iPad im Test

Eine Surfmaschine, die ein Revoluzzer sein könnte

Elektronik
07.04.2010 13:47
Mit seinem neuen iPad will der US-amerikanische Elektronikhersteller Apple unseren Computeralltag revolutionieren. Dabei soll schon wie beim iPhone letztendlich nicht die Hardware über den Erfolg bestimmen, sondern das Konzept der Anwendungen ("Apps") von Drittanbietern. krone.at hat sich in einem ersten Test mit einem US-iPad beide Seiten der Medaille angesehen.

Die Ankündigung des iPad erinnerte irgendwie an die Anfangszene von "Die Götter müssen verrückt sein", wo dem Buschmann Xi aus heiterem Himmel eine Limonaden-Flasche auf den Kopf knallt. Große Ratlosigkeit. Obwohl: Beobachter der Gadget-Welt wussten nach Apples iPad-Präsentation im Jänner dieses Jahres immerhin, welchen Verwendungszweck für das iPad sich der gehypte Hersteller selbst ersonnen hatte. Apps, Spiele und Bücher, Musik, Filme und TV-Serien soll sie kaufen, die Kundschaft, und mit dem "magischen Gerät", der "größten Apple-Erfindung aller Zeiten" möglichst viel Zeit verbringen und sich die Freizeit versüßen lassen. 

Darüber, ob das iPad nun tatsächlich eine neue Computer-Klasse begründen und womöglich sogar die eine oder andere "Revolution" (zum Beispiel bei Zeitungen, Büchern und Spielen) bewegen kann, ist man sich auch jetzt noch nicht einig. Zumal statt ins Computer-Fach auch eine Einordnung in die Kategorie Unterhaltungselektronik debattiert wird. Eine der häufigsten in Diskussionsforen gestellten Fragen ist auch nach dem Verkaufsstart am Samstag noch immer: "Und wozu brauch' ma das?" Dicht gefolgt von: "Und was kost' das dann alles?"

Xi aus der Film-Komödie wollte das "böse Ding“ aus dem Himmel am anderen Ende der Welt versenken – was das iPad natürlich nicht verdient hätte. Als "göttlich" würden wir das Tablet derzeit aber auch noch nicht loben – vor allem, weil gerade das erhoffte "Revolutionäre" am iPad noch in den Sternen steht.

Im Folgenden die Test-Eindrücke der krone.at-Redaktion nach einem Tag mit einem der beiden "Krone"-iPads aus den USA, die jetzt zwei glückliche Leser via krone.at gewinnen können (siehe Infobox), sowie ein paar Betrachtungen zu einem etwaigen iPad-Start in Österreich.

Die Surfmaschine
Das iPad, als Tablet-Gerät an sich, ist in erster Linie eine kompromisslose Surfmaschine. Kompromisslos deswegen, weil keinerlei Zugeständnisse an den Benützer gemacht werden: Es gibt nur einen Browser (die mobile Version von Apples Safari), wie schon beim iPhone existiert keine Unterstützung für Flash-basierte Websites oder derartige Einzelelemente, man kann im Wesentlichen beim Browsen nichts herunter- und auch nichts hochladen. Das iPad ist dazu da, um das Internet und seine frei und legal dargebotenen Inhalte zu konsumieren und allenfalls noch Interaktion in Chats, Foren und Social Networks zu nützen. Wer das so nackert dastehend liest, möchte wohl angesichts dieser theoretischen Limits gleich abwinken. Doch überrascht umso mehr, dass im Großen und Ganzen trotzdem alles passt. Wenn man vorm iPad sitzt und das Internet buchstäblich in der Hand hält, bringt man sogar Verständnis für Apples untertönige Argumentationslinie auf, von wegen man befreie das Web von überflüssigem Schnickschnack.

Was schon beim iPhone oft als "Internet zum Anfassen" beschrieben wurde, trifft jetzt beim iPad erst recht zu. Auf dem knapp zehn Zoll großen Display lässt sich nach Herzenslust und mit ausladenden Handbewegungen auf Websites "umrühren" (Akkulaufzeit im Test: über 11 Stunden). Der erste Eindruck aus der Ferne, wahrscheinlich nur ein aufgepumptes iPhone vor sich zu haben, erweist sich schnell als Milchmädchenrechnung. Der Lustgewinn am Tablet-Surfen steigt mit der Vergrößerung des Multitouch-Displays nämlich exponentiell. Streichen, wischen, ziehen, drehen, tippen und tapsen – die scheinbaren Bequemlichkeiten von Tastatur und Maus sind hier schnell vergessen.

