich bei der zweiten Generation des MacBook Air nun verändert: Es gibt jetzt zwei Modelle, eines mit 13,3 Zoll großem Display und eines mit 11,6-Zoll-Bildschirm. Hergestellt werden die 1,32 bzw. 1,04 Kilogramm leichten Geräte im sogenannten Unibody-Verfahren, bei dem aus einem Block Aluminium Ober- und Unterseite sowie der "Deckel" samt Scharnier herausgefräst werden. Das Ergebnis wirkt wie aus einem Guss, macht die Notebooks extrem verwindungssteif und sorgt für einen Qualitätseindruck, der mangels (patentrechtlich autorisierter) Nachahmer derzeit unerreicht ist.

Beide Modelle überbieten mit ihren LED-backlit-Displays mit Auflösungen von 1440x900 bzw. 1366x768 Pixel das Display des "Ur-Airbook", das mit 1280x800 aufwartete. Auf der Grafikseite setzt man auf einen Shared-Memory-Chip von Nvidia, früher 9400M, jetzt der oft gelobte 320M. Bei den Prozessoren werden weiterhin Intel Core 2 Duo verwendet, beim 13-Zoll-Modell wie gehabt SL9400 mit 1,86 GHz oder SL9600 mit 2,13 GHz, beim Elf-Zoll-Modell steigt man mit SU9400 1,4 GHz ein und kann auf einen SU9600 1,6 GHz upgraden. Beim Arbeitsspeicher sind standardmäßig 2 GB DDR3-SDRAM verbaut, erstmals kann man auf 4 GB erhöhen.

Die Option auf eine Festplatte gibt es bei beiden Modellen nicht mehr. Es gibt nur mehr Flash-Speicher, 64 oder 128 GB beim kleinen bzw. 128 oder 256 GB beim großen MacBook Air, wobei Apple nicht auf in Formatgehäuse verpackte SSDs setzt, sondern 32-GB-Module auf eine Platine lötet. Zum Akku: 37 Wattstunden leistete die Li-Io-Polymer-Batterie der ersten Generation, im neuen Elf-Zoll-Modell verspricht eine 35-Wh-Batterie fünf Stunden Laufzeit, im 13-Zoll-Modell soll der 50-Wh-Akku sieben Stunden Arbeitszeit ermöglichen. Die Standbyzeit - Apple meint, der Macbook-Air-Besitzer brauche das Gerät nie abzuschalten - wird mit 30 Tagen angegeben.

Bei den Anschlüssen hat Apple aus den Fehlern der Vergangenheit (teilweise) gelernt. Es finden sich nunmehr statt einer zwei USB-Schnittstellen sowie Anschlüsse für Kopfhörer, Mini-Display-Port und Netzteil, das 13-Zoll-Modell wartet zusätzlich mit einem SD-Kartenleser auf. Express-Card und Firewire sind weiterhin der Pro-Reihe vorbehalten. 802.11.abgn-WiFi, Bluetooth sowie das altbekannte Multitouch-Trackpad mit Glasoberfläche runden die Ausstattung ab. Wie gehabt -trotz CD-Auswurftaste - nur optional und extern gibt es ein optisches Laufwerk: Das USB-Superdrive-Laufwerk kostete bei seiner Einführung noch 99 Euro, mittlerweile preist Apple es für 79 Euro an. Die Möglichkeit, sich per Software und WLAN das Laufwerk eines anderen Computers zu "borgen", bleibt weiterhin. Zur Software-Wiederherstellung packt Apple jedem MacBook Air einen USB-Stick mit den aufgespielten Daten bei.

Das große Purzeln kommt beim Anschaffungspreis: Das günstigste Elf-Zoll-MacBook-Air kommt auf 999 Euro (1,4/64GB/2GB), das teuerste Kleine auf 1.329 Euro (1,6/128GB/4GB). Beim 13-Zoll-Modell steigt man mit 1.299 Euro ein (1,86/128GB/2GB) und kann maximal 1.779 Euro ausgeben (2,13/256GB/4GB). Damit liegt das teuerste Modell der zweiten Generation gerade einmal 80 Euro über dem Einstiegspreis der letzten SSD-Variante der ersten Generation.

