"Amtsmissbrauch"

Kaprun-Anwalt zeigt Ministerin Bandion-Ortner an

Salzburg
09.04.2010 22:02
Gerhard Podovsovnik, der Anwalt von 80 Opferangehörigen der Kaprun-Katastrophe, bei der im November 2000 155 Menschen ums Leben kamen, hat Justizministerin Claudia Bandion-Ortner bei der Staatsanwaltschaft (StA) Wien angezeigt. Der Wiener Advokat wirft ihr mehrfachen Amtsmissbrauch sowie Verleumdung vor. Die Reaktion aus dem Ministerium folgte postwendend.

Es sei seine erste Anzeige in der Causa Kaprun und er müsse diese "schon allein aus Selbstverteidigung" einbringen, habe die Justizministerin doch eine Beschwerde gegen ihn bei der Rechtsanwaltskammer eingebracht: Und zwar wegen lediglich einiger an sie übermittelte Zeitungsberichte. Bandion-Ortner habe "voll wissentlich eine Falschanzeige zur disziplinarrechtlichen Verfolgung des einschreitenden Rechtsanwaltes eingebracht -  dies alles unter Ausnutzung Ihrer Position als Justizministerin", so Podovsovnik.

Er sei der einzige noch tätige Opferanwalt der Betroffenen des Flammeninfernos und solle "endlich mundtot gemacht" werden, schrieb Podovsovnik in seiner Anzeige. Außerdem vermutet der Advokat, dass Bandion-Ortner hofft, ihm möge im Wege einer oder mehrerer Disziplinarverfahren letztlich die Lizenz entzogen werden. "Sie gibt sich dabei den Anschein in Ausübung der Gesetze als Justizministerin für die Republik Österreich tätig zu sein. Eine derart unverfrorene Vorgangsweise einer Justizministerin ist in einer Republik nicht tragbar und muss umgehend strafrechtlich wegen Amtsmissbrauches geahndet werden. Auch der Bundeskanzler wurde umgehend in einem offenen Brief aufgefordert, binnen drei Tagen dazu Stellung zu nehmen, ob diese Vorgangsweise durch das Bundeskanzleramt gedeckt ist oder nicht", so Podovsovnik.

"Kaprun-Prozess war eine Farce"
Die Justizministerin habe ferner nach Erhalt des Vorhabensberichts der Oberstaatsanwaltschaft Linz, der selbst ein Vorhabensbericht durch die Staatsanwaltschaft Linz vorgelegt worden sei, das Wiederaufnahmeverfahren eingestellt. Bandion-Ortner "ist im Vorfeld laufend über die neuen Tatsachen und Umstände durch die Gutachter Hans-Joachim Keim und Bernhard Schrettenbrunner informiert worden", so der Anwalt. Schon der deutsche Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 25.9.2007 hätte klar zum Vorschein gebracht, dass der Salzburger Kaprun-Prozess "eine reine Farce" gewesen sei.

Die Justizministerin wäre in einem international brisanten Fall ihrer Verpflichtung zur genauen Überprüfung der Verfahrensakten nicht nachgekommen, sondern habe - trotz neuer Beweise - keinerlei Überprüfung des Verfahrens zur begehrten Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen die vier Gutachter unternommen. "Die Justizministerin hat damit mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, dass nämlich die Opferangehörigen nicht eine angemessene Sühne der Straftaten nach entsprechender Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die vier Gutachter und gegen die 16 Beschuldigten, miterleben durften und einen angemessenen europäischen Schadenersatz demnach nicht erlangen konnten, ihre Befugnis durch Unterlassung der Ermittlungen und Überprüfung in voller gegenteiliger Kenntnis der anders lautenden Beweise (Gutachten) sowie auch durch Weiterarbeitenlassen der befangenen Staatsanwaltschaft Linz und Oberstaatsanwaltschaft Linz, ihre Befugnis im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetzes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht", so Podovsovnik in seiner Anzeige.

Minister-Sprecherin nimmt Bandion-Ortner aus der Schusslinie
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wollte die Anzeige gegen sie zunächst nicht kommentieren. Sie verwies am Freitag darauf, dass es sich um laufende Ermittlungen handele. Vor Jahren habe es ein aufwendiges Verfahren gegeben, wenn es nun neue Beweismittel gebe, seien diese aufzugreifen, meinte die Ministerin. Ansonsten betonte sie: "Anhängige Strafsachen kommentiere ich nicht."

Später betonte ihre Sprecherin, dass es nicht die Justizministerin gewesen, die die Rechtsanwaltskammer über den Anwalt in Kenntnis gesetzt habe, sondern eine Abteilung des Justizministeriums. Man habe lediglich die Rechtsanwaltskammer nach Paragraf 23 (Wahrung der Ehre, des Ansehens, der Rechte und Unabhängigkeit sowie Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltstandes) informiert, sagte die Sprecherin.

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