Apropos bequem: Haltungsmäßig braucht es eine Gewöhnungsphase. Das iPad ist mit einem knappen Dreiviertelkilo zwar auf den ersten Blick ein Leichtgewicht. Abseits von Sofa, Hängematte und Wohnzimmerfauteil beginnt man nach der ersten halben Stunde aber nach Abstütz- und Ablagemöglichkeiten Ausschau zu halten. An der Kante abstellen ist eine Variante, will man beide Hände freihalten, muss man sich nach einer schrägen Unterlage umsehen. Nicht nur, dass sich das menschliche Auge mit flach ausgebreitetem Buchstabensalat schwer tut, gerät in horizontaler Lage nämlich das iPad-Display in Bezug auf Betrachtsungswinkel an seine Grenzen.

Auf raue Oberflächen aufstellen oder irgendwo anlehnen will man das iPad aber ohnehin nicht unbedingt. Mit der makellosen Aluminiumrückseite und der gläsernen Displayfront ist es auch kein Kandidat, den man nach der Benützung aufs Wohnzimmersofa wirft oder auf der Küchenanrichte neben der Saftpresse liegen lässt. Gerade die im Vergleich zu den letzten beiden iPhone-Generationen materialmäßig aufgewertete Bauweise weckt beim verwindungssteifen iPad nun den Aufpasserinstinkt des Benützers.

Stehend erwies sich bei den Testern die Stellung "Breitformat, beidhändig" mit den Daumen am Touch-Display als bequem. Wer's gerne klassisch hat, wird auch in der Position "Moses", das iPad auf der Linken in der Schräge balancierend und mit der rechten Hand bedienend, Vorteile erkennen. Der Phantasie sind in punkto Haltung klarerweise keine Grenzen gesetzt, zumal Apple an einen Sperrschalter für das Accelerometer (der Beschleunigungssensor, der u.a. das automatische Umschalten von Hoch- auf Breitbild ermöglicht) gedacht hat, mit dem sich die unerwünschte Rotation der Benützeroberfläche verhindern lässt (bitte auch beim iPhone!).

Die Surfmaschine iPad ist - bei Benützung zu Hause bzw. in Cafés oder Gastgärten mit WLAN – vielleicht sogar alltagstauglicher als Smartphone, Netbook, Laptop und Desktop-PC. Man sieht sich schon mit dem iPad am Frühstückstisch sitzen, genüsslich Marmelade auf das gestochen scharfe und kratzunanfällige Glas-Display kleckern und endlich nicht mehr mit der Kaffeetasse allein im Arbeitszimmer vor dem Desktop-PC hockend den News-Feed studieren. Nacheinander (Applikationsmultitasking ist in Cupertino auch beim iPad ein Fremdwort geblieben) checkt man dann noch seine E-Mails und schaut nach, was die Freunde im bevorzugten Social Network vergangene Nacht getrieben haben. Wer sich hier in dieser Apple-inspirierten Definition von "Internetmensch" nicht wiederfindet, wird mit dem iPad nicht warm werden. Und wer auch die Grauzonen des Internets besucht, wird sogar eiskalt bleiben.

Filofax 2.0
Das iPad ist auch eine Organisationsmaschine. Wer seinen digitalen Wochenplaner und das Adressbuch schon jetzt am Rechner in Schuss hält, wird auch mit den diesbezüglichen Basis-Tools am iPad seine Freude haben. Die Applikationen Kontakte, Notizen und Kalender sind – samt virtuellem Ledereinband – ihren papierenen Vorbildern nachempfunden und auch so aufgegliedert. Romane sollte man mit der virtuellen Tastatur, die ungefähr vier Fünftel eines ausgewachsenen Keyboards ausmacht, aber für die Ziffernzeile und einige Sonderzeichen einen Layoutwechsel verlangt, nicht unbedingt schreiben wollen. Texte von Twitter- bis E-Mail-Länge lassen sich aber flott und mit etwas Übung irgendwann auch ohne "bauartbedingte Tippfehler" meistern.

Auch die Fotosammlung kann auf dem Tablet-Computer recht ansehnlich präsentiert werden. Die Erweiterung derselben ist allerdings nur durch Synchronisation möglich – Kamera haben die Ingenieure dem iPad keine geschenkt. Hier zeigt sich erneut: Das Apple-Tablet ist ein Gerät zum Konsumieren und Präsentieren, sicher nicht zum Erstellen. Die vom iPhone bekannte Applikation Karten (Google Maps) macht auf dem iPad hauptsächlich aufgrund der Displaygröße und -Qualität viel Spaß.

