Fall Julia Kührer

Ermittler sehen Verdacht gegen Trio erhärtet

Niederösterreich
12.05.2010 17:48
Nach den Einvernahmen der drei am Montag Verhafteten im Fall Julia Kührer geht die Staatsanwaltschaft Korneuburg nun offenbar definitiv davon aus, dass die 27-jährige Frau, ihr um ein Jahr jüngerer Ex-Partner und ihr 21-jähriger Bruder "am Verschwinden der Julia Kührer beteiligt waren". Zentrale Bedeutung misst die Anklagebehörde einem abgehörten Telefonat bei, das der Ex-Partner der Frau am 1. Mai mit dieser führte. Trotzdem wurden am Mittwoch alle drei Verdächtigen auf freien Fuß gesetzt.

Im Fall des 21-Jährigen, der mitsamt seiner Schwester und deren Ex-Freund am Montag bei Razzien der Polizei in der Umgebung von Kührers Heimatort Pulkau festgenommen wurde, konnte die Staatsanwaltschaft die U-Haft offenbar gar nicht erst beantragen, weil der junge Mann zum Zeitpunkt des Verschwindens der damals 16-Jährigen noch minderjährig war. Er wurde noch am Dienstagabend freigelassen.

Anwalt Roland Friis meinte, der 21-Jährige habe mit dem Verschwinden Julias "absolut nichts zu tun". Er sei "ganz sicher nicht schuldig".

Offenbar nicht genug Indizien für U-Haft
Bei der ersten U-Haft-Verhandlung am Mittwochnachmittag wurde dann auch die 27-Jährige auf freien Fuß gesetzt.

Der zuständige Korneuburger Haftrichter hatte über eine Videokonferenz die Verdächtige befragt. Am Ende reichten dem Richter offensichtlich die Indizien nicht aus, um die U-Haft zu verhängen. "Meine Mandantin wurde daher mangels dringenden Tatverdachts zur Freiheitsentziehung enthaftet", erklärte ihr Verteidiger Normann Hofstätter um 15 Uhr nachmittags. Seine Mandantin sei "aufgrund eines leisen Verdachts" festgenommen worden. Sie habe mit dem Mädchen "keinen näheren Kontakt gehabt", widersprach er der Staatsanwaltschaft, die von einer "Nahebeziehung" ausgeht.

Der Umstand, dass bei der 27-Jährigen Drogen sichergestellt worden sind, wurde in der Haftverhandlung zwar thematisiert. Einerseits soll es sich dabei aber um geringe Mengen gehandelt haben, "vor allem aber ist klar, dass das nicht einen Zusammenhang mit dem Verschwinden Julias indiziert", betonte Hofstätter.

Anwalt: "Am Ende bleibt nichts übrig als ein toter Hund"
Nur rund eine Stunde später, kurz vor 16 Uhr, wurde dann im Fall des 26-Jährigen der Antrag auf Untersuchungshaft abgelehnt. Der Haftrichter setzte den jungen Mann auf freien Fuß. Die Indizien, um den 26-Jährigen in U-Haft zu nehmen, reichten dem Richter nicht aus. "Es fehlt der dringende Tatverdacht in Richtung Freiheitsentziehung", erläuterte Gerichtssprecherin Christa Zemanek. Damit sei keine Basis für die Anhaltung des Mannes gegeben.

Johannes Öhlböck, der Verteidiger des 26-Jährigen, hat nach der Enthaftung Kritik an der Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden geübt. "Mein Mandant kann sich nicht erklären, weshalb er festgenommen wurde und weshalb zehn bis zwölf schwer bewaffnete Cobra-Beamte gerade seine Wohnung gestürmt und seinen Hund erschossen haben", sagte Öhlböck. "Er kennt Julia Kührer persönlich nicht", versicherte der Anwalt des Verdächtigen.

Der Haftrichter habe jedenfalls zur Erleichterung seines Mandanten festgestellt, dass hinsichtlich der Vermissten gegen diesen kein dringender Tatverdacht gegeben sei und damit kein Haftgrund vorliege. "Der Richter hat wörtlich gemeint, die Suppe ist zu dünn", berichtete Öhlböck. Am Ende des Tages "bleibt daher nichts übrig als ein toter Hund", bilanzierte der Anwalt.

Cobra-Chef Bernhard Treibenreif sagte in Bezug auf den Hund am Mittwoch zur "Krone": "Es tut uns leid, dass wir den Hund erschießen mussten. Doch wir wussten nicht, ob der Verdächtige eine scharfe Waffe besitzt." Aufgrund der Vorgeschichte des 26-Jährigen soll dies aber durchaus möglich gewesen sein. Ein Hundführer sei bei der Kommando-Aktion dabeigewesen, als das Tier jedoch die Cobra-Leute attackierte, habe "Gefahr im Verzug" bestanden. Bei der Razzia am Wohnort der 27-jährigen Frau ließ sich deren Hund problemlos anleinen, hieß es vonseiten der Cobra-Beamten.