Stoppuhr-Festspiele
Flash-Notebooks testet man vor allem mit der Stoppuhr: Ein MacBook Air braucht maximal acht Sekunden zum Hochfahren, zwei zum Herunterfahren und 1,5 Sekunden für das Aufwachen aus dem Standby. Weitere Ergebnisse:

Klick-Verzögerung beim Navigieren durch OSX: 0 (nicht messbar)
Verzögerung beim Anzeigen des Ordners "Programme": 0
Anzeigen Ordner mit 20 RAWs (je 30 MB) inkl. Miniaturen: < 1
Ladezeit bei Quick Look für eines dieser RAW-Bilder: 1
Quick-Look-Ladezeit für ein 1,2 GB großes Video: < 1
Browser "Safari" öffnen: < 1
Programm "iTunes" öffnen: 1
Programm "iPhoto" öffnen: 2
Programm "Photoshop CS4" öffnen: 5

Wer der klassischen Festplatte zuvor wohlgesonnen war, wird beim Arbeiten mit einem SSD-Notebook zumindest skeptisch. Wer schon seit den ersten Versprechungen der Industrie über den Einzug der "Flash-Festplatten" auf diesen wartet, will nach dieser Erfahrung Blut sehen. Angesichts des erlebten Geschwindigkeitsvorteils fühlt man sich gefrotzelt, wenn man danach auf den "alten" PC oder Mac wechselt und "Sanduhr" und "Regenbogenscheibe" wieder trifft.

Lautlos und geduldig, bis es nicht mehr geht
Schon am Spec-Sheet der "Airbooks" stolpert man über den Schönheitsfehler namens "Core 2 Duo". Dass in der zweiten Generation nicht z.B. ein Intel i3 zum Einsatz kommt, sondern die neuen "Airbooks" im Grunde mit veralteten Prozessoren ausgeliefert werden, soll einerseits an der Inkompatibilität mit dem (besseren) Nvidia-320M-Chip sowie an der Größe des Intel-Chipsatzes liegen, der in der Air-Konstruktion offenbar Einschnitte beim Akku gefordert hätte. Freilich sind die alten Prozessoren auch günstiger, wodurch sich für Apple die relativ hohe Gewinnspanne beim MacBook Air aufrechterhalten lässt.

Die schwächeren CPUs fühlt man aber nicht unbedingt. Erstens weil der Flashspeicher durch die ultraschnelle Ansprache das Meiste wettmacht. Und zweitens, weil die "Airbooks" vollkommen lautlos arbeiten und man daher gar nicht mitbekommt, wenn man sie ins Schwitzen treibt. Es rattert keine Festplatte, es läuft kein Lüfter an und wenn das Gerät dann zwischenzeitlich doch eine Auszeit fordert und die Regenbogenscheibe anwirft, trifft es einen völlig unvorbereitet. Man fühlt sich reumütig, als hätte man ein stummes Muli zum Herzinfarkt gepeitscht. Die flachen Apple-Laptops werden auch nicht mehr so heiß wie früher. Nur an der Unterseite rechts vorne, wo der Prozessor sitzt, bemerkt mane-Schenkelbrenner".

Klappe weg, Semmerl auf
Ergonomisch bzw. an der Konstruktion gibt es bei der zweiten Generation weniger zu bemängeln. Die beiden USB-Schnittstellen verstecken sich jetzt nicht mehr in einer Klappe sondern sind frei zugänglich, wobei sie konstruktionsbedingt derart knapp beim Nachbaranschluss sitzen, dass Benützer z.B. breiter DVB-T-Sticks weiterhin ein Verlängerungskabel brauchen werden, wenn Netzteil oder externes Display angesteckt sind.

Die Tastatur darf man auch beim Elf-Zoll-Modell noch als "vollwertig" bezeichnen, im Test begann dort allerdings nach den ersten E-Mails die Leertaste zu quietschen (mangels anderer Betriebsgeräusche nimmt man sowas war). Die von vier auf knapp drei Millimeter geschrumpfte Vorderkante des MacBook Airs ist ein bisschen scharfkantig geraten, an ihr könnte man locker ein frisches Semmerl halbieren. Für Menschen mit zarten bzw. kleinen Händchen könnte es hier bei längeren Schreibarbeiten unangenehm werden.

Display-Flunkerei und Akku-Wahrheit
Die Platzierung des Akkus, der sich im Gehäuse fast über die gesamten unteren drei Viertel erstreckt, sorgt einmal mehr für einen perfekten Schwerpunkt im Hinblick auf das Arbeiten mit dem Laptop am Schoß. Während die meisten Netbooks durch die Platzierung des Akkus unter oder hinter dem Bildschirmscharnier gerne nach hinten kippen bzw. dann ständig mit den Handballen festgehalten werden müssen, rutscht ein MacBook Air erst dann von den Oberschenkeln, wenn das Gesetz der Schwerkraft es auch bei sämtlichen anderen Gegenständen fordern würde. Auf dem Tisch wären die "Airbooks" rutschsicher, wenn man bei den Stehknubbeln statt Hartplastik Gummi verwendet hätte.

