Gehypter Sex-Roman

Literatur-Jungstar hat bei Blogger abgeschrieben

Adabei
08.02.2010 16:08
Helene Hegemann, die 17-jährige Autorin des von Sex und Drogen nur so strotzenden und von vielen Medien gehypten Überraschungs-Bestsellers "Axolotl Roadkill", ist unter massive Plagiatsvorwürfe geraten. Sie verteidigt sich damit, dass es Originalität sowieso nicht gebe. "Das, was wir machen, ist eine Summierung aus den Dingen, die wir erleben, lesen, mitkriegen und träumen."

Der Blogger Deef Pirmasens sieht das anders. Auf seiner Internetseite gefuehlskonserve.de hatte er Hegemann vorgeworfen, ganze Passagen ihres Buches aus dem im vergangenen Jahr erschienenen Roman "Strobo - Technoprosa aus dem Berghain" von einem Autor namens Airen übernommen zu haben.

Hegemann räumte ein, sie sei "total gedankenlos und egoistisch" gewesen, weil sie nicht alle Menschen erwähnt habe, deren Gedanken und Texte ihr geholfen hätten. "Inhaltlich finde ich mein Verhalten und meine Arbeitsweise aber total legitim."

Der Fall macht deutlich, wie schmal der Grat zwischen Ideenklau und gegenseitiger geistiger Befruchtung geworden ist. In Zeiten, in denen Copy & Paste, das Kopieren & Einfügen, zu einem der wichtigsten Handgriffe der Computerarbeit geworden ist, fällt die Abgrenzung oft schwer.

16-Jährige in einer kaputten Welt
Hegemann erzählt in ihrem Buch aus der Perspektive eines 16 Jahre alten Mädchens, das sich durch eine kaputte Welt voller Sex, Drogen und Zynismus schlägt. Ein Axolotl ist ein mexikanischer Lurch, der in seinem Leben nicht erwachsen wird und einer Kaulquappe ähnelt. "Roadkill" nennen Amerikaner die überfahrenen Tiere, die auf der Straße liegen.

Sie habe ihre Freunde, andere Autoren und auch sich selbst dabei total beraubt, schreibt sie. Von Airen habe sie eine Seite regelrecht abgeschrieben, habe damit aber auch in Kommunikation mit ihm treten wollen.

Der Ullstein Verlag, der stolz schon den Ausverkauf der ersten Auflage gemeldet hatte, schob indirekt der jungen Autorin den Schwarzen Peter zu. "Offenkundig hat sie die Tragweite dieser Frage unterschätzt und ist auf Quellen und Zitate aus dem Netz - wie etwa den Blog von Airen - nicht eingegangen", erklärte Geschäftsführerin Siv Bublitz.

Remixen, Samplen, Transformieren
Blogger Pirmasens, der "Axolotl" und "Strobo" Passage für Passage verglichen hatte, war mit den Erklärungen nicht zufrieden. "Was sie (Hegemann) aber nicht versteht oder verstehen will, ist, dass Remixen, Samplen, Transformieren usw. vollkommen in Ordnung geht, solange man sich nicht mit fremden Federn schmückt." Und dem Verlag warf er vor, seine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.

Die Geschichte ist deshalb besonders pikant, weil "Axolotl Roadkill" in der deutschen Kulturszene groß mit Vorschusslorbeeren bedacht wurde. Vergleiche mit Charlotte Roches "Feuchtgebiete" waren nicht selten. Das Buch eroberte auf Anhieb die Bestsellerlisten. Die "Zeit" sprach von einem "literarischen Kugelblitz", und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" jubelte: "Ein deutsches Romandebüt mit einer solchen Kraft hat es lange nicht gegeben."

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(Bild: kmm)



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