2.270 Euro pro Kopf

Unsere Gemeinden bundesweit erneut “Schuldenkaiser”

Niederösterreich
27.07.2010 15:15
Die österreichischen Gemeinden sind schon jetzt tief in den roten Zahlen, Spitzenreiter der Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen ist Niederösterreich. Insgesamt sind die 2.356 Gemeinden (ohne Wien) im Vorjahr mit 11,2 Milliarden Euro in der Kreide. Hatten im Jahre 2007 rund 40 Prozent der Bürgermeister mit einem Budgetdefizit zu kämpfen, soll laut einer Prognose des Verwaltungsforschungs-Zentrums KDZ im Jahr 2013 etwa die Hälfte nicht einmal mehr die laufenden Kosten durch Einnahmen abdecken können.

Die Gemeinden legen auf die exakt 23.901 Euro Schulden, die der chronisch defizitäre Bund derzeit pro Bürger hat, schon jetzt im Schnitt 1.684 Euro drauf. Heuer werden die Gemeinden insgesamt 12,1 Milliarden Euro ausgeben und 12,5 Milliarden Euro einnehmen - bleiben also rund 400 Millionen Euro für Investitionen, etwa in Schulen, Kindergärten oder Kanalisation.

Spätestens 2013 wird die Bilanz dann kippen: Ausgaben von 13,75 Milliarden Euro stehen dann nur noch Einnahmen von 13,6 Milliarden Euro gegenüber. Damit werden fast alle Bürgermeister in Österreich Budgetdefizite einfahren, etwa die Hälfte von ihnen wird laut KDZ nicht einmal mehr die laufenden Kosten durch Einnahmen abdecken können - ganz zu schweigen von zusätzlichen Investitionen.

Bisher war nur der Bund chronischer Schuldner
Die Gemeinden betreten damit Neuland, denn im Unterschied zum Bund, für den das jährliche Budgetdefizit der Normalfall ist, waren die kommunalen Finanzen bisher zumindest in Summe ausgeglichen. Von 2001 bis 2008 erbrachten die Gemeinden, betrachtet nach den Maastricht-Kriterien, leichte Überschüsse, erfüllten damit (im Gegensatz zu Bund und Ländern) den innerösterreichischen Stabilitätspakt und verbesserten teilweise auch die Budget-Bilanzen ihrer jeweiligen Bundesländer. Ab 2010 erwartet das KDZ jedoch Maastricht-Defizite auch bei den Gemeinden.

Laut den Zahlen der Statistik Austria ist die Pro-Kopf Verschuldung der Kommunen in Niederösterreich mit 2.270 Euro pro Gemeindebürger am höchsten, am geringsten mit 1.144 Euro in Tirol bzw. mit 865 Euro in Wien. Durchschnittlich steht jeder Österreicher für seine Gemeinde (ohne Wien) mit 1.664 Euro in der Kreide. Inklusive Bundes- und Länderschulden sind es rund 25.000 Euro.

Krankenhäuser als Schuldenfalle für Gemeinden in NÖ
Ein Grund für die triste Lage der niederösterreichischen Gemeinden ist, dass sie lange selbst Spitalserhalter waren und die Krankenhäuser erst spät an das Land abgetreten wurden, heißt es beim KDZ. Obwohl die meisten Spitäler mittlerweile dem Land obliegen, sind Gesundheits- und Sozialausgaben aber weiterhin die wesentlichsten "Kostentreiber" für die Gemeinden. Sie müssen nämlich je nach Bundesland unterschiedlich hohe Kostenbeiträge dafür leisten. Insgesamt werden "Krankenhausumlage" und "Sozialhilfeumlage" bis 2013 um 10 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro anwachsen und damit zum größten Ausgabenposten der heimischen Gemeinden vor dem Verwaltungs- und Betriebsaufwand (3,8 Milliarden Euro) und den Personalkosten (3,2 Milliarden Euro).

Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinden

  • Burgenland 1.302 Euro
  • Kärnten 1.225
  • Niederösterreich 2.270
  • Oberösterreich 1.697
  • Salzburg 1.255
  • Steiermark 1.677
  • Tirol 1.144
  • Vorarlberg 1.740
  • Wien 865

Summe ohne Wien: 1.684 Euro
Summe mit Wien: 1.518 Euro

Eine detaillierte Aufstellung über die Pro-Kopf-Schulden der einzelnen Gemeinden in Österreich bietet die Statistik Austria als Excel-Tabelle an (siehe Download-Link in der Infobox).

