Demo in Washington

Gegen Obama: Ein Fernseh-Heini wiegelt Amerika auf

Ausland
28.08.2010 20:40
Zehntausende Gegner von US-Präsident Barack Obama haben am Samstag, zwei Monate vor den Kongresswahlen, mit einer Großdemo in Washington gegen die Politik der Regierung protestiert. Die Menge bestand hauptsächlich aus Unterstützern der "Tea Party", die als selbst ernannte Anarcho-Patrioten einen christlichen Minimalstaat fordern. Als ihr Anführer fungierte der Fernsehmoderator Glenn Beck, der mit der Demo unter Beweis stellte, dass die Bewegung an der Schwelle zur kritischen Masse steht.

Beck ist seit der Wahl Barack Obamas, der gerade seine letzten Urlaubstage in Martha's Vineyard verbringt, binnen kürzester Zeit zum medialen Zugpferd der Ultra-Konservativen geworden und hat sich parallel zur steigenden Einschaltquote immer mehr auf die Seite der als politisches Phänomen geltenden "Tea Party" geschlagen.

Mit seinen Shows in Radio und Fernsehen erreicht der 46-Jährige täglich 10 Millionen Amerikaner. "On Air" vertritt er die ganze Bandbreite konservativer Anschauungen des christlich-religiösen Moral-Fanatismus, zeigt sich regelmäßig als Fan von Verschwörungstheorien und stimmt ab und an auch rassistische Untertöne gegen Aktivisten und Minderheitenvertreter an.

Beck ist für ein striktes Abtreibungsverbot, für "Kein Sex vor der Ehe" und für die Waffenfreiheit, gegen Frauenrechtler und sämtliche Interessensverbände von Minderheiten, staatliche Sozialsysteme wie eine Krankenversicherung sowie gegen jegliche Staatsverschuldung und übermäßigen Regierungseinfluss. Stattdessen plädiert er für einen "christlichen Patriotismus", mit dem die US-Bürger wieder selbst die Geschicke des Landes lenken sollen. Die Großdemo, zu der er über seinen Heimatsender FOX aufgerufen hatte, lief unter dem Motto "Restoring Honour" (in etwa: die Ehre wiederherstellen).

Obama als Kommunist mit einem Hass auf Weiße
Sein Feindbild Obama bezeichnet Beck als Sozialisten und Kommunisten, der wolle, dass sich der Staat überall einmische. Außerdem unterstellt Beck dem ersten schwarzen US-Präsidenten einen "tiefsitzenden Hass auf Weiße" und nannte ihn auch wörtlich einen Rassisten. Regelmäßig nimmt der 46-Jährige in seinen Monologen zu Beginn seiner Shows auch darauf Bezug, dass Obama möglicherweise ein illegitimer Präsident sei, da seiner Meinung nach nicht geklärt wurde, ob Obama in den USA geboren ist.

Im März rief Beck in seiner Show amerikanische Kirchenbesucher auf, den Gottesdienst zu verlassen, sollte ein Prediger von "sozialer Gerechtigkeit" sprechen. Dieser Begriff sei lediglich ein Codewort für Kommunismus und Nationalsozialimus.

Beck als Erbe Martin Luther Kings
Am Samstag erreichte Beck, der mit seinen Shows, Büchern und einer eigenen Fernlehr-Universität allein im vergangenen Jahr laut "Forbes" rund 32 Millionen Dollar verdient hat, seinen vorläufigen Publikumshöhepunkt. Schon über die Wahl des Ortes war eine erbitterte Kontroverse ausgebrochen: Becks Anhänger versammelten sich an der Gedenkstätte für Abraham Lincoln - 16. Präsident der USA und Obamas großes Vorbild - und gleichzeitig ausgerechnet an dem Ort, wo vor genau 47 Jahren der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte "I have a dream"-Rede über eine Gesellschaft ohne Rassenschranken in den Südstaaten hielt.

Die Veranstaltung sei der Moment, "an dem wir die Bürgerrechtsbewegung zurückerobern", erklärte Beck. Der prominente Bürgerrechtsaktivist Reverend Al Sharpton kritisierte Beck für diese Aussage: "Sie veranstalten eine Anti-Regierungsdemo an dem Tag, als King kam, um die Regierung aufzufordern, mehr zu tun!" Becks Intimfeind im Fernsehen, der Satiriker John Stewart, meinte in Anspielung auf das Millionengeschäft Becks als "Amerikas Angstmacher Nummer 1", die Rede dazu müsste "I have a Scheme" (frei übersetzt: "Ich hab eine Abzockmasche") lauten.

Allerdings sprach auch Alveda King, eine Nichte Martin Luther Kings, vor dem Lincoln Memorial. Sie meinte, die derzeit schlechte Wirtschaftslage "reflektiert die moralische Armut Amerikas".

"Tea Party"-Galionsfigur ist eine Republikanerin
Die Veranstaltung war nicht ausdrücklich gegen den US-Präsidenten gerichtet - doch die ultrakonservative Stoßrichtung gegen die Regierung war unverkennbar. "Amerika beginnt heute, sich wieder zu Gott zu wenden", rief Glenn Beck, der nach einem Absturz in die Alkoholsucht 1999 zum Mormonentum konvertierte.

Nach seiner Einleitung überließ er der Galionsfigur der "Tea Party"-Bewegung die Bühne: Es handelt sich dabei um keine Geringere als Sarah Palin, die einstige Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikanischen Partei, die ihrerseits ebenfalls fleißig um die "Tea Party"-Stimmen buhlt. "Wir müssen Amerika wiederherstellen, seine Ehre wieder herstellen", rief Palin der Menge zu.

Die ehemalige Gouverneurin von Alaska, die für ihre erste "Tea Party"-Rede 100.000 Dollar Honorar kassiert haben soll, verglich nicht nur die heutigen Teilnehmer mit jenen Demonstranten, die vor 47 Jahren King lauschten und unterstützten, sondern legte auch den Umkehrschluss ein: nämlich, dass es jetzt genauso "Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt" zu überwinden gelte. Den Rest ihres Vortrags widmete sie den US-Soldaten, den "wahren Patrioten".

Starkes Lebenszeichen der Obama-Gegner
Die Veranstaltung galt nach Ansicht von Kommentatoren als Gradmesser für die Stärke der rechten "Tea Party"-Bewegung, die seit über einem Jahr gegen die Regierung zu Felde zieht. Mit bis zu 300.000 Teilnehmern war die Kundgebung praktisch voll. Zahlreiche "Tea Party"-Mitglieder der Bewegung bemühen sich derzeit um eine Kandidatur bei den Kongresswahlen am 2. November, bei der die parlamentarische Mehrheit Obamas auf dem Spiel steht.

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