Beim Display erhält man in Sachen Helligkeit und Farben die gewohnte Qualität. Entspiegelt wäre etwas anderes. In Sachen Auflösung wurden gute Kompromisse für die beiden Modelle gefunden. Am Elf-Zoll-Modell gewinnt man mit 1366x768 Platz, wobei die Schrift noch gut ablesbar ist. Beim 13-Zoll-Modell verhält es sich mit 1440x900 ähnlich, wobei hier auch 1680x1050 ginge. Jobs versuchte bei der Modellpräsentation Parallelen zum Retina-Display des iPhone herzustellen, wo die Pixeldichte die Grenzen des menschlichen Auges sprengt - davon sind die "Airbook"-Displays aber noch weit entfernt. Verwundert hat beim Test die im Vergleich zur Konkurrenz und den MacBook-Pro-Modellen relativ schlechte vertikale Einsehbarkeit der beiden Displays.

Noch einmal zum Akku: Zwar nicht fünf, aber immerhin viereinhalb Stunden brachte das kleine MacBook Air zu Wege, bevor die Kapazität auf zehn Prozent gesunken war und OSX die Steckdose einforderte. Nach rund eineinhalb Stunden am Netzteil waren dann schon wieder 99 Prozent der Kapazität erreicht. Beim 13-Zoll-Modell war der Akku des Testgeräts nicht vollständig aufgeladen, deshalb nach rund zwei Stunden leer, dann aber drei Stunden in Betrieb, ehe der Wochenend-Test bei einer Restladung von 43 Prozent sein Ende fand.

Kaum Konkurrenz für das Elf-Zoll-Modell
Bei einem so ungewöhnlichen Computer wie dem MacBook Air stellt sich nicht nur die Frage, was das Gerät selbst kann, sondern auch, was andere können. Vergleicht man die Ausstattungs-Eckdaten der neuen MacBook Airs mit den Modellen der Konkurrenz, so finden sich beim Elf-Zoll-Modell - mit der Bedingung Flashspeicher - kaum Herausforderer. Netbook-Abcasher Asus bietet ein EeePC-Modell mit zwölf GB Flashspeicher (ja, zwölf) für 399 Euro und reicht dazu einen Celeron-M-Prozessor. Zwölf-Zoll-SSD-Notebooks von Fujitsu, HP und Lenovo bieten dem kleinen "Airbook" die Stirn und warten sogar mit i3- und i5-Prozessoren sowie optischem Laufwerk auf. Sie sind dafür aber nicht unter 2.000 Euro und maximal mit einer Auflösung von 1280x800 zu haben. Einzig Sony hat einen Elfzöller ohne optisches Laufwerk mit 128 GB SSD, 2 GB RAM und der höheren Display-Auflösung parat, stattet ihn aber nur mit einem brustschwachen Atom-Prozessor aus und veranschlagt dafür 1.400 Euro.

Beim 13-Zoll-Modell bestellt Apple hingegen nicht als erster das Feld. Anfangs liegt das neue MacBook Air mit dem geringen Basispreis zwar noch gut im Mittelfeld, sobald man aber 256 GB Flash-Speicher haben möchte, sind sämtliche vollausgestatteten Modelle aus der Windows-Welt (d.h. mit optischem Laufwerk, Cardreader, Ethernet, Firewire, Express-Card, Fingerprint-Modul etc.) nur mehr ein paar hundert Euro entfernt bzw. kosten bereits dasselbe.

Fazit: Als "Idealmodell", dem man nicht nur als Luxus-Gimmick etwas abgewinnen kann, hat sich am Ende des Tests ein elf Zoll großes MacBook Air mit 128 GB herausgestellt. Mit 64 GB ist auf Dauer kein Auskommen, der größere Arbeitsspeicher wiederum kein Muss. Beim 13-Zoll-Modell sprechen nach wie vor zu viele Argumente für eine voll ausgestattete Alternative, zumal man gegenüber dem Elfer, trotz des Größenunterschieds am Papier, in der Praxis keinen wirklichen Arbeitsvorteil zu erkennen vermag. Also: 1.149 Euro für einen flotten Zwerg, der nebenbei auch noch größere Off-Cloud-Aufgaben schupfen kann. Mit einem Kilo Lebendgewicht ist er noch dazu federleicht. Wenig überraschend rechnen Analysten damit, dass Apple heuer noch 700.000 der Einsteiger-"Airbooks" verkauft.

Der Einstiegspreis von 999 Euro ist außerdem ein Angebot, das die globale Festplatten-Gemeinde durchaus aufhorchen lassen sollte. Auch wer lieber auf Windows arbeitet und für Apples Design-Faktor sowie die Mac-Plattform nichts übrig hat, dürfte im MacBook Air einen Bruder im Geiste erkennen, könnte das Produkt aus Cupertino doch - wie schon iPhone und iPad - bei den übrigen Herstellern Innovationsschübe und eine neue Preispolitik hervorrufen. Und wer einmal auf einem Flash-basierten Computer gearbeitet hat, dem ist bei der Ausrottung der Festplatte jeder befreundete Krieger recht.

Von Christoph Andert

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