GPS ist übrigens erst mit der Ende April in den USA erscheinenden WiFi+3G-Version des iPad möglich. Beim Ortungsversuch in Wien-Döbling platzierte uns das iPad in der Wachau. Die von US-Kunden berichteten Schwierigkeiten beim Finden und Merken von WLAN-Verbindungen konnten auch wir im Test nachvollziehen. Nach längerer Zeit im Standby "vergisst" das iPad das bevorzugte Drahtlosnetzwerk und man muss den Zugang erneut eintippen. Hier sollte Apple schleunigst einen Bugfix herausbringen.

Bewährte iPod-Funktionen mit Fokus auf Video
Wer sich auf einem iPhone auskennt, wird für die ersten Schritte am iPad nur Sekunden brauchen. Beim Betriebssystem des Apple-Tablets handelt es sich ja bekanntlich um eine Aunktionen zur Verwaltung von Musik, Videos, Podcast-Feeds und Hörbüchern. Hier hat sich im Vergleich zum iPhone nichts Neues getan, außer dass die Bewegtbildinhalte aus dem iPod-Menü ausgegliedert wurden und nun ähnlich der Fotosammlung in einer eigenen Übersicht verwaltet werden. Aufgrund des größeren Displays erwartet Apple offenbar, dass die Benützer mehr Videos und Filme auf ihre iPads laden. Bezieht man diese nicht aus dem iTunes-Store - in Österreich ist via iTunes ohnehin kein Bewegtbild erhältlich -, so ist eine Konvertierung der Clips zu kompatiblen Mpeg4-Formaten nötig.

Die YouTube-App läuft, wie man das vom iPhone gewohnt ist, vorzüglich und präsentiert sich dank des größeren Displays bei der Suche etwas übersichtlicher. Wer seine iTunes-Musikbibliothek brav betaggt und mit Covers bebildert hat, darf sich über einen noch eindrucksvolleren Coverflow-Effekt freuen. Die Audioqualität via Kopfhörer ist von den iPods bekannt, der eingebaute Lautsprecher liegt qualitätsmäßig näher am unerreicht sauberen Klang eines MacBook Pro als am Quäken eines iPhone-Lautsprechers.

Ein neuer App-Goldrausch - und die große Länder-Hürde
Wie schon beim iPhone gilt es für eine gesamtheitliche Bewertung auch beim iPad zu berücksichtigen: Es ist nicht das, was es ist – sondern was sich daraus machen lässt. Und hier kommen die Apps ins Spiel. Nach 150.000 kostenlosen und -pflichtigen Applikationen, die in den letzten anderthalb Jahren für das iPhone entwickelt wurden, startet Apple mit dem iPad einen neuen App-Goldrausch. Es laufen zwar fast alle iPhone-Apps auf dem Tablet, allerdings nur in Originalgröße auf einem Drittel der Displayfläche bzw. durch Heranzoomen mit Qualitätsverlust.

Es wird also in den nächsten Wochen und Monaten eine Flut an neuen Apps und Neuversionen bekannter Applikationen die App-Stores der iPad-Länder überschwemmen. Sie wird dazu führen, dass iPads dann eine Hauptrolle als digitales Scrabble-Spielbrett, als Ablöse für die alte Handheld-Spielkonsole oder als Serverdatenbank-Verwaltungstool bei ihren Besitzern übernehmen. Wer übrigens in einem Nicht-iPad-Land auf den App-Store seiner Region zugreifen will, wird vom iPad derzeit zurückgepfiffen.

Doch zurück zum App-Goldrausch: Die aus der Sicht Apples wichtigste iPad-Applikation nennt sich iBook, ein digitales Bücherregal und zugleich ein eBook-Shop, der kostenlos aus dem App-Store heruntergeladen werden kann. Als Rettung für Buchverlage und die von der Krise geplagte Zeitungsbranche dargestellt, markiert die hervorragend designte App in erster Linie Apples Eroberungsversuch des noch unsortierten Marktes für digitale Bücher. Bisher haben sich dort nur Amazon (reagiert mit einer Kindle-App für das iPad) und eine handvoll Buchhändler (schließen nun Deals mit Apple ab) mehr oder weniger erfolgreich eingenistet. Der iBook-Store startete in den USA am Samstag mit 60.000 kopiergeschützten und nur auf dem iPad lesbaren Titeln, die preismäßig kaum günstiger als papierene Bücher sind.

