Nachgefragt

Faymann: “Fordere Offenlegung der Parteispenden!”

Österreich
21.08.2010 20:12
In der vergangenen Woche haben die Grünen angesichts zahlreicher Falle von fragwürdigen Geldflüssen in Richtung politischer Parteien all ihre Spenden offengelegt. Nun will auch Bundeskanzler Werner Faymann völlige Transparenz, wie er im „Krone“-Interview mit Nadia Weiss sagt. Auch zu Sparmaßnahmen bei ÖBB und Lehrern bezog der Kanzler Stellung.

„Krone“: Herr Bundeskanzler, die Ferien sind zu Ende, am Dienstag ist der erste Ministerrat nach der Sommerpause angesetzt. Welche neuen Strategien für Österreich haben Sie in den vergangenen Wochen entwickeln können?
Werner Faymann: Wie wahrscheinlich den meisten Österreichern ist mir gerade in diesem Sommer klar geworden, dass unser Land im internationalen Vergleich viel besser dasteht als andere EU-Mitglieder. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit, und darauf können wir stolz sein. Daher bleiben Ausbildungsgarantie, Umsetzung der Konjunkturpakete und Beschäftigungsprogramme meine Themen für den Herbst. Allerdings möchte ich, dass Österreich in Zukunft nicht nur das Land mit der geringsten Arbeitslosenrate, sondern auch mit der geringsten Korruption ist.

„Krone“: Sie sehen im Bereich Korruption akuten Handlungsbedarf?
Faymann: Es darf hier kein Zweifel bestehen, dass Österreich mit allen Mitteln Korruption und unlauteres Spekulantentum bekämpft. Die sauren Wiesen müssen, um Rudolf Kirchschläger zu zitieren, trockengelegt werden.

„Krone“: Welche konkreten Maßnahmen gibt es?
Faymann: Auf Wunsch der Vertretungen von Staatsanwaltschaft und Richtern wird Anfang September ein Gipfelgespräch mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, Finanzminister Josef Pröll und Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek einberufen.

„Krone“: Diese Konstellation lässt vermuten, dass es um eine Aufstockung des Justiz-Personals geht?
Faymann: Das ist zum Teil bereits geschehen, und es ist meiner Meinung nach auch der einzige Weg, um eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren und der Aufklärung jener Umstände zu erwirken, die bei der Bevölkerung zu Recht Misstrauen hervorrufen.

„Krone“: Sie haben von Korruption gesprochen. Meinen Sie damit auch Gerüchte um Parteienfinanzierungen?
Faymann: Damit hier endlich Transparenz herrscht, fordere ich, dass künftig jegliche Parteispende, die 7000 Euro überschreitet, nicht nur dem Rechnungshof gemeldet, sondern auch öffentlich einsehbar ist. Hier darf es keine Dunkelzonen mehr geben. Es gibt in Österreich eine Parteienförderung, damit sich Parteien eben nicht heimlichen Geldgebern und Lobbyisten ausliefern müssen.

„Krone“: Die Landesorganisationen der SPÖ führen ihre Geschäfte völlig unabhängig vom Bund. Haben Sie Ihre Forderung mit den jeweiligen Verantwortlichen abgesprochen?
Faymann: Ich habe jedenfalls die Zustimmung des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl.

„Krone“: Wie relevant sind Parteispenden für die Bundes-SPÖ, welchen Anteil am Budget decken sie ab?
Faymann: Sie sind für uns keinesfalls existentiell, seit ich Parteichef bin, hat es keine Spende über 7000 Euro gegeben.

„Krone“: Eigentlich schade – Spender sind doch im positiven Sinne Unterstützer eines politischen Weges?
Faymann: Unterstützung hängt meiner Auffassung nach nicht davon ab, wie viel Geld jemand einer Partei zur Verfügung stellen kann. Bisweilen werden diese auf verschiedene Coleurs aufgeteilt, mit der Hoffnung, sich so mehr Vorteile verschaffen zu können. Werden Spenden offengelegt, muss sich jemand auch dazu bekennen.

„Krone“: Dennoch bleibt es wahrscheinlich, dass sich ein großer Spender möglicherweise eine Gegenleistung erwartet?
Faymann: Wenn jemand eine gute Idee hat, ist er willkommen, ob er nun gespendet hat oder nicht, ein Wirtschaftsboss, Student oder Lehrling ist. Das darf nichts mit Spenden zu tun haben.

„Krone“: Derzeit scheinen gute Ideen für die Budgetsanierung gesucht zu werden. Welche neuen Steuern kommen nun tatsächlich auf uns zu?
Faymann: Im Moment zeigen die Wirtschaftsdaten nach oben. Es ist aber noch zu früh, ein Fest zu feiern, auch noch zu früh, um zu konstatieren, wie viel die Krise tatsächlich gekostet hat. Aber wir sind weit genug zu sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Natürlich kann es wieder zu einem Rückschlag kommen. Dennoch ist aller Grund vorhanden, sich über das Wirtschaftswachstum, auch im Hinblick auf den Staatshaushalt, zu freuen.

„Krone“: Das heißt, wir brauchen womöglich gar keine neuen Steuern?
Faymann: Wenn die Wirtschaft wieder so wächst, wie sie es in der Hochkonjunktur getan hat, dann braucht man natürlich weniger Einnahmen. Da wir jedoch verantwortungsvoll mit dem Budgetdefizit umgehen wollen, ist klar, dass wir eine Fülle von Maßnahmen brauchen, um das zurückzuholen, was uns die Krise kostet. Sollte das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren viel höher als erwartet sein, bleibt Geld für Bildung und Forschung übrig.

„Krone“: Reicht Sparen als Maßnahme nicht aus?
Faymann: Mein Schlüssel lautet: zu 60 Prozent sparen und zu 40 Prozent einnehmen. Jedes Ministerium hat die Aufgabe bekommen, bei sich einzusparen, und dies wird uns im Herbst mit Sicherheit gelingen. Gerade die Beamtenministerin wird zeigen können, wie stark wir Personal reduzieren können.

„Krone“: Auch bei den ÖBB?
Faymann: Darüber wird man diskutieren, genauso wie darüber, ob Lehrer nicht ein paar Stunden mehr arbeiten könnten.

„Krone“: Sie haben heuer den 50. Geburtstag gefeiert. Wären Sie ein durchschnittlicher ÖBB-Mitarbeiter, würden Sie in zwei Jahren in Pension gehen. Ist das gerecht?
Faymann: Man muss die Geschichte sehen: Viele dieser Verträge wurden abgeschlossen, um ihnen im Gegensatz zu relativ bescheidenen Gehältern einen sicheren Job und eine begrenzte Anzahl an Dienstjahren in Aussicht zu stellen. Bereits abgeschlossene Vereinbarungen können nicht einseitig aufgekündigt werden. Neue Dienstverhältnisse können auf Zeitmäßigkeit überprüft werden.

„Krone“: Im Rahmen der ORF-Sommergespräche treffen heuer Partei-Chefs auf Wirtschaftslenker. Wie finden Sie diese Idee?
Faymann: Meiner Meinung nach ist sie nicht ideal, weil ich für eine lebendigere Diskussion mit mehreren Fragestellern bin. Eine solche hat sich zum Beispiel immer wieder ergeben, wenn ich auf Schulklassen treffe. Aber ich wurde vom ORF ja nicht nach meiner Meinung gefragt.

„Krone“: Hätten Sie das gerne gehabt?
Faymann: Aber nein! Und ich rechne auch nicht damit, dass es die ORF-Journalisten in Zukunft tun werden.

Kronen Zeitung

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