Lehrer schikaniert

Spuck-Affäre an Schule zieht immer weitere Kreise

Wien
03.05.2019 18:26

Auf den ersten Blick verstörend waren jene Szenen, die auf einem Video, aufgenommen in der HTL Ottakring in Wien, zu sehen waren: eine Auseinandersetzung zwischen einem Schüler und einem Lehrer, lautes Geschrei. Und dann spuckt der Lehrer seinem Schüler ins Gesicht, sein Gegenüber wird handgreiflich. Der etwa 50 Jahre alte Lehrer wurde suspendiert. Doch im Laufe des Freitags tauchten immer mehr Videos auf, die ebenfalls verstörende Szenen zeigen, in denen der Pädagoge von den Schülern massiv angefeindet wird.

Auf den ersten Blick wirkt es verstörend, dieses Video aus dem Klassenzimmer der HTL Wien-Ottakring. Lehrer und Schüler stehen sich gegenüber, brüllen. Auf ein „Aus der Klasse, raus!“ des Pädagogen folgt ein „Halt’s Maul“. Herr Lehrer spuckt dem Schüler ins Gesicht und wird gegen die Tafel geschleudert. Hier endet diese Videosequenz, die sich im Internet verbreitete. Der Direktor zog Konsequenzen: Der Lehrer (50) wurde suspendiert.

Der Hauptakteur (18) wollte „einen Streit zwischen dem Lehrer und einem Mitschüler schlichten“, sagt Peter Johannes Bachmair, der Direktor der Schule. Er berichtet außerdem von einer „Vorgeschichte“ des Pädagogen während seiner Probezeit - „er konnte sich nicht durchsetzen, provozierte die Schüler und beschimpfte sie rassistisch“.

Lehrer „systematisch fertiggemacht“
Genau hier scheiden sich aber die Geister, erzählen HTL-Schüler (die anonym bleiben wollen) der „Krone“: „Dass er gespuckt hat, war nicht okay. Aber dieser Lehrer wurde systematisch von den Schülern in dieser Klasse fertiggemacht.“ Weitere Videos, die im Laufe des Freitags publik wurden, zeigen ihn unter dem Tisch zusammengekauert, während er mit Papierkugeln beschossen wird; oder eingekesselt von Burschen, mit einem Besenstiel regelrecht „hypnotisiert“, wird er mit einer Trillerpfeife malträtiert. Doch die Schikanen gehen noch weiter. Auch Tischtennisbälle wurden der Lehrkraft an den Kopf geworfen. Monatelang sei das so gegangen, erfuhr die „Krone“.

Zahlreiche Widersprüche
„Und die Schulleitung hat zugesehen“, so die jungen Leute gegenüber der „Krone“. Bachmair entgegnet: „Der Lehrer ist ein Ausnahmefall. Die übrigen Kollegen kommen hervorragend zurecht.“ Widerspruch kommt prompt aus den eigenen Reihen: „Wir wissen, dass dieses Klientel extrem schwierig ist“, so ein Pädagoge. Der Konflikt habe sich in Gewalt entladen. „In dieser Situation hätte ich auch nicht gewusst, wie ich reagieren soll.“

Karl Mahrer, Sicherheitssprecher der ÖVP, kritisiert die Aggressionen der Schüler gegen den Lehrer. Stadtrat Maximilian Krauss von der FPÖ Wien interpretiert den Fall als Versagen der „roten Bildungsdirektion“.

„Habe jeden Tag Angst, dass etwas passiert“
Eine gefilmte Prügelei unter Schülern einer Mittelschule in Linz, bei der ein Zwölfjähriger in einer Unterführung zusammengeschlagen wurde, ließ im März die Wogen hochgehen. „Ein Schüler hat meinem Sohn (14) mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Die Polizei hat aber die Ermittlungen eingestellt, da der Täter noch keine 14 war. Man weiß nicht, was man machen soll“, meldete sich eine Mutter aus Linz.

Video: Bub (12) nach Schule in Unterführung verprügelt

„Mitschülerinnen haben meiner Tochter die Hand gebrochen. Gewalt und Mobbing stehen an der Tagesordnung. Ich bin so froh, wenn Ferien sind. Ich habe jeden Tag Angst, dass etwas passiert“, klagte eine weitere Mutter, ebenso aus Linz. In einer Schule im Kärntner Bezirk Völkermarkt fesselten im April ein 16- und ein 17-Jähriger ein Mädchen gegen seinen Willen mit Klebeband an einen Stuhl und stellten das Video davon ins Netz. Sechs Schüler wurden suspendiert.

„Dulden keinerlei Gewalt“
Der suspendierte Lehrer, der offenbar ohnehin im Sommer die Schule verlassen hätte, wird nun einvernommen. Dem Schüler bzw. den Schülern drohen disziplinäre Konsequenzen. „Wir dulden keinerlei Gewalt und respektloses Verhalten an unseren Schulen“, hieß es in einer Stellungnahme der Bildungsdirektion.

Schulgewalt in Zahlen

  • 835 Anzeigen wegen Körperverletzung oder schwerer Körperverletzung meldet das Innenministerium für das Jahr 2017, für 2018 und 2019 wird eine ähnliche Zahl erwartet.
  • In der Bundeshauptstadt gab es 2017 allein 303 Anzeigen wegen Körperverletzungen, dazu kamen neun wegen schwerer Körperverletzung.
  • Österreichweit gab es 202 gefährliche Drohungen, davon 67 in Wien. Vereinzelt wurden Sexualdelikte angezeigt. In Wiener Schulen wurden auch ein Raub und zwei schwere Raube angezeigt, ebenso in der Steiermark, in Salzburg und in Oberösterreich. Eine Anzeige gab es in Niederösterreich wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung.

Sandra Ramsauer, Kronen Zeitung/krone.at

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