Gig vor 800 Fans

Das Leben ist ein Zuckerwatte-Stand: Katy Perry in Wien

Musik
07.10.2010 03:02
Vor nur 800 Fans hat die US-Sängerin Katy Perry am Mittwoch in Wien einen exklusiven Club-Gig abgeliefert. Eine Stunde lang versüßte die 25-Jährige dem Publikum mit keckem Bubblegum-Pop und eingängiger Party-Musik den Abend und bewies dabei, dass man eine Zuckerl-Show auch glaubhaft und mit ordentlich Pfeffer rüberbringen kann. Für alle, die diesmal keine Karten erwischt haben: Am 27. Februar 2011 steigt in Wiener Stadthalle ein "ausgewachsenes" Konzert der Chartstürmerin.
(Bild: kmm)

Zuckerlrosa und pink sind normalerweise nicht die Farben, die man bei einem Konzert in der Arena Wien vorfindet. Und Katy Perrys Charthit "Hot 'n' Cold" würde man in der traditionellsten aller Anti-Mainstream-Locations der Bundeshauptstadt höchstens bei einem Konzert der "Los Colorados" (siehe Infobox) erwarten. Aber beim ersten Wien-Gig der amerikanischen Sängerin fühlte es sich so an, als gehörte die üppige Deko mit den überdimensionalen Herzchen-Lollies und Streuselmuffins eh schon immer zum Hausinventar. So perfekt und penibel von den Lutscher-Verteilern über die Einweiser-Kostüme setzte der heimische Mobilfunker T-Mobile seinen "Music Moment" mit der firmenfarbkompatiblen US-Sängerin in Szene, der als Krönung eines Videodrehs zur kommenden Single "Firework" mit 50 österreichischen Fans gefeiert wurde.

Frau Perry erobert Österreich seit ihrem Durchbruch im Jahr 2008 Konzert-mäßig in behutsamen Schritten. Ihr Live-Debüt gab sie vor leicht zufriedenzustellendem Aprés-Ski-Publikum in Ischgl, es folgte ein glamouröser, aber musikalisch noch eher zurückhaltender Eröffnungsauftritt beim Life Ball. Dazwischen lachte sie nur aus dem Fernseher oder aus der Skandalfrei-Abteilung der Klatschspalten (aktuell geht's dort um's Heiraten). Am Mittwoch galt es mit dem Club-Gig in der Arena - die "Krone" präsentierte das Konzert - nun aber eine Live-Stunde ohne Halbplayback- und Gala-Ausreden zu bewältigen. Und Frau Perry konnte ihre Fans auch da überzeugen.

Zwischen zwei Riesen-Bonbon-Stanitzeln, mannshohen Zuckerstangen und einer quietschbunt leuchtenden LED-Wand werkten eine fünfköpfige Band (Sound 1a, Groove 1a), zwei Background-Sängerinnen und ein Tänzerinnen-Duo, das abseits der Bühne eher selten naschen dürfte. "I want candy!", dröhnt aus den Lautsprechern und Perry trippelt in einem unverschämt engem Latex-Kleid, bei dessen Anblick jedem noch so gefassten Zuckerbäcker-Lehrling die Vanillekipferl zu Stangerl geraten, auf die Bühne.

Licht an, Film ab, die erste Ladung bunter Luftschlangen ins Publikum geschossen. Mo-ment. Auf den wuchtig hinausgepeitschten Schema-F-Hit "Hot 'n' Cold" folgen plötzlich ein paar Takte aus Dave Brubecks "Take Five" und der Text der Bi-curious-Hymne "I Kissed A Girl" - gerade lang genug angejazzt, damit geklärt ist: die Frau kann tatsächlich singen. Später wird sie noch zur Akustik-Gitarre greifen, um auch dem letzten Ungläubigen zu versichern, dass hier nicht die nächste Britney Spears steht. Tut sie auch nicht. Vielmehr ist Frau Perry, aufgewachsen als Tochter eines Pastors, eine Art Alanis Morissette, die ihre Songs bei Gummibärli und einer Seifenopfer schreibt, ein weiblicher Charmeur à la Robbie Williams, der die Welt am liebsten als ein kleines High-School-Puppenhaus betrachtet, in dem jeden Tag gefeiert, fröhlich gebumst und nie wirklich gestritten wird. Sie könnte die Sache wohl ernsthafter angehen und, tja, ernsthafte Musik machen. Aber wer bitte soll dann für den "Fun" im sonst so prüden "All American Pop" sorgen?

"Sometimes we all need to act a little silly", sagt Frau Perry, zupft noch schnell den Busen in der Latexpelle zu recht, von der sie bei jeder Bewegung exakt zu wissen scheint, wie viel noch geht, bevor's zu spät ist, und singt bei knapp einem Dutzend Songs von ihren beiden Alben "One Of The Boys" und dem neuen "Teenage Dream" über schmelzende Eislutscher, flotte Dreier und besoffenes Nacktbaden nach der Freitagabend-Party. Aber es muss nicht immer zweideutig sein: Mit Songs wie "Peacock" (Peacock-cock-cock, damit's alle verstehen) und schlüpfrigen Zeilen ("You make me feel like I’m losing my virginity") geht's auch unter die Gürtellinie, dann tut's aber fast schon weh.

Die "It's so great to be here"-Ausrufe dazwischen und ironische Fragen wie "Müsst ihr morgen früh alle zur Schule?" kauft man der 25-Jährigen wiederum ab, weil sie sie stets mit kumpelhaften Gesten rüberbringt. Ein paar Witze da, ein paar Albernheiten dort, Cartoon-haftes Augenzwinkern und ein hochdramatisches, weil eh voll ernstes Liebeslied zum Drüberstreuen - diese Frau steht offenbar wirklich zu dem, was sie macht.

Die Popwelt hat vielleicht schon Lyrics mit mehr Tiefgang und etwas forderndere Arrangements gehört, aber selten ließ sich in den letzten Jahren ein "Star" wohl so einfach begreifen, wie Katy Perry. Ihre Konzerte sind ein Besuch am Zuckerwattestand. Und man wird dort stets nur in einer bestimmten Stimmung hingehen und weiß dann zu 100 Prozent, was man bekommen wird - vorausgesetzt man verträgt's. So gesehen gibt's dann auch eher selten etwas zu reklamieren - oder war die Zuckerwatte schon mal wo versalzen?

von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

PS: Nach der geglückten "Generalprobe" in der Arena kommt Katy Perry nächstes Jahr auch für ein Konzert in voller Länge nach Wien. Die "Krone" präsentiert die Show am 27. Februar 2011 in der Wiener Stadthalle.

Ursprünglich hätte die Show im Gasometer steigen sollen, nachdem die Tickets aber binnen Stunden vergriffen waren, wurde die Pop-Show des Jahres 2011 in die Stadthalle verlegt, damit auch garantiert alle Fans dabei sein können.

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