KDZ: Synergien nutzen, Steuerbefreiungen abbauen
Das KDZ empfiehlt den österreichischen Bürgermeistern verstärkte Kooperationen über Gemeindegrenzen hinweg. Außerdem könnten die Gemeinden ihre Steuereinnahmen stärken - etwa durch Streichung von Ausnahmen bei der Kommunalsteuer und durch eine Reform der Grundsteuer. Eine besondere Herausforderung sieht KDZ-Experte Manuel Köfel in der Altenpflege, wo er für eine Pflegeversicherung plädiert. "Es wird insgesamt schwer möglich sein, das nur ausgabenseitig zu schaffen, weil der Nachfrageanstieg so groß ist."

Aber auch bei der wichtigsten Gemeindesteuer, der Kommunalsteuer, sieht Köfel Reformpotenzial: Über die Kommunalsteuer fließen drei Prozent der Lohnsumme eines jeden Arbeitnehmers an die Gemeinde. Ausgenommen sind aber (neben länderspezifischen Befreiungen) auch Beamte, Eisenbahner und Sozialversicherungs-Mitarbeiter. Die Ausnahmen könnte man abbauen, meint Köfel. Möglich wäre auch die derzeit auf Bundesebene diskutierte Reform der Grundsteuer.

Außerdem drängt der KDZ-Experte auf Verwaltungskooperationen über Gemeindegrenzen hinweg. Nach dem Motto "fünf Gemeinden, eine Verwaltung" könnte man "Skaleneffekte" nutzen, wenn sich etwa mehrere kleine Gemeinden einen Bauhof teilen oder ein gemeinsames Verwaltungszentrum mit flexibleren Öffnungszeiten betreiben. Außerdem könnten die komplexen Finanzströme zwischen Ländern und Gemeinden entflochten werden, indem die Länder etwa die derzeit geteilten Kosten für die Krankenhäuser selbst übernehmen und die Gemeinden dafür die Kindergärten in ihre Alleinverantwortung übernehmen.

Gemeinden wollen Pflege und Kindergärten loswerden
Von Verwaltungskooperationen und Einsparungen wollen die Gemeinden eher weniger wissen. "Bei der Verwaltung wird es eng werden, noch was einzufordern. Dann ginge es an die Substanz der Leistung für den Menschen", meint Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. Der Interessensvertreter, der sich gerade für die kommende Woche in Bad Aussee stattfindenden Kommunalen Sommergespräche rüstet, möchte die Gemeinden am liebsten von der Pflege- und Kinderbetreuung entbunden sehen.

"Ein ganz großes Ziel für den Herbst muss es sein, die Pflege zu lösen. Was hier bisher geschehen ist, war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Sozialbereich ist eine große Herausforderung", erklärte Mödlhammer, denn bei den Kosten gebe es "enorme Zuwächse". Dem KDZ-Vorschlag, Synergien zu nutzen, stehen die Gemeinden positiv gegenüber. Die Kommunen veränderten bereits ihre Strukturen, es gebe Kooperationen etwa bei der Kinderbetreuung, in der Pflege oder bei Friedhöfen, so Mödlhammer.

"Bund soll Reformpaket auf die Beine stellen"
Mödlhammer sieht den Ball bei der Bundesregierung. Die müsse ja ein gesamtes Reformpaket auf die Beine stellen. Über den Sommer sollen Vertreter des Bundes, der Länder und der Gemeinden arbeiten, um die Probleme wie Haushaltssanierung und Pflege zu lösen.

Die finanziellen Herausforderungen für Gemeinden stehen im Zentrum der fünften Kommunalen Sommergespräche, zu denen der Österreichische Gemeindebund und die Kommunalkredit Austria von Mittwochabend bis Freitag nach Bad Aussee laden. Politiker, Wissenschafter und Vertreter aus der Wirtschaft werden dabei die Zukunftsfragen der öffentlichen Hand diskutieren.

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