Oberster Muslim

Schakfeh für Minarett in jedem Bundesland

Österreich
22.08.2010 16:32
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Anas Schakfeh, wünscht sich langfristig in jeder Landeshauptstadt Österreichs eine nach außen erkennbare Moschee inklusive Minarett. "Das ist die Hoffnung für die Zukunft", so Schakfeh. Eine Deutsch-Pflicht vor der Zuwanderung ist für ihn "nicht machbar", die aktuelle FPÖ-Kampagne im Wiener Wahlkampf verurteilt er. Außerdem spricht er sich gegen ein Burka-Verbot aus und hofft, dass die in der Öffentlichkeit bestehenden Klischee-Bilder von Muslimen korrigiert werden.

Schakfeh ist davon überzeugt, dass auf lange Sicht zumindest in jeder Landeshauptstadt ein adäquater Gebetsraum - also auch mit Minarett - stehen wird. "Denn auf lange Sicht kann man Menschen nicht verbieten, ihre wirkliche religiöse Freiheit, die verfassungsgeschützt ist, auszuüben." So hätten etwa evangelische Christen noch vor rund 150 Jahren keine Kirchen mit Türmen errichten dürfen, nun störe das niemanden mehr. "Deshalb bin ich für die Zukunft optimistisch, dass es irgendwann zu einer Normalität kommt", so Schakfeh.

"Selbstverständlich können wir auch in Moscheen ohne Minarett beten", so Schakfeh, "aber eine Kirche hat eine Struktur, eine Architektur. Und eine Moschee hat auch eine Architektur." Und wie bei christlichen Kirchen gebe es auch bei islamischen Gebetshäusern unterschiedliche Stile. "Es kann sich ein Stil für Mitteleuropa entwickeln", glaubt der IGGiÖ-Präsident. Man könne aber Kompromisse bei der Höhe der Minarette eingehen, auch Lautsprecher müssten nicht angebracht sein. Theologisch begründet sieht Schakfeh eine bestimmte Architekturform für Moscheen zwar nicht - wie auch christliche Kirchen ihre Baustile nicht theologisch vorschrieben. Trotzdem würden Gläubige in solchen Gebäuden Geborgenheit finden.

"Was wir an Bethäusern haben, reicht nicht aus"
"Die Anzahl der muslimischen Bevölkerung ist bei einer halben Million angelangt - was wir an Bethäusern haben, reicht nicht aus", betont Schakfeh die Notwendigkeit, die Infrastruktur für die Muslime auszubauen. Durch die anstehenden Wahlen plant die Glaubensgemeinschaft auch, kurzfristig in jeder Landeshauptstadt zumindest ein Verwaltungsgebäude zu betreiben. Derzeit gebe es dies neben Wien noch in Graz, Bregenz und Linz. In Klagenfurt wurde soeben ein Objekt gefunden. Die Büros sollen neben Anlaufstellen für Muslime auch Informationsstellen für am Islam Interessierte sein.

Die Einrichtung eines Klagenfurter Büros kommt übrigens nicht zufällig: Ab November wählen die Muslime in Österreich - auf Basis der neuen, lange erkämpften Verfassung - eine neue Vertretung. Den Beginn macht Kärnten, im April 2011 wird Wien als letztes Bundesland an der Reihe sein. Derzeit registrieren sich viele der geschätzten 500.000 Muslime in Österreich. Wie viele registrierte Mitglieder die IGGiÖ letztendlich haben wird, kann Schakfeh noch nicht sagen, er rechnet mit mehreren Zehntausend. Ein Zwischenstand soll im September präsentiert werden.

"Wir sind viel besser als unser derzeitiger Ruf"
Die Anlaufstellen und die stärkere Präsenz der Muslime in der Öffentlichkeit sollen auch helfen, Vorurteile abzubauen. "Das falsche Bild kann man nicht einfach durch plakatieren oder reden verbessern, sondern die Praxis wird das machen." Je mehr Menschen etwas mit Muslimen zu tun hätten, desto besser. "Natürlich sind nicht alle Muslime Engel, wir sind normale Menschen wie alle anderen auch. Aber wir sind viel besser als unser derzeitiger und bisheriger Ruf." Nicht irritieren lassen sollten sich die Menschen dabei von Meldungen aus dem Ausland, etwa über Terror-Anschläge. "Die schaden uns immer. Wir sind ganz bestürzt darüber, dass so etwas geschieht."