Im Gegensatz zu den ersten kostenpflichtigen Zeitungs-Apps von "New York Times" und "Wall Street Journal" bieten sie auch keinen spürbaren Mehrwert wie eingebettete Videos, Diskussionsforen, erweiterte Berichterstattung und Verknüpfungen zu archivierten Berichten. Der einzige Vorteil besteht darin, ein komplettes Bücherregal mit einem Griff mitnehmen zu können, und dass man sich beim Umblättern am iPad nicht mit einer Papierkante in die Finger ritzen kann. Als Apple die Verfügbarkeit von Filmen im US-iTunes-Store ankündigte, gab es von einigen Studios beim Kauf einer DVD die iTunes-Version als Draufgabe. Beim Büchermarkt gibt es diesbezüglich noch keine Ankündigungen. iBooks gilt übrigens als Hauptgrund für die verzögerte Einführung des iPad außerhalb der USA. Weil die Verträge mit Verlagen und Autorengesellschaften erst ausgehandelt werden und dann auch noch rentabel sein müssen, werden mit Ende April in Europa vorerst nur größere Märkte wie Deutschland und Großbritannien erschlossen.

Wie viele von den jetzt in den USA erhältlichen iPad-Apps auch auf europäischen bzw. auf einer österreichischen Version verfübgar sein werden, könnte nicht einmal Apple selbst beantworten. Die Games werden es wohl alle schaffen. Apps wie Facebook, Google Earth, Skype und Co. mit 100-prozentiger Sicherheit auch. Bei kostenpflichtigen Programmen mit geschützten Inhalten stehen die Zeichen allerdings eindeutig auf territoriale Ab- bzw. Ausgrenzung. Etwa die von US-Medien gelobte Marvel-App, die Comics und Graphic Novels auf das iPad bringt, ist vorerst nur für den US-Markt vorgesehen. Nicht einmal bei "New York Times" und "Wall Street Journal" ist bekannt, ob die kostenpflichtigen Abo-Apps auch diesseits des großen Teiches erhältlich sein werden. Auf amerikanische Free-Content-Applikationen wie Hulu (werbefinanziertes US-Portal mit Gratis-TV-Serien) braucht man hierzulande erst gar nicht hoffen.

Die Ami-Apps bräuchte es auch nicht, würden Apple bzw. die Content-Lieferanten hierzulande ein vergleichbares Engagement zeigen. Doch noch kann man in Österreich nicht einmal TV-Serien bei iTunes kaufen, geschweige denn Filme – obwohl bei uns im Grunde dieselben Serien im TV laufen, dieselben Blockbuster im Kino. Deutsche, französische und britische Kunden können erst seit 2009 Serien und Filme erstehen, wobei das Angebot in Vergleich zu den USA bei Weitem nicht so üppig ist. Verhinderungsgrund für eine Erweiterung sind die aus Sicht der Konzerne zu klein eingeschätzten europäischen Märkte und die Verwertungs- und Urheberrechte, über die man quasi in jedem europäischen Land von Neuem verhandeln muss. Außerdem gilt es, eingefahrene Vertriebs- und Verkaufsmuster aufzulösen - große Maschinerien haben es aber nicht so gern, wenn man ihnen Stecken in die Zahnräder treiben will.

Fazit: Eine Surfmaschine, die ein Revoluzzer werden könnte
Das iPad, das als Surfmaschine durchaus zu überzeugen weiß, wäre ein Revoluzzer, wenn es Content-Lieferanten und -Produzenten so weit bringt, die oben genannten Barrieren zu überwinden oder gar zu sprengen. Ein aufgestoßenes Tor zu einer preislich attraktiven On-Demand-Bereitstellung von Bücher, Serien, Filmen, Zeitungen und Magazinen würde freilich auch Mitbewerbern nützen, vielleicht sogar die leidige Piraterie-Diskussion beenden und kränkelnden Branchen auf den Sprung ins digitale Zeitalter helfen.

Das Schlimmste für das neue iPad - und seine zu erwartenden Nachfolger - wäre aber, wenn die "Revolution" dort halt macht, wo man glaubt, um den dicken Profit fürchten zu müssen. Eine schicke Surfmaschine, die ein paar Staatsgrenzen weiter leistbares Buchregal, Fernsehstation und Filmverleih sein kann, aber innerhalb der eigenen Landesgrenzen die große "Revolutionen der Inhalte" verweigert, wird unterm Strich vielleicht trotzdem ein gutes Gerät sein – aber sicher kein "magisches"...

von Christoph Andert

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