Brände kommen näher

Russland: Notstand über Atomdeponie verhängt

Ausland
09.08.2010 15:55
Angesichts einer herannahenden Feuersbrunst haben die russischen Behörden in der Umgebung einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage im Ural den Notstand verhängt. Die Behörden der Stadt Osjorsk teilten in einer Erklärung mit, die Flammen näherten sich der Anlage von Majak, wo atomare Abfälle gelagert und wiederaufbereitet werden. In Moskau hat der Rauch bereits zu einer Verdoppelung der Todesrate geführt.

Der Chef der Verwaltung habe "wegen der Ausbreitung der Brände am 6. August den Notstand in den Wäldern und Parks der Stadt Osjorsk verhängt", heißt in dem am Montag veröffentlichten Kommunique.

Osjorsk und die Anlage Majak liegen im Bezirk Tscheljabinsk, rund 2.000 Kilometer östlich von Moskau. Am Dienstag soll eine Dringlichkeitssitzung über weitere Rettungsbemühungen beraten. Bereits am Sonntag hatte Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu die verstärkte Brandbekämpfung in der Nähe des Atomforschungszentrums Sneschinsk angeordnet. In der vergangenen Woche hatten die Brände das wichtigste Atomwaffen-Forschungszentrum bei Sarow, etwa 500 Kilometer östlich von Moskau, bedroht.

Risikoforscher sieht Gefahren für AKWs
Gefahren für Atomkraftwerke durch die Waldbrände in Russland sieht der Risikoforscher Wolfgang Kromp. In der "ZiB2" sagte der Leiter des Instituts für Risikoforschung an der Universität Wien, dass von der bedrohten atomaren Wiederaufbereitungsanlage Majak nicht die Hauptgefahr ausgehe, bedrohlicher sei ein anderes Problem. So seien in den vergangenen Tagen aufgrund der Brände zwei Transformator-Anlagen explodiert.

Das könne "böse ausgehen", weil Atomkraftwerke auch Strom von außen benötigen. Wenn in einem abgeschalteten AKW für das radioaktive Material keine Kühlung möglich sei, dann sei ein Schwerstunfall möglich. Kromp glaubt zwar nicht, dass Österreich in einem solchen Fall unmittelbar bedroht wäre, was aber alles möglich sei, habe man im Falle Tschernobyl gesehen. Eine etwaige Verstrahlung würde dann von der Wetterlage abhängen.

Sterberate in Moskau hat sich verdoppelt
Durch die andauernde Rekordhitze und den giftigen Smog, der durch die Brände dramatisch verschlimmert wird, sterben derzeit doppelt so viele Moskauer wie sonst - nämlich täglich etwa 700. Normalerweise liege die Zahl bei 360 bis 380 Todesfällen pro Tag, so Andrej Selzowski, Chef der Moskauer Gesundheitsbehörde. Ein Ende des Infernos ist nicht in Sicht: Übers Wochenende hat sich die in Flammen stehende Fläche auf mehr als 240 Hektar verdreifacht.

Die Konzentration von giftigem Kohlenmonoxid in der Luft überschreitet den zulässigen Grenzwert in Moskau derzeit um mehr als das Sechsfache, berichtet Selzowski. Die Zahl der unmittelbar durch die Brände getöteten Opfer liegt nach Angaben der Gesundheitsbehörden weiterhin bei 52. Indirekt seien mittlerweile aber schon Hunderte Tote zu beklagen.

In den Leichenhallen der Stadt werden derzeit 1.300 Tote aufgebahrt, man werde bald an die Kapazität von 1.500 Leichen stoßen. In Moskau herrscht seit Wochen eine Hitzewelle mit Temperaturen von knapp 40 Grad. Nach Angaben von Meteorologen ist vor Mittwoch nicht mit einer Besserung zu rechnen.

Bürgermeister bricht Urlaub ab - Bürger flüchten in die Ferien
Der umstrittene Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow brach am Sonntag seinen Urlaub ab. Zuvor hatte sein Sprecher eine vorzeitige Rückkehr Luschkows nach Moskau mit der Begründung abgelehnt, die Torfbrände seien ein Problem des Moskauer Gebietes und nicht der Stadt. Doch schon damals war eher das Gegenteil Realität.

Bei den wohlhabenden Moskauern hat inzwischen ein regelrechter Exodus eingesetzt. Am Wochenende gab es keine Plätze mehr für Flugreisen in Ferienziele, sagte Irina Turina vom russischen Reiseveranstalterverband dem Radiosender Moskauer Echo. "Der Rauch hat den Wunsch der Moskauer geweckt, die Stadt zu verlassen." Das tun allerdings nur diejenigen, die es sich leisten können, während ein Großteil der Bevölkerung wie schon seit Ende Juli weiter unter Hitze und Smog leidet.

Internationale Hilfe im Kampf gegen Brände
Landesweit lodern noch immer mehr als 500 Wald- und Torffeuer auf einer Fläche von mehr als 240 Hektar. Im europäischen Teil des Landes ist die Lage am schwierigsten. Betroffen sind nach Einschätzung des Zivilschutzministeriums vor allem das Gebiet um Nischni-Nowgorod rund 400 Kilometer östlich von Moskau sowie die Umgebung der Hauptstadt selbst.

Unterdessen traf immer mehr internationale Hilfe in Russland ein. Deutschland versprach 100.000 Atemschutzmasken sowie Gerät zur Brandbekämpfung. Die französische Regierung schickte ein Löschflugzeug sowie 120 Feuerwehrleute. Nahe Moskau kämpfen 100 bulgarische Spezialisten gemeinsam mit russischen Einsatzkräften gegen die Flammen. Auch Italien und Polen schicken Hilfe.

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