"Krone" exklusiv

LH Pröll: “Menschen brauchen Orientierung”

Niederösterreich
03.04.2010 18:54
Für eine Bankensteuer, Kriminalitätsbekämpfung per ASFINAG-Kameras und möglichst rasche Reformen in der katholischen Kirche: Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich, im großen Interview.

"Krone": Herr Landeshauptmann, wie feiern Sie heuer das Osterfest?
Erwin Pröll: Es hat bereits Tradition, dass wir es hier in meiner Heimatgemeinde Radlbrunn begehen, am Samstag die Auferstehungsprozession feiern, vielleicht machen wir am Nachmittag des Ostersonntags einen Ausflug in die Wachau.

"Krone": Wird Ihre ganze Familie dabei sein?
Pröll: Auf jeden Fall meine Frau Sissy, meine Tochter Astrid mit ihrem Ehemann und den beiden Enkelkindern Anna-Maria und Johannes. Meine Söhne und ihre Familien kommen voraussichtlich am Ostermontag auf Besuch.

"Krone": Wechseln wir zu Ihrer Rolle als Landesvater der Niederösterreicher: Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen, nicht als Bundespräsident zu kandidieren, um weiterhin von St. Pölten aus zu regieren?
Pröll: Nein, ich bin froh, mich für Niederösterreich entschieden zu haben. Es ist nach wie vor meine Meinung, dass es ein strategisch schwerer Fehler war, keinen Kandidaten von Seiten der Österreichischen Volkspartei aufzustellen. Die Causa ist allerdings für mich abgeschlossen.

"Krone": War die Meinung von Familienmitgliedern ausschlaggebend dafür, dass Sie nicht angetreten sind?
Pröll: In der Phase der Diskussion um meine Kandidatur hat sich Unglaubliches getan, unzählige Niederösterreicher haben mich angerufen und gebeten, nicht in die Hofburg zu wechseln. Das geht nicht spurlos an einem vorüber, und auch meine Frau ist jemand, der mich gerade in solchen Situationen mit sehr viel Ruhe und Umsicht begleitet. Für mich war nach langen Überlegungen klar: Die Emotion für Niederösterreich überwiegt deutlich.

"Krone": Gegenüber der Emotion für die Republik?
Pröll: Damit meine ich nicht die Emotion Österreich gegenüber, sondern einem Amt, das, würde es richtig ausgeübt werden, eine große Aufgabe wäre. Allerdings liegt eine solche auch in Niederösterreich vor uns, denn es ist ja nicht irgendein Bundesland, sondern das größte, und das, was in der Ostregion geschieht, ist bestimmend für den Lauf der Republik. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass viele große Österreicher niederösterreichische Wurzeln hatten.

"Krone": Da werden aber jetzt die anderen Bundesländer aufschreien!
Pröll: Nein, wir sind einfach das fläckendeckend größte und einwohnerstärkste Bundesland. Unser volkswirtschaftlicher Beitrag für die Republik ist beachtlich.

"Krone": Wie gehen Sie als Landeshauptmann von Niederösterreich mit der Sorge der Menschen um ihre Sicherheit und der Skepsis gegenüber den offenen Grenzen um?
Pröll: Gerade in Niederösterreich haben wir uns sehr intensiv auf die wirtschaftlichen Chancen und Möglichkeiten, die sich durch den Fall des Eisernen Vorhanges aufgetan haben, vorbereitet und sie entsprechend genutzt. Allerdings sehe ich auch die Sicherung der Grenzen und die Bekämpfung der Kriminalität als vordringlich an, hier ist noch ein ordentliches Stück des Weges zu gehen, und ich bin stets im intensiven Kontakt mit Innenministerin Maria Fekter, um Verbesserungen zu erreichen.

"Krone": Etwa mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen?
Pröll: Die Assistenzeinsätze des Bundesheeres sowie die Sondereinheiten haben in den vergangenen Monaten viel mehr gebracht, als dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Mir ist wichtig, dass die Intensität des Personaleinsatzes in den Grenzbereichen erhalten bleibt. Ich fordere aber auch, dass die Kameras der ASFINAG auf den Autobahnen für die Verbrechensbekämpfung genutzt werden können, denn die Vergangenheit hat einfach gezeigt, dass ein Gutteil der Kriminellen sich auf diesen Wegen wieder ins Ausland absetzt.

"Krone": Wird das mit dem Datenschutz vereinbar sein?
Pröll: Es gibt noch eine Reihe von rechtlichen Hürden auf Bundesebene zu überwinden, aber ich sehe die Nutzung der Video-Kameras in den Wiener U-Bahnen als Exempel.

"Krone": Worin sehen Sie prinzipiell den Vorteil der offenen Grenzen im Gegensatz zu einer Lösung, die freien Warenverkehr, aber trotzdem Personenkontrollen vorsehen würde?
Pröll: Für Niederösterreich bedeutete die Öffnung einen Standortvorteil. Dieser hat uns die Ansiedlung vieler internationaler Konzerne gebracht, einfach weil der gesamte Markt im Osten vor der Haustür liegt.

"Krone": Stimmt es, dass das Unternehmen „Google“ eine Betriebsansiedlung im Waldviertel plant?
Pröll: Über ungelegte Eier möchte ich nicht sprechen! (Lacht.)

"Krone": Hat sich die Krise in Niederösterreich deutlich bemerkbar gemacht?
Pröll: Wir haben es durch vier Konjunkturpakete in der Größenordnung von 880 Millionen Euro geschafft, die Einbrüche flacher zu halten als in anderen Bundesländern.

"Krone": Wie stehen Sie zur Bankensteuer?
Pröll: Das sehe ich als moralische Verpflichtung der Banken. Als es den Banken schlecht gegangen ist, hat ihnen der Staat unter die Arme gegriffen. Nicht mehr oder nicht weniger sollte nun im Umkehrschluss selbstverständlich sein.

"Krone": Dazu gibt es in der ÖVP aber unterschiedliche Meinungen?
Pröll
: Mag sein, ich habe trotzdem eine klare Meinung.

"Krone": Das Land Niederösterreich trägt heute Ihre Handschrift. Glauben Sie, dass in einer Koalition so viel Gestaltung möglich wäre?
Pröll
: Die Menschen haben gerade heute eine Sehnsucht nach Klarheit und Orientierung. Wer ihnen dieses Gefühl vermittelt, wird einen klaren Auftrag erhalten. Das hat mit Selbstvertrauen und Persönlichkeit der Verantwortungsträger zu tun.

"Krone": Wenn wir von Sehnsucht nach Klarheit und Orientierung sprechen: Wie sehr sehen Sie die katholische Kirche durch die Missbrauchsfälle erschüttert?
Pröll: Das alles bereitet mir große Sorgen, weil die Religion generell für viele Menschen, bewusst oder unbewusst, eine Orientierung, einen Anhaltspunkt, bietet. So gesehen ist die Situation äußerst problematisch, und sie tut mir auch persönlich im Herzen weh, vor allem in Hinblick auf die Opfer, die unermessliches Leid erdulden mussten. Ich hoffe sehr, dass es in der katholischen Kirche so rasch wie möglich zu einem Reinigungsprozess kommt. Denn es gibt einen alten Spruch: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

von Nadia Weiss, Kronen Zeitung

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