Als eine der Errungenschaften seiner Amtszeit sieht Schakfeh, dass der Islam - nicht nur in Österreich - inzwischen zu einer anerkannten Institution geworden ist. "Wir werden nicht mehr als eine Ausländerorganisation betrachtet, nicht mehr als Exoten." Nach der Wahl der Muslime ist es Zeit für den bereits vor Jahren angekündigten Rückzug Schakfehs ins Privatleben. Sentimental wird er bei diesem Gedanken nicht: "Nein, ich warte drauf. Meine Aufgabe ist dann erledigt." Der scheidende Präsident überlegt sich, ein Buch über Islam zu schreiben - eine "Innensicht".

Deutsch-Pflicht vor Zuwanderung "nicht machbar"
Die von der Regierung geplante Deutsch-Pflicht vor der Zuwanderung ist für Schakfeh schlicht "nicht machbar". Da die Möglichkeiten für Kurse oft nur in den Hauptstädten der Herkunftsländer bestünden, müssten Zuwanderer so zweimal emigrieren - "einmal von der Provinz in die Hauptstadt und dann nach Österreich". Laut Schakfeh sind die Integrationspläne der Regierung "ein Tor, das man gegenüber Emigranten schließt. Das hat mit Integration wenig zu tun, denn wer emigriert oder emigrieren muss, ist bereits im Lande". Auch innerhalb der ÖVP-Reihen sei dies eine umstrittene Frage, weist der IGGiÖ-Präsident auf Stimmen von Wirtschaftsvertretern und aus dem Außenministerium hin, die eine geregelte Zuwanderung befürworten. "Andererseits kommt Innenministerin Maria Fekter mit Erschwernissen und rigorosen Maßnahmen."

"Freiheitliche haben Monopol auf Fremdenfeindlichkeit"
Die aktuelle FPÖ-Kampagne zu den anstehenden Wahlen in der Bundeshauptstadt ("Mehr Mut für unser 'Wiener Blut' - Zu viel Fremdes tut niemandem gut") goutiert Schakfeh erwartungsgemäß nicht, wundert sich aber auch nicht, da "die Freiheitlichen ein Monopol auf Fremdenfeindlichkeit haben". "Wir glauben, dass diese Partei nicht und niemals aufhören wird, solche Ideen und auf solche Parolen zu verwenden. Denn ansonsten haben sie ein dünnes Programm oder gar keines." Eine Wahlempfehlung oder -warnung gibt es von der IGGiÖ allerdings nicht: "Das werden wir nicht tun, denn die Menschen sind nicht dumm."

"Burka-Verbot isoliert Trägerinnen gesellschaftlich"
Ein Burka-Verbot lehnt Schakfeh ab, da es auch keine Trägerinnen in Österreich gebe. "Wir empfehlen ihnen diese Form der Schleier nicht", so der IGGiÖ-Präsident, ein Verbot wäre jedoch "kontraproduktiv" und würde die Trägerinnen "gesellschaftlich isolieren": "Wir wollen die Frauen nicht von einer Bevormundung in eine andere Bevormundung transferieren." Sollte das Tragen eines Kopftuches keine freie Entscheidung der Betroffenen sein, würden sich die Glaubensgemeinschaft und andere Institutionen als Anlaufstelle anbieten. "Da muss man wirklich Programme und Maßnahmen entwickeln. Man muss garantieren können, dass die Frau wirklich ihre eigene Entscheidung trifft."

FPÖ für Zuwanderungsverbot, BZÖ für Minarett-Bauverbot
FPÖ und BZÖ reagieren erwartungsgemäß empört auf den Wunsch Schakfehs, langfristig eine Moschee mit Minarett in jeder Landeshauptstadt zu errichten. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky bezeichnet Moscheen als "Brutstätten des radikalen Islams" und verlangt ein "Zuwanderungsverbot für Personen aus dem islamischen Raum". Ähnlich BZÖ-Menschenrechtssprecher Gerald Grosz, der Moscheen als "Widerstandsnester einer demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Parallelgesellschaft" darstellt und ein "Bauverbot für Moscheen und Minarette" in allen Bundesländern verlangt.

Der Integrationsbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft und Wiener SPÖ-Abgeordnete Omar Al Rawi fordert nun eine Entschuldigung von FPÖ und BZÖ. Mit den neuen Aussagen sei "ein neuer Tiefpunkt" in der Debatte erreicht: "Gerade im Fastenmonat Ramadan den Muslimen auszurichten, was man von ihren Gebetsräumen hält, ist ein Schlag ins Gesicht der in Österreich 500.000 lebenden Musliminnen und Muslime." Gerade der Fastenmonat sei ein guter Anlass, miteinander ins Gespräch zu kommen und Vorurteile abzubauen, so Al Rawi: "Anstatt mit solcher Hetze und Pauschalierungen zu agieren, sollten diese Politiker endlich ihre islamfeindliche Agitation einstellen und sich für die Entgleisungen entschuldigen."

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