Fall weitet sich aus

Nach Missbrauchs-Vorwürfen: “Dunkler Tag für die Kirche”

Salzburg
09.03.2010 09:12
Nach Bekanntwerden der massiven Missbrauchsvorwürfe gegen das Salzburger Kloster St. Peter hat Prior Korbinian Birnbacher (im Bild rechts) von einem "dunklen und bitteren Tag für die Kirche und unser Kloster" gesprochen. Ein heute 53-jähriger Salzburger hatte öffentlich gemacht, dass er als Kind vom heutigen Erzabt Bruno Becker und zwei Patres missbraucht wurde, teilweise über Jahre. Becker hat daraufhin seinen Rücktritt angeboten, der am Dienstag angenommen wurde.

"Ich bitte das Opfer um Verzeihung für das Vorgefallene. Mein Mitgefühl gilt dem Opfer, dem ich Respekt zolle, dass es den Mut hatte zu sprechen, denn dadurch hilft es, alles aufzuarbeiten", so Birnbacher am Dienstag. "Ich tue alles, um es wieder gut zu machen, kann es aber nicht ungeschehen machen. Bei sexuellem Missbrauch gibt es keine Toleranz, auch nicht für einen Erzabt."

Becker-Rücktritt angenommen
"Nach eingehender Beratung des Präsidiums der österreichischen Benediktinerkongregation, nach einem ausführlichem persönlichen Gespräch mit Erzabt Bruno Becker und nach nochmaliger Rücksprache mit Erzbischof Alois Kothgasser, hat Abtpräses Christian Haidinger (Stift Altenburg) bei der Äbtekonferenz am Dienstag in Gut Aich/St. Gilgen den angebotenen Rücktritt von Erzabt Bruno Becker mit sofortiger Wirkung angenommen", gab Prior Birnbacher dann am Dienstagnachmittag in einer Aussendung bekannt.

"Ungeachtet der schweren Vorwürfe gegen Erzabt Bruno Becker wollen wir nicht vergessen, dass sein Dienst als Abt unserer Gemeinschaft vorbildlich war. Dafür wollen wir ihm danken", hieß es zudem.

Pater Bruno "sehr geknickt"
Pater Bruno sei derzeit unter psychologischer, geistlicher und juristischer Begleitung. "Er ist sehr geknickt." In der Früh habe er sich in St. Peter verabschiedet und werde nun einige Zeit an einem Ort verbringen, wo er versuche, wieder zur Ruhe zu kommen. Ob es kirchenrechtliche Konsequenzen für den Geistlichen geben werde, sei noch unklar. Eigentlich sei der Vorfall schon verjährt.

Dennoch werde ein kirchenrechtliches Vorverfahren eingeleitet, die Ergebnisse würden dann der Glaubenskongregation in Rom übermittelt. Diese könne nämlich bei gravierenden Fällen die Verjährungsfrist aufheben. In diesem Fall könne es Folgen bis hin zum Verbot für die Ausübung des Priesteramtes geben. Becker werde jedenfalls keine Aufgaben und Ämter mehr übernehmen, eine Zeit lang sicher auch das Priesteramt nicht ausüben und keine seelsorgerische Tätigkeit übernehmen, sondern werde im internen Bereich eingesetzt.

Experten-Team soll Untersuchung einleiten
Birnbacher kündigte auch an, dass er ein Team aufstellen wolle, das sich aus Fachleuten, Juristen und Psychologen zusammensetzt. Diese sollen prüfen, ob es möglicherweise noch andere Missbrauchsfälle gegeben habe. Er werde auch persönliche Gespräche mit allen Ordensbrüdern führen. Aus der damaligen Zeit, also vor rund 40 Jahren, seien aber nur mehr zwei oder drei Brüder im Konvent. "Ich bin auch froh, dass wir heute kein Internat mehr führen."

Erzabtei: Weitere Opfer sollen sich melden
Eine offensive Suche nach möglichen weiteren Opfern wird St. Peter aber nicht führen. Man könne nämlich die heutigen Adressen der damaligen Zöglinge nicht mehr nachrecherchieren, weil die Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen vernichtet worden seien.

Daher bittet die Erzabtei St. Peter mögliche weitere Opfer eindringlich, sich zu melden, denn nur dann könnte alles aufgeklärt werden, sagte Prior Birnbacher. Konkret sollen sie sich an die Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Salzburg wenden. Sei das Vertrauen in kirchliche Einrichtungen aber so erschüttert, könne man natürlich auch andere Stellen kontaktieren. Hans Reißmeier (im Bild links), Leiter der Ombudsstelle, kündigte jedenfalls an: "Ich stehe ganz klar auf der Seite der Opfer."

Missbrauchs-Fall am Montag aufgeflogen
Der Fall um den sexuellen Missbrauch am Salzburger Kloster St. Peter war am Montag aufgeflogen: Erzabt Bruno Becker bot seinen Rücktritt an, nachdem er zuvor den Übergriff auf einen damals zwölfjährigen Schützling eingestanden hatte. Die Causa weitete sich am Dienstag allerdings aus, als sich das heute 53-jährige Opfer in einem Radio-Interview zu Wort meldete. Der Salzburger beschuldigte neben dem Erzabt zwei weitere Patres, ihn jahrelang immer wieder missbraucht zu haben.

Im Jahr 1974 bzw. 1975 schieden die beiden Mönche aus dem Kloster St. Peter aus und wechselten nach Bayern und Oberösterreich. Im Jahr 2005 wurden beide als Sextouristen in Marokko festgenommen. Ein Geistlicher wurde wegen schweren Missbrauchs an minderjährigen Marokkanern auch rechtskräftig verurteilt. Der zweite Pater wurde nicht verurteilt - er starb vor einem Monat in Bayern.

Missbrauch bei Aussprache mit dem Opfer
Ein pikantes Detail dabei: Erzabt Becker habe laut Prior Birnbacher damals von möglichen Übergriffen der beiden Ordensbrüder erfahren und wollte daher mit dem Opfer darüber sprechen. Genau bei dieser Aussprache sei es dann zum Missbrauch in einer Höhle am Salzburger Untersberg gekommen.

Zudem sagte der 53-jährige Salzburger, Becker habe ihm bei seiner schriftlichen Entschuldigung im Jahr 2009 5.000 Euro angeboten und ersucht, keine weiteren Schritte zu veranlassen. Erzbischof Alois Kothgasser meinte jedoch dazu, dieses Geld sei als eine Art Schmerzensgeld gedacht und keinesfalls als Schweigegeld zu verstehen gewesen.

Nähere Details zu den Missbrauchs-Vorwürfen in St. Peter findest du in der Infobox!

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