Köpplinger hätte es eigentlich nicht mehr nötig, Visitenkarten zu verteilen. Der Intendant des Stadttheaters Klagenfurt verlässt sein Haus ab der Spielzeit 2012/2013 in Richtung Münchner Gärtnerplatztheater und will sich dort auf Musicals konzentrieren. Dass er das kann, bewies er einmal mehr mit seiner Volksopern-"Dolly". Kompagnon Sam Madwar stellte ein scherenschnittartiges New York um 1900 auf die Bühne, das die Kulissenschieberei gar nicht erst verheimlicht und dem Anti-Realismus von Thornton Wilders Textvorlage - der sich wiederum bei Nestroy bediente - gerecht wurde. In diesem Bilderbuch tummeln sich Charaktere, die man nicht neu zeichnen muss - Köpplinger überzeichnet sie.
Mit Sigrid Hauser hat die Volksoper die richtige Wahl für die lustige Witwe Dolly Levi gefunden, die ihre Kuppelshow zu einer Revue der menschlichen Schwächen macht. Resolut nähert sie sich der im weiblichen Stimmregister irgendwo im Keller angesiedelten Rolle und trifft auch noch den geschlechteroffenen Ansatz des Komponisten, der nicht erst mit "La Cage aux Folles" zur Ikone der Queer-Community avancierte. Als genialen Partner hat sie dabei Meyer auf der Bühne, ihr eigenes Objekt der Begierde. Der spielt mit seinen genervten Gesichtszügen wie Dolly mit ihren Kuppelopfern. Und noch nie war die Aussage "Man braucht ein Frauchen" ("It Takes A Woman") mit so viel Augenzwingern versehen, dass man Proteste wütender Feministinnen (und Feministen) sicher ausschließen kann.
Zu den Spielbällen Dollys gehören unter anderem Vandergelders ausgebeutete Mitarbeiter Cornelius Hackl und Barnaby Tucker. Wobei Daniel Prohaska als Ersterer seinen Status als Volksopern-Liebling charmant manifestierte, Peter Lesiak als Zweiterer ein witziges Debüt am Haus gab. Auch tänzerisch machten beide eine gute Figur in jener Produktion, die wie kaum eine auf der Volksopern-Bühne artistisch explodierte (Choreographie: Ricarda Regina Ludigkeit) und die rund zwei Stunden zu einer gefühlten halben werden ließ. Vor allem dank Wiener Staatsballett, Musical-Ensemble und Papierschlangen. Höhepunkt: Der "Kellnergalopp" sowie Dollys umschwärmter Auftritt samt Titelsong, bei dem Previn Moore als Oberkellner Rudolph eindeutig die Publikumsgunst gewann.
Aber auch das Volksopernorchester nähert sich weiter nach und nach internationalem Niveau an. Diesmal hatte man als Coach den Briten John Owen Edwards, der vom Pult aus fetten Sound provozierte und sogar ansatzweise Swing erzwang. Vor allem ist es aber die Teamarbeit, die bei dieser Produktion besticht und die deutsche (aber nicht peinliche) Übersetzung vergessen lässt. Und zumindest beim Song "Hello, Dolly!" waren die Originalzeilen unverzichtbar. Das wird wohl auch diese Produktion an der Volksoper werden, die damit das Niveau von Musical-Darbietungen der Stadt in neue Höhen schraubt. Der Beifall am Ende bestätigte es.
von Christian T. Schwei, APA
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