Ermittler: Trio bei Einvernahmen "nicht sehr kooperativ"
Die Staatsanwaltschaft hatte die Anträge auf Untersuchungshaft am Mittwoch mit Verdunkelungsgefahr begründet. Am Montag hatte man bei Hausdurchsuchungen Mobiltelefone und Computer sichergestellt, entdeckt wurden auch synthetische Drogen, "Tabletten mit der Wirkung von K.-o.-Tropfen" und mehrere Gaspistolen. Konkrete Spuren zum Verbleib von Julia Kührer gab es aber offenbar nicht.

Die Verdächtigen waren am Montag ab mittags bis 22.00 Uhr befragt worden, am Dienstag wurden die Einvernahmen um 8.00 Uhr fortgesetzt und dauerten - mit Pausen - bis 20.00 Uhr. Die 27-Jährige habe sich dabei "nicht sehr kooperativ gezeigt, wenig gesagt und war sehr zurückhaltend in ihren Aussagen", berichtete BK-Sprecher Alexander Marakovits. Es sei aber nicht so, "dass es keine heißen Spuren gibt", meinte der Kriminalbeamte.

Die Anklagebehörde unterstellte dem Trio die Intention, "die Wahrheitsfindung wesentlich zu erschweren oder gar unmöglich zu machen". Es sei "im Zusammenhalt mit den bisherigen Erhebungsergebnissen zu schließen", dass sie "an der Freiheitsentziehung der Julia Kührer beteiligt waren bzw. sind".

Telefone der Verdächtigen schon länger abgehört
Vor den Haftverhandlungen wurde dann bekannt, dass bei den drei Verdächtigen offenbar schon länger gerichtlich bewilligte Rufdatenüberwachungen und Abhörungen durchgeführt worden sind. Ein Gespräch, bei dem die Sondergruppe "Zielfahndung Vermisste" mithörte, dürfte die entscheidenen Hinweise auf das am Montag verhaftete Trio gebracht haben.

Der 26-Jährige soll im Vorfeld in Erfahrung gebracht haben, dass ein Ex-Freund Julias von Ermittlern des Bundeskriminalamts neuerlich vernommen worden war. In dem Telefonat warnte der 26-Jährige dann die 27-Jährige, der Bursche habe "alle verpfiffen" und die Polizei würde nun nach ihm selbst suchen. Über die Identität des Ex-Freundes machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben.

"Nahebeziehung" zur Vermissten
Auch Ergebnisse der Rufdatenerfassungen machten die Ermittler stutzig: Demnach war Julia mit ihrem Mobiltelefon eine Dreiviertelstunde, nachdem sie zum letzten Mal am Hauptplatz in Pulkau gesehen wurde, in einer Mobilfunkzelle in unmittelbarer Nähe zum Wohnsitz der Großeltern des 26-Jährigen eingeloggt.

Für die Ermittler ergaben sich daraus ausreichende Indizien, um davon auszugehen, dass der 26-Jährige, seine Ex-Freundin und deren Bruder Kenntnisse über das Verschwinden Julias haben mussten, "obwohl sie bislang keinerlei Reaktion auf das mediale Interesse zur Aufarbeitung der gegenständlichen Strafsache zeigten", wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Durchsuchungsbefehl festhielt. Dabei wären die drei "in einer Nahebeziehung" zu der Vermissten gestanden: Julia habe sich zur inzwischen 27-Jährigen "gleichsam hingezogen gefühlt, zumal diese einen sehr autonomen Lebensstil pflegte. Zwischen beiden baute sich im Jahre 2006 rasch ein Vertrauensverhältnis auf".

Seit fast vier Jahren abgängig
Die damals 16 Jahre alte Schülerin ist seit dem 27. Juni 2006 aus ihrem Heimatort Pulkau im Weinviertel abgängig. Seit März dieses Jahres geht das Bundeskriminalamt dem Fall im Rahmen eines Cold-Case-Managements wieder intensiv nach.

Im Zuge der neu aufgerollten Erhebungen stellte sich heraus, dass das Mädchen an jenem Tag nach der Heimfahrt mit dem Schulbus nicht direkt nach Hause gegangen war, sondern später noch am Hauptplatz in Pulkau mit drei Personen - laut Ermittlerverdacht mit den am Montag festgenommenen Verdächtigen - gesehen worden war, die aus einem silbernen Auto gestiegen waren.

Der Verdacht der Ermittler: Die Schülerin könnte an einem "goldenen Schuss" - verleitet von "falschen Freunden" - gestorben sein. Ihre Leiche habe man dann in Panik verschwinden